Die Pinneberger Rentnerin Gisela Schiffmann hätte sich zurücklehnen können. Stattdessen eröffnete sie ein Waisenhaus in Afrika, Tansania.

1933, nach der Machtübernahme des NS-Regimes, wanderten ein Ehepaar mit ihrer Tochter von Hamburg in das damals englisch besetzte Tansania, das der Vater schon beruflich gekannt hatte, aus. Die Tochter war damals vier Jahre alt und heißt Gisela Schiffmann. Heute ist Gisela Schiffmann 80 Jahre. Die Kinderzeit in Afrika war eine der prägendsten Zeiten während ihres ganzen Lebens, erzählt sie heute. Bereits 1940 wurde die Familie aufgrund ihrer Herkunft nach Deutschland zurückgeschickt. Doch viele Jahre später reiste Gisela Schiffmann erneut nach Tansania. Zu ihrem Erstaunen fand sie sich jedoch „nicht irgendwo in Afrika wieder, sondern zu Hause“, berichtet Gisela Schiffmann. Sie verstand die Sprache und auch die Umgebung war ihr vertraut.

Während ihres Aufenthaltes stolperte sie über ein heruntergekommenes Waisenhaus, in dem 30 Kinder betreut wurden. Mit dem Wunsch, diesem Heim zu helfen, machte sie sich in Deutschland auf die Suche nach Paten, die dieses Waisenhaus finanziell unterstützen könnten.  Dieser Plan schlug jedoch eine andere Richtung