Der spanische Forscher Dr. Cesar Munoz-Fontela und die deutsche Doktorandin Anja Lüdtke kämpfen gegen die Ebola-Epidemie. Im Gespräch mit Pressident sprechen sie über die Lage vor Ort, die Komplexität des Virus – und mögliche Lösungsansätze in der Zukunft.

Eppendorf: Von außen betrachtet wirkt das Heinrich-Pette-Institut lediglich wie ein modernes Gebäude. Man würde nicht unbedingt vermuten, dass Forscher hier hochgefährliche Viren wie z. B. Ebola erforschen, um unter hohen Sicherheitsstandards aggressive Krankheitserreger genauer zu untersuchen. Genau hier trafen wir den leitenden Forscher sowie eine Doktorandin zum Interview

Das Heinrich-Pette-Institut von außen.

Das Heinrich-Pette-Institut von außen.

Pressident: Herr Munoz-Fontela, Sie waren vor einem Monat in Nigeria. Wo genau sind Sie gewesen und was haben Sie gemacht?
Dr. Cesar Munoz-Fontela: Ich war in Lagos, der größten Stadt Nigerias. Dort gab es einen kleinen Ebola-Ausbruch, also habe ich bei der medizinischen Diagnostik geholfen und den Menschen gezeigt, wie sie Blutproben der Betroffenen sicherstellen und sich bei den Untersuchungen selbst schützen können.

Können Sie uns, die sich die Not der Menschen kaum vorstellen können, die Situation dort etwas näher beschreiben?
M.-F.: In Nigeria war die Lage von Beginn an ziemlich gut unter Kontrolle, da die Behörden vor Ort gute Arbeit leisten. Der Infizierte und seine Kontaktpersonen wurden isoliert. Selbst als vor ein paar Wochen zwei Personen aus ihrer Isolation in den Süden Nigerias nach Port Harcourt geflohen sind, hat man die Lage sehr schnell kontrolliert, sodass dieses Land derzeit frei von neuen Infektionen ist.

Das ist ein wichtiger Fortschritt! Aber wie haben Sie die Stimmung im Land wahrgenommen, haben die Menschen Angst vor einem erneuten Ausbruch?
M.-F.: Natürlich haben sie Angst davor. Gleichzeitig haben sie die nötige Erfahrung, die Lage noch schneller zu kontrollieren, sollte ein weiterer Ausbruch geschehen.

Frau Lüdtke, Sie waren drei Wochen lang in einem der hauptsächlich betroffenen Ländern, Guinea. Wie ist die Situation dort?
Anja Lüdtke: In Guinea gibt es zahlreiche Fälle von Ebola. Ich habe in einem großen Behandlungszentrum einer Stadt, zu dem mittlerweile immer mehr Einwohner kommen, die Menschen auf Ebola getestet. Neben dieser Arbeit gibt es viele Freiwillige, die in kleine abgeschiedene Dörfer gehen, um die Menschen über Ebola aufzuklären und das immer noch bestehende Misstrauen gegenüber medizinischer Hilfe abzubauen.

In den von der Epidemie betroffenen Ländern spricht man bislang von über 9000 Infizierten und bereits 4500 Verstorbenen (Stand: 14. Oktober). Kann überhaupt noch jemand genau feststellen geschweige denn vorhersagen, welche Ausmaße diese Seuche annimmt?
L.: Wahrscheinlich nicht. Sicherlich gibt es noch viel mehr unbekannte Krankheitsfälle, so dass niemand genaue Zahlen erheben kann. Fakt ist aber, dass bereits jetzt die Zahl der Infizierten riesengroß ist und sich in naher Zukunft wohl noch um einiges ansteigen wird.
M.-F.: Das Hauptproblem bei dieser Entwicklung ist, dass sich derzeit jeden Tag Menschen anstecken, die häufig nicht behandelt werden können. Ein wachsendes Bewusstsein über die Gefahr von Ebola bei den Einwohnern sorgt aber zumindest dafür, dass immer mehr sich testen lassen.

Pressident im Gespräch mit den beiden Redakteuren.

Pressident im Gespräch mit den beiden Redakteuren.

