Die erste Stunde Biologie verlief gewohnt ruhig und ohne besondere Vorkommnisse. Tim war in Bio nie besonders gut gewesen und so blieb ihm auch der Citratcyclus, der Thema dieser Stunde war, ein Rätsel. Es war ein gutes Gefühl, Lola zu haben, denn sie tat ihr Bestes, um ihn mit ihrem bezaubernden Lächeln aufzuheitern. Im Anschluss stand eine Stunde Deutsch mit Frau Grusche auf dem Plan. Deutsch war Tims Lieblingsfach und er war aufmerksam dabei. Doch die Klassenlehrerin begann ihren Unterricht anders als sonst. Als in der Klasse Ruhe eingekehrt war, ließ sie ihren ernsten Blick über die Köpfe der Schüler schweifen und sagte schließlich mit dünner Stimme: „Das Kollegium ist von unserem Schulleiter angewiesen worden, euch alle in den Vorfall, der sich in der vergangenen Nacht in diesem Gebäude ereignet hat, einzuweihen, so weit das möglich ist. Ihr müsst jetzt alle sehr stark sein, aber ich bin sicher, ihr alle seid inzwischen alt und reif genug, zu verkraften, was passiert ist. Euer Mitschüler Hannes ist letzte Nacht hier verstorben und die Polizei hat Anlass, zu vermuten, dass es sich um eine vorsätzliche Tötung handelt. Kommissar Bärlauch ermittelt in diesem Fall. Wenn irgendjemand von euch irgendetwas weiß, dann bitte ich ihn eindringlich, sich an die Polizei zu wenden, die sich auch in den nächsten Tagen hier im Gebäude aufhalten wird. Auch wenn wir alle des Verstorbenen gedenken wollen, werden wir so gut wie möglich versuchen, unseren gewohnten Rhythmus aufrecht zu erhalten und den Unterricht fortführen.“ Frau Grusche senkte den Blick und öffnete ihre Mappe. „Ich möchte euch nun die Gelegenheit geben, über diesen schrecklichen Vorfall zu sprechen, also baut bitte einen Stuhlkreis auf.“ Anders als sonst war angesichts dieser Anweisung kein Gemaule unter den Schülern zu vernehmen und alle leisteten ihr Folge. Tim blickte sich im Raum um: Alle machten einen sehr betretenen Eindruck, einigen Mädchen liefen stumme Tränen über die Wangen. Auch Tim musste schlucken.

Frau Grusche beendete die Stunde etwas vorzeitig und Tim machte sich alleine auf in die Mensa, auch wenn er kaum Appetit verspürte. Kurz vor der Mensatür kam ihm Kommissar Bärlauch mit beiden Händen voller Schokocroissants entgegen. Geräuschvoll kauend fragte er Tim: „Oh, gut, Tim, dich wollte ich sowieso noch etwas fragen:  Weißt du, wer gestern alles bei der Theaterprobe war?“ Tim, bei dem Anblick des dicken Beamten leicht verdutzt, antwortete: „Ich schätze mal das waren wohl die Mitglieder der Theater-AG und der Aufsicht führende Lehrer Herr Pfaffka. Achso und noch der Musikreferendar Herr Korianda, der organisiert die musikalische Untermalung.“  „Danke“, nuschelte Bärlauch und stapfte seines Weges. Tim, dem bei diesem Anblick sowieso der Appetit vergangen war, wartete einige Sekunden und ging dem Kommissar dann neugierig hinterher. Dieser betrat das Büro des Schulleiters, in dem die Polizisten sich wohl für die Dauer der Ermittlungen breit gemacht hatten. Tim stellte sich auf den Gang zwischen dem Büro des Schulleiters und dem des Vertretungsplaners, doch der grüne Gymnastikball war im Moment verwaist. Timo schlüpfte in das Büro, schob den Gymnastikball beiseite und ergriff die leere Kaffeetasse vom Schreibtisch. Er schloss die Bürotür und hoffte, der Besitzer des Zimmers würde nicht so bald wiederkommen. Dann setzte er die Tasse an die Wand, drückte sein Ohr dagegen und lauschte aufmerksam nach Gesprächen aus dem Nebenraum.

