Foto: Sky/firo

Ein bisschen verwirrt waren unsere Tischnachbarn dann schon. Den großen Mann mit tiefer Stimme, der ihnen schräg gegenüber saß, kannten sie irgendwo her. Aber woher genau, fiel ihnen nicht ein. Was Günther Jauch für die Quizshowgucker ist, ist Rolf “Rollo” Fuhrmann für Fußballfans. Seit über 20 Jahren berichtet er für den Fernsehsender Sky als Field-Reporter von nationalen und internationalen Fußballspielen. Rollo hat Sportgeschichte erlebt, sogar schon selbst geschrieben. Kaum einer ist jeden Spieltag so nah dran wie er. Umso mehr haben wir uns gefreut, dass er einem Gespräch mit uns sofort zugesagt hat. Und so durften wir mit ihm knapp eine Stunde lang plaudern – über Twitter, sein selbstgebautes Auto und das Tagesgeschäft Bundesliga.

Pressident: Moin Rollo, Fußballfans stolpern auf Twitter seit einigen Monaten immer wieder über deinen Account (@Sky_Rollo). Deine Tweets beginnst Du immer mit dem Hashtag #hallohallo, der schon fast Kultstatus erreicht hat. Warum findet man einen Reporter wie Dich bei einem solchen Netzwerk?
Rollo: Bei Twitter hat man immer sofort ein Bild über die Meinungen und Einschätzungen von anderen. Das finde ich super! Es war auf dem SportBild-Award letztes Jahr im Sommer, da kam der Chef von Twitter-Sport in Deutschland zu mir und hat mich überredet, mich auch anzumelden. Ich war dann auch ziemlich schnell Feuer und Flamme. Twitter ist schneller, viel innovativer als andere soziale Netzwerke.

Es gibt ja viele die sagen, dass sie diesen Quatsch nicht mitmachen…
Das haben viele auch über Computer, Internet und Handys gesagt. Aber das Ende kennen wir alle: Jeder hat mittlerweile ein Smartphone und Ähnliches. Wieso sollte man also nicht mit der Zeit gehen?
Und Du hast ja jetzt auch schon kräftig Follower gesammelt.
Ich staune da selbst drüber. 13.000 Follower, und das innerhalb von 14-15 Monaten. Hätte ich nicht für möglich gehalten.

Mal ein Schwenk zum aktuellen Bundesligageschäft: Der Deutsche Meister kommt auch dieses Jahr wieder aus München?
Für die Bundesliga ist das zwar schlimm, weil die Spannung komplett raus ist, aber die Bayern werden auch dieses Jahr nicht aufzuhalten sein.

Was stellt man den Bayern-Spielern als Reporter denn noch für kritische Fragen, wenn es eigentlich nichts zu kritisieren gibt?
Also für uns bei Sky ist das ja Tagesgeschäft. Deshalb ist das nicht so kompliziert. Wir stellen dann Fragen zum Spiel, und das ist dann auch in Ordnung. Und wenn ich dann mal bei einem anderen Spiel bin, zum Beispiel beim HSV, dann stellt man natürlich auch andere Fragen. Da geht es dann konkret um Wille und Kampf der Mannschaft.

Apropos Hamburger SV: Man setzt jetzt auf Trainer Joe Zinnbauer, den man von der U23 befördert hat. Der Trend in der Bundesliga geht ja immer mehr in diese Richtung.
Die Entscheidung finde ich persönlich super. Das habe ich auch sofort getwittert. Viele andere Vereine haben ja auch so gehandelt. Und ich bin auch der Meinung, dass er ein fähiger Mann ist, der das schaffen wird.

Nun hat der HSV, wie viele andere Clubs aus Deutschland auch, sich für Investoren geöffnet. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung oder zerstört man so mittelfristig den Fußball?
Ich bin ja ein gewisser Fußballromantiker, gucke mir gerne mal ein Amateurspiel an, gehe zum Beispiel mal zu Altona 93 und esse da meine Bratwurst. Allerdings ist doch klar, dass es ohne Investoren in Zukunft nicht funktionieren wird. Ohne Geld geht es in diesem Sport nicht. Ob das alles so gut ist, weiß auch ich nicht. Aber das ist genauso wie mit dem Internet. Es ist eine super Sache, kann aber auch zur Last werden.

Foto: Sky/firo

Wie wurdest Du eigentlich St. Pauli-Fan?
Ich komme ja aus Ostfriesland. Daher war ich anfangs gar kein Vereinsfan. Werder Bremen fand ich damals noch ganz sympathisch. Aber auch den HSV, der in Europa Erfolg hatte, war meiner Meinung nach großartig. Jedoch waren die HSV-Spieler nie so richtig greifbar für die Fans, teilweise auch etwas arrogant. Und dann bin ich zu St. Pauli gegangen und es hat sich das entwickelt, was jeder andere Fußballfan auch kennt. Irgendwann konnte ich nicht mehr anders und wurde Mitglied.