Ebola ist in den letzten Jahrzehnten ja mehrmals ausgebrochen, noch nie gab es dabei jedoch so viele Infektionen in einem solch kurzen Zeitraum. Wie erklären Sie sich diese plötzliche Dramatik?
M.-F.: Das Virus ist zuerst in ländlichem Gebiet Guineas aufgetreten. Da dieses Land Grenzen zu drei anderen Staaten hat, konnte es sich wahrscheinlich von hier ausbreiten. Zum ersten Mal hat es dabei auch die Hauptstädte erreicht, das Ausmaß nahm noch schneller zu.

Gibt es überhaupt noch irgendwelche vergleichbaren Epidemien der Vergangenheit?
M.-F.: Die Spanische Grippewelle 1918 oder die Influenza-Pandemie haben noch mehr Menschen getötet als Ebola bis jetzt. Außerdem gibt es das sogenannte Lassafieber, das Ebola ähnelt. Nicht nur Ebola hat in der Vergangenheit großen Schaden angerichtet.

Welche Rolle spielt die soziale Situation in Westafrika, u. a. in Guinea, für den Umgang mit Ebola?
L.: Die Menschen dort waren zunächst vollkommen überfordert, sie wussten nichts über die Krankheit. Sie hängen an ihren Ritualen wie zum Beispiel das Waschen der Toten ohne zu wissen, welchem Ansteckungsrisiko sie sich damit aussetzen.

Aus solch verinnerlichten Gewohnheiten entwickelt sich automatisch Misstrauen gegenüber medizinisch richtigen Maßnahmen, die gewisse Rituale ausschließen. Warum haben die Menschen dort aber so viel Angst vor der Hilfe und gehen teilweise so weit, Hilfstruppen umzubringen?
L.: Das hängt meiner Meinung nach damit zusammen, dass die Menschen das Problem noch nicht richtig kennen und einschätzen können. Die Dörfer sind häufig eng zusammenlebende Stämme. Wenn der Stammesälteste behauptet, Ebola wäre nicht existent, vertraut der Rest häufig eher dieser Person als den kommenden Entwicklungshelfern. Zudem haben Helfer in weißen Plastikschutzanzügen, die zum ersten Mal abgelegene Dörfer besuchen, sicherlich etwas Angsteinflößendes.

Es wird über eine mögliche Mutation des Virus spekuliert. Was befürchten Sie?
M.-F.: Zum Glück ist das Virus bislang stabil. Das Influenza-Virus beispielsweise kann die einzelnen Bestandteile neu mischen und somit ein neues Virus erzeugen. Bei Ebola hingegen befinden sich alle Erbinformationen in einem Abschnitt, was eine neue Zusammensetzung erschwert. Sicherlich gibt es kleine Abwandlungen, durch die sich das Virus ein wenig zum anfänglichen unterscheidet. Es ist aber äußerst unwahrscheinlich, dass sich das Verhalten des Virus grundlegend ändert.

Halten Sie es denn für möglich, dass das Todesrisiko etwas sinkt, dafür die Ansteckungsgefahr noch größer wird?
M.-F.: Das ist möglich, ja. Dies ist zum Beispiel mit Influenza passiert. Es ließ sich schneller auf andere übertragen, weil der Infizierte länger ansteckend wurde. Ist das Virus nicht so aggressiv und ggf. tödlich, hat es mehr Zeit auf weitere Körper überzuspringen.
F.: Obwohl das Virus den Organismus angreift und zerstören kann, benötigt es ihn selbst zum Überleben.

Das führt uns zum allgemeinen Krankheitsverlauf: Wie sieht dieser bei einem Ebola-Infizierten typischerweise aus?
L.: Die typischen Symptome sind Fieber, Erbrechen und Durchfall, manchmal treten auch
Blutungen auf.
M.-F.: Ab einem bestimmten Zeitpunkt funktioniert der Körper nicht mehr. Das Virus verteilt sich auf verschiedene Organe und es kommt zum Multi-Organ-Versagen, der Infizierte stirbt.