Tim hörte Bärlauch schmatzen und vor sich hin grummeln, da hörte er die Tür sich öffnen und wieder schließen. Jemand betrat den Raum und nahm quietschend auf dem Stuhl platz, auf dem Tim selbst vor ein paar Stunden gesessen hatte. „Nun, Herr Pfaffka“, sprach Bärlauch mit tiefer Stimme. Zettel raschelten. „Ihren Kollegen Korianda habe ich auch bestellt, der sollte auch in Kürze zu uns stoßen. Sie sind Hans Pfaffka, 57 Jahre alt?“ Pfaffkas Stimme ertönte: „Das ist korrekt, aber jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.“ Bärlauch grummelte Unverständliches. Da ging die Tür wieder auf und eine weitere Person trat ein; es war Herr Korianda, der die Herren mit klarer Stimme begrüßte: „Guten Tag, wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ Bärlauch sagte: „Ah, der Korianda, richtig? Ich habe Sei erwartet. Bitte setzen Sie sich.“ Ein weiterer Stuhl knarrte. „Ich danke Ihnen beiden, dass Sie es so spontan einrichten konnten.“, sprach Bärlauch. „Wie Sie wissen, ist gestern Nacht unter Ihrer Aufsicht ein Verbrechen geschehen und meine Kollegen und ich werden keine Mühen scheuen, um diese entsetzliche Gräueltat aufzuklären. Können Sie mir zunächst einmal berichten, was gestern in der Theaterprobe passiert ist?“ Herr Pfaffka antwortete: „Ich kann es selbst kaum fassen, dass so etwas an diesem Ort und auch noch unter meiner Aufsicht geschehen ist. Mein Kollege und ich werden Sie natürlich nach Tatkräften bei Ihrer Arbeit unterstützen. Also, wir hatten eine ganz normale Probe ohne besondere Zwischenfälle, wir haben ganz in Ruhe geprobt. Ich habe mich um die Bühne gekümmert, während Hannes noch ein paar Stühle in den Requisitenraum getragen hat. Als ich fertig war, konnte ich niemanden mehr sehen und im Oberstufenfoyer war das Licht aus, also habe ich abgeschlossen und bin nach Hause gefahren.“ „Wer war denn gestern alles zugegen?“ „Also da waren wir beiden und die Schüler…warten Sie, ich habe hier eine Liste. Zwei waren gestern krank, die habe ich schon mal durchgestrichen.“  „Hatte noch jemand Zugang zum Gebäude?“ Pfaffka gab zurück: „Theoretisch hätte jeder durch den Haupteingang hereinkommen können, der war nicht abgeschlossen.“  „Okay! Dann würde ich vorschlagen, Sie beiden zeigen mir jetzt nochmal ganz genau, wo und wie Sie gestern gearbeitet haben. Bitte führen Sie mich zur Bühne!“, gebot Bärlauch. Nach allgemeinem Gerumpel vom Nachbarzimmer hörte Tim Schritte, die an seiner Tür vorbei führten und dann langsam verstummten. Er wartete noch einige Sekunden, dann machte sich Tim auf zurück zum Klassenzimmer.

Doch oben angekommen fand er eine Notiz auf seinem Platz. Sie war auf ein einfach gefaltetes,  kariertes Collegeblattpapier geschrieben, wobei der Urheber sich nicht die Mühe gemacht hatte, den fransigen Rand abzureißen. Lola musterte ihn neugierig. Beinahe zeitgleich fragten sie einander: „Was ist das?“ Lola ergriff zuerst das Wort: „Ich weiß nicht. Ich war eben kurz auf der Toilette und danach lag dieser Zettel da…“ Tim sah sich im Klassenzimmer um. Außer Lola war da niemand. Er entfaltete den Zettel.

Halte dich aus der Sache raus! Sonst verlierst du alles, was dir lieb ist!!!

„Oh, Gott!“ Tim hätte nicht gedacht, dass seine Freundin zu solch einem spitzen Schrei fähig wäre. „Bitte nimm dir das zu Herzen und gehe damit zu Bärlauch!“ „Nein, dann weiß Bärlauch, dass ich selbst ermittle.“  Zu sich selbst fügte er hinzu: „Wer hätte überhaupt wissen können, dass ich selbst nachforsche? Hat vielleicht doch jemand gemerkt, dass ich eben das Gespräch belauscht habe?“  Lola erwiderte: „Vielleicht kann Bärlauch Spuren daran sicherstellen.“ „Mhhh.“, murmelte Tim unschlüssig.

Wie soll es weitergehen?
Soll Tim das Papier zu Untersuchung zur Polizei bringen?

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