Noch steht der 39-jährige im Schatten des Rampenlichts. Doch binnen zwei Jahren soll Franktions- und Landesvorsitzender Christian von Boetticher die CDU Schleswig-Holstein in die vorgezogenen Landtagswahlen 2012 führen. Der ehemalige THS-Schüler spricht im Pressident über seine Vorstellungen von Atomkraft, Wehrpflicht und Joachim Gauck.

Christian von Boetticher

Christian von Boetticher

Pressident: Die Junge Union Appen, die Sie zu früherer Zeit gegründet haben, gibt es heute nicht mehr. Hat Deutschlands Jugend das Interesse an der Politik verloren?
Christian von Boetticher: Selbstverständlich gibt es noch eine Junge Union! Sie hat in Schleswig-Holstein rund 4500 Mitglieder. Der Kreisvorsitzende der JU Pinneberg ging übrigens auf das Johannes-Brahms-Gymnasium. Es ist richtig, dass es den Ortverband Appen nicht mehr gibt, diese Phasen von aktiven und inaktiven Ortsverbänden hat es immer gegeben und wird es immer geben.
Pressident: Neben Ihrem Karriereweg als Politiker, spielten Sie in der Jugend noch Fußball beim TuS Appen. Über die zweite Mannschaft kamen Sie nicht hinaus. Woran lag’s?
von Boetticher: Das Gedächtnis eines meiner Trainer hat nach 30 Jahren leider nachgelassen: Ich habe nie in einer zweiten Mannschaft gespielt und bin nach einem Jahr als Libero auf die Position des Mittelstürmers gewechselt, wo ich für den TuS Appen durchschnittlich 20 Tore pro Saison geschossen habe.
Pressident: Damals entstand auch Ihr Spitzname Appel…
von Boetticher: Ja! Ich habe mal eine Tüte verwechselt – in der einen waren meine Hallenschuhe für’s Training, in der anderen selbstgepflückte Äpfel aus unserem Garten! Ich habe dann beim Training die Äpfel verteilt und wurde so zum Appel(mann)!
Pressident: Vor sechs Jahren wurden Sie als Europaabgeordneter nicht wiedergewählt, hatten mit der Politik schon abgeschlossen und peilten eine Karriere als Rechtsanwalt an. Warum kamen Sie zurück?
von Boetticher: Ich sollte für einen Konzern in Brüssel arbeiten, konnte aber nicht zum Vertragsabschluss in die USA fliegen, da ich eine Magen-Darm-Infektion bekam und im Krankenhaus am Tropf lag. Nach kurzer Zeit kam eine Krankenschwester mit einem Telefon herein, dran war der heutige Ministerpräsident, der mich fragte, ob ich nach der Wahl als Landwirtschafts- und Umweltminister zur Verfügung stehen würde! Ich hatte dann acht Infusionstropfen Zeit, mich zu entscheiden.