Trotz zahlreicher analysierter Blutproben gibt es bislang wenig medizinische Lösungsansätze. Welche Strategie verfolgen Sie nun bei Ihren Untersuchungen?
L.: Wir versuchen durch Tests an Mäusen genauer zu verstehen, wie das Immunsystem auf die Infektion reagiert und welche konkreten Faktoren den fatalen Krankheitsverlauf bedingen.
M.-F.: Es benötigt gewisse Grundvoraussetzungen, um mit dem Virus arbeiten zu können. Ein Bio-Labor mit der Sicherheitsstufe 4, wovon es nur wenige gibt, ist notwendig. Außerdem kann kein Tiermodel den exakten Krankheitsverlauf wiedergeben. Deshalb versuchen wir aktuell passende Modelle zu entwickeln, um unseren Fragen genauer nachgehen zu können. Erst wenn wir erklären können, warum manche Infizierte sterben und andere nicht wird es uns auch gelingen, Medikamente oder einen Impfstoff dagegen zu entwickeln.

Ein Labor der Sicherheitsstufe 2.

Ein Labor der Sicherheitsstufe 2.

Finden Sie, dass es in Europa an Bewusstsein für die dramatische Situation fehlt?
M.-F. Nein, das würde ich nicht sagen. Die Untersuchungen aller europäischen Labore verfolgen die gleichen Ziele und werden von Deutschland aus koordiniert. Jeglicher Fortschritt der Diagnostik ist durch die Gelder der Europäischen Kommission und Bemühungen Deutschlands passiert.

Doch unsere Gesellschaft scheint mehr daran interessiert, in den Nachrichten von einzelnen Infizierten zu hören, die hier in Deutschland behandelt werden, als einen Eindruck des eigentlichen Desasters in Afrika zu erhalten. Wünschen Sie sich eine andere Berichterstattung?
M.-.F.: Es ist definitiv wichtig, sich auf Afrika zu konzentrieren. Von dort kommt das Virus und dort müssen Dinge passieren, um die Situation in den Griff zu bekommen.

Halten Sie es denn für möglich, dass Ebola irgendwann auch andere Kontinente wie Europa erreicht?
L.: Sicherlich kann es immer wieder einzelne Fälle geben, die dann aber sehr schnell eingedämmt werden können.
M.-F.: Die europäischen Länder haben strikte Protokolle, wie eingeschleppte Krankheiten zu behandeln und somit schnell einzudämmen sind. Da Ebola ausschließlich durch Flüssigkeiten und nicht über die Luft übertragbar ist, hat es bei der schnellen Isolation einzelner Fälle keine Möglichkeit, sich weiter zu verteilen.

Zu Ihnen persönlich: Gibt es einen besonderen Grund, warum Sie Ebola genauer erforschen und schließlich einmal besiegen möchten?
L.: Schon vor diesem akuten Ausbruch war es mir einfach wichtig, mehr über dieses Virus zu erfahren. Hier muss wirklich noch viel geforscht werden.

Haben Sie Angst, sich selbst anzustecken?
L.: Nein, nicht wirklich. Ich bin mir stets über die Gefahr des Virus bewusst und habe in Afrika die Sicherheitsmaßnahmen befolgt, wie zum Beispiel das regelmäßige Desinfizieren meiner Hände. Das nimmt mir die Angst.

Sie haben beides erlebt: Armut und schlechte medizinische Grundversorgung in Guinea wie auch den gesicherten Wohlstand hier in Europa. Empfinden Sie mehr Dankbarkeit für den hohen Lebensstandard hier oder doch Ungerechtigkeit, wenn Sie beides miteinander vergleichen?
F.: Definitiv beides.
M.-F.: Absolut!

Gibt es etwas, was Sie in Guinea besonders beeindruckt hat?
L.: Mit den Menschen von dort zusammenzuarbeiten und zu sehen, wie Sie mit dieser schrecklichen Lage umgehen, ihre Familie und Freunde versuchen zu schützen – das hat mich sehr beeindruckt. Sie arbeiten intensiv gemeinsam mit uns und haben das gleiche Ziel. Ich denke, dies ist das Allerwichtigste, um langfristig etwas Gutes bewirken zu können.

Zum Schluss: Was ist Ihr Auftrag für die Zukunft? Planen Sie, erneut nach Afrika zu fliegen?
M.-F.: Sehr wahrscheinlich schon. So lange es Fälle und Dinge gibt, die dort getan werden müssen, werden wir immer wieder dort sein.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Sie und Ihre Arbeit!

Das Gespräch wurde von Milena, Christina und David auf Englisch geführt.

 

Schreibe ein Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>