Aber Mitglied beim VFB Stuttgart bist du auch.
Das kam daher, dass ich nicht immer nur als Pauli-Fan leiden wollte. Ich hatte auch mal Lust, einen Erfolg zu feiern. Und es gab mal eine Zeit, da hat mich Stuttgart unfassbar begeistert. Aber bei St. Pauli bin ich mit mehr Herz dabei.

Ist das nicht schwierig, dann im Beruf immer unparteiisch zu agieren?
Job ist Job und Schnaps ist Schnaps. Das ist kein Problem für mich. Ich verstehe mich mit so vielen Spieler und Fans wirklich gut. Und dann ist es egal, ob ich nun auf Schalke, in Stuttgart oder sonst wo bin.

Du hattest in deiner Jugend eine ziemliche ungewöhnliche Idee, nämlich die Eröffnung deiner eigenen Disko.
Ja, die Idee kam mir mit 16 Jahren. Es gab bei uns in Ostfriesland keine Diskotheken und dann habe ich, zusammen mit meinem Kumpel unter der Jugendherberge eine Disko eingerichtet. Geöffnet war immer mittwochs von 19-22 Uhr. Und es gab nur Cola. Alkohol war verboten. Das war mit dem Jugendamt so abgesprochen.

In jener Disko hat ein gewisser Otto Waalkes die Wände bemalt. Habt Ihr heute noch Kontakt?
Vergangenes Jahr haben wir uns mal wieder gesehen. Der Kontakt ist zwar selten, aber er besteht. Otto hat für das Bemalen der Wände übrigens 150 Mark genommen.

Wie bist Du später eigentlich zum Fernsehen gekommen?
Es ist ja so im Leben: Du hast vielleicht vier, fünf Mal eine super Idee. Und die solltest du dann auch unbedingt umsetzen. Da darfst Du überhaupt nicht zögern. So habe ich das damals bei der Disko auch gemacht. Und beim Fernsehen lief es ähnlich. Premiere (heute SKY) war da gerade ein halbes Jahr alt und Reinhold Beckmann, der damalige Sportchef, suchte noch Mitarbeiter. Und dann bin ich einfach zu Premiere nach Hamburg-Wandsbek gefahren und wurde so eine Art freier Praktikant, ein halbes Jahr später dann Redakteur. Das war im Juni 1992.

Du wohnst in Hamburg – in einer WG mit zwei Frauen. Deine Lebensgefährtin wohnt in Bremen. Wie entstand diese ungewöhnliche Konstellation?
Die Geschichte ist viel simpler als sie sich anhört. In einer WG zu wohnen ist wie mit seiner eigenen Familie zusammenzuleben. Man muss Kompromisse eingehen und auch Rücksicht nehmen. Als ich mich vor langer Zeit von meiner damaligen Freundin getrennt habe und sie zusammen mit meiner Tochter ein paar Straßen weitergezogen ist, hatte ich einfach keine Lust, alleine zu wohnen. Deswegen habe ich mir Mitbewohner gesucht. Und ich finde das immer noch klasse. Meine jetzige Freundin hat ihren Lebensmittelpunkt nun mal in Bremen – und ich in Hamburg. Für uns beide ist das so kein Problem.

Man merkt, dass Du Dich in Hamburg richtig wohlfühlst. Was macht die Hansestadt so einzigartig?
Die Jahreszeiten, das Wetter, die Stadtteile. Einfach alles! Hamburg ist meine Stadt!

Fragen Dich Passanten auch mal nach einem Foto?
Ja, das kommt vor. Bundesweit sogar. Und ich mache das ja auch richtig gerne.

Rollo im Gespräch mit Pressident - Foto: Pressident

Rollo im Gespräch mit Pressident – Foto: Pressident

Und wie oft kommt es vor, dass Du noch als „Meistermacher“ angesprochen wirst?
Hintergrund: Am letzten Spieltag der Saison 2000/2001 verkündetet Rollo nach Abpfiff im Schalker Parkstadion, dass die Bayern ihr letztes Spiel verloren hätten und die Schalker somit Meister wären. Dem war aber nicht so. Während auf Schalke die Meisterfeier begann, glichen die Bayern noch in Hamburg aus und wurden somit Meister. Schalke 04 blieb nur die Vizemeisterschaft.
Noch heute sagen einige Meistermacher zu mir und ich antworte dann: Nun wart ihr mal für viereinhalb Minuten Meister, genießt es doch mal. Wer weiß, wann das wieder passiert. Aber im Ernst: Ich gönne ihnen möglichst bald mal die Schale.