Pressident: Jetzt sind Sie Fraktions- sowie Landesvorsitzender der CDU Schleswig-Holstein und arbeiten nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes auf die Ministerpräsidentenwahl 2012 hin. Müssen Sie in den nächsten 2 Jahren den Schutt der Bundes-CDU wegräumen?
von Boetticher: Jeder hat seine Arbeit zu machen! Die Bundeskanzlerin arbeitet derzeit erfolgreich daran, die Koalitionspartner aus CDU, CSU und FDP in Berlin nach außen geschlossener auftreten zu lassen. Ich arbeite daran, die CDU in Schleswig-Holstein für eine neue Zeit fit zu machen – konservativ und modern!
Pressident: Profitieren Sie vom Führungsstreit in der SPD?
von Boetticher: Der Führungsstreit ist mir egal! Ich setzte auf eigene Stärke, denn dieses Land braucht klare Entscheidungen: Endlich Schluss mit der Schuldenmacherei, also einen harten Sparkurs, allerdings mit Schwerpunkt-Investitionen in Bildung und Verkehr! Die Zeit während andere Menschen streiten, nutzen wir, um uns zu positionieren.
Pressident: Welcher Kopf kommt Ihnen am gelegensten?
von Boetticher: Die SPD sucht keinen Kopf sondern einen Hut, der schmückt! Die SPD in Schleswig-Holstein war immer einer der linken Landesverbände der SPD in Deutschland – daher passt Ralf Stegner eigentlich besser zum Programm und Image.
Pressident: Bei der Bundesversammlung zur Bundespräsidentenwahl trugen Sie neun Stunden ein Buch des Koalitionskonkurrenten Joachim Gauck – versteckt in einer roten Tüte – durch den Reichstag, um es widmen zu lassen…
von Boetticher: Ja, ich hatte das Buch als Verabschiedungsgeschenk für Hanspeter Gunsilius gekauft und wollte es – unauffällig – von Joachim Gauck signieren lassen! Das war leichter gesagt als getan!
Pressident: Hatten Sie keine Angst vor den Medien? Immerhin wurde den ganzen Tag nach Abweichlern in CDU und FDP gesucht.
von Boetticher: Eben das war das Problem. Darum war das Buch in der Tüte…und es hat neun Stunden gedauert, bis ich Gauck unauffällig am Ende der Sitzung unterschreiben lassen konnte!
Pressident: Ihre Weggefährten bezeichnen Sie noch als echten Konservativen, u.a. wegen Ihrer Einstellung zur Beibehaltung der Wehrpflicht. Was erläutern Sie den Jugendlichen, die diesen als Zwangsdienst, nicht zeitgemäß, ungerecht, Karrierebremse und Langeweile ansehen?
von Boetticher: Der Dienst ist auch für die innere Struktur der Bundeswehr von immenser Wichtigkeit. Die jungen Männer, die dort für eine kurze Zeit ihren Dienst versehen, hinterfragen alle alltäglichen Dinge kritisch, lassen sich nichts gefallen und machen ihren Mund auf, wenn Abläufe oder Befehle Ihnen sinnlos erscheinen. Zeitsoldaten, deren Karriere von der Beurteilung ihres Vorgesetzten abhängen, sind dort wesentlich weniger kritisch. Die Bundeswehr gilt deswegen international als eine der besten Armeen, weil sie sich durch die kritischen Betrachtungen, immer hinterfragen und verbessern muss. Fehler im System fallen viel schneller auf! Allerdings sind für eine vernünftige Ausbildung mindestens 12 Monate notwendig!
Pressident: Sollte Deutschland möglichst schnell raus aus der Atomkraft?
von Boetticher: Ja, natürlich! Sobald wir uns komplett aus regenerativen Energien versorgen können, ist eine Nutzung von fossilen und damit endlichen Ressourcen entbehrlich. Nach Expertenmeinungen wir dies aber noch etliche Jahre dauern, weshalb wir uns heute entscheiden müssen, entweder 40 neue Kohlekraftwerke in Deutschlands zu bauen oder aber die Reststrommengen der Atomkraftwerke zu verlängern! Vor diesem Hintergrund plädiere ich für letzteres!
Pressident: Welche Projekte, die Sie in Ihrer Laufbahn begleitet haben, liegen Ihnen besonders am Herzen?
von Boetticher: Als ehemaliger EU-Politiker: Die Aufnahme von 10 ehemaligen Ostblockstaaten in die Europäische Union 2004! Als EX-Landwirtschafts- und Umweltminister: Die Wissensvermittlung um den Wert gesunder, heimischer Nahrungsmittel. Viele Kinder glauben heute, die Milch würde ALDI oder LIDL in einer Fabrik produziert! Da hilft ein Besuch vom Peiner Almthof in Appen.
Pressident: Und welche Ziele verfolgen Sie in der nächsten Zeit?
Wir müssen uns dringend um unsere Schulen kümmer. Viel zulange haben Parteien ihren Streit um das Schulsystem auf dem Rücken der Lehrkräfte und der Schülerinnen und Schüler ausgetragen. Wir müssen Schule entbürokratisieren, so dass Lehrer wieder Zeit für Kinder haben! Dafür muss es mehr Selbständigkeit an den Schulen geben und mehr Wertschätzung der Gesellschaft für das, was Schule heute leistet.

2 Kommentare

  1. Der Typ hat mal in Appen gekickt!! Weiß ich nichts von!!!

  2. Volker Schmonsees sagt:

    Wirklich klasse, dass Mr. Pressident auch von so einem Mann ein Interview erreicht hat.

    Viele Grüße
    Volker

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