Was macht ein Field-Reporter an spielfreien Tagen?
Da mache ich Dinge, zu den ich an Arbeitstagen nicht komme. Manchmal treffe ich mich auch mit Freunden oder schraube an meinem Auto. Aber langweilig wird mir nie. Und mal muss man sich auch ausruhen. Der Reisestress, den mein Job nun mal mit sich bringt, ist nicht ganz ohne. Letztens war ich an vier Tagen nacheinander in Liverpool, Braunschweig, Paderborn und Wolfsburg.

Wie bereitest Du dich denn auf Spiele vor?
Grundsätzlich musst du alle Geschichten kennen. Ich fange unter der Woche an und lese alles, was ich so finde. Das ist die Grundvoraussetzung. Außerdem kriegt jeder Reporter immer eine Datenmappe – da gucke ich rein, wenn ich etwas Spezielles wissen möchte.

Und wie rechtzeitig erfährst Du, welche Spieler oder Funktionäre Du interviewen wirst?
Vor dem Spiel weiß ich schon, mit wem ich spreche. Aber wem man nach dem Spiel seine Fragen stellt, hängt ja ganz davon ab, was alles so im Verlauf der Partie passiert.

Was denkst Du als Reporter, wenn solche Interviews wie das von Per Mertesacker und der Eistonne bei der WM im Sommer so stark in den Medien thematisiert werden?
Ich glaube, Per Mertesacker wollte das einfach nur mal loswerden. Letzten Endes war es doch einfach unterhaltsam. Und Boris Büchler (ZDF Reporter, Anm. d. Red.) hat auch völlig normale Fragen gestellt. Ich habe ihm gleich danach per SMS geschrieben, dass ich sein Interview klasse fand.

Was ist denn das Schönste am Beruf des Reporters?
Für mich ist das ein Traumjob. Mal so als Beispiel: Bevor ich damals zu Premiere gegangen bin, bin ich ungefähr zehn Mal geflogen. Jetzt sind es weit über tausend Flugstrecken. Und durch das Reisen erlebst Du ständig neue Dinge und lernst auch immer wieder neue Menschen kennen.

Also ist es auch eine Grundvoraussetzung für den Beruf, dass man sich ständig auf neue Dinge einlassen möchte?
Ja, und diese Sache habe ich vielen anderen meines Alters voraus. Ich bin durch meinen Job immer wieder Neuem aufgeschlossen. Das muss aber auch unbedingt so sein.

Du hast schon erzählt, dass du öfters viel Reisestress hast. Wie sieht dann ein Tag bei Dir aus?
Vor ein paar Wochen war ich donnerstags bei Zürich gegen Mönchengladbach. Da war ich nach der Sendung erst um ein Uhr Nachts im Bett. Am nächsten Morgen ging um 10 Uhr der Flug nach Berlin. Da habe ich mir einen Leihwagen gemietet und bin dann mit kurzem Umweg direkt weiter ins Stadion zu Hertha gegen Stuttgart. Nachts ging es direkt weiter nach Bremen zur nächsten Übertragung. Daran sieht man, dass es schon mal stressig wird. Aber es macht ja auch Spaß.

Du hast Dir, wie ebenfalls schon kurz angesprochen, ein Auto selbst gebaut!?
Ja, mit einem Freund zusammen. Das ist 43 Jahre alt, ein Buggy, hat ein H-Kennzeichen und fährt heute besser als je zuvor.

Gibt es ein paar Fußballspiele, die Dir immer in Erinnerung bleiben werden?
Genug! Das erste, was mir einfällt, ist mein erster Einsatz als Field-Reporter. Ein Kollege hatte sich verletzt und deshalb musste ich ran. Das hatte man mir drei Stunden vor Spielbeginn gesagt. Ich war total aufgeregt und war bis zum Spielbeginn bestimmt sieben Mal auf Klo. So ziemlich das Schlimmste, was ich erlebt habe, war der Selbstmordversuch von Babak Rafati damals vor dem Spiel in Köln. Das habe ich damals als Erster verkündet, nachdem wir ganz sicher waren, dass es stimmte. Schließlich war das natürlich eine ganze heikle Geschichte.

Sky sitzt in München. Du wohnst in Hamburg. Wie nimmst Du an den Redaktionskonferenzen teil?
Meistens bin ich jeden Montag telefonisch zugeschaltet. Einmal im Monat bin ich aber auch vor Ort.

Kommentator Wolff Fuss hat schon mal bei Dir in Deiner WG übernachtet. Hast Du eine Art „Lieblingskollegen“?
Ich versteh mich mit 99 Prozent der Leute im Geschäft gut. Und wenn mich dann mal ein Kollege fragt, helfe ich immer gerne, Natürlich ist man mit einigen Leuten ein bisschen enger befreundet als mit anderen. Wolff zählt sicherlich dazu.

Rollo, wir bedanken uns für das tolle Gespräch und wünschen Dir noch viele unvergleichliche Reporter-Momente!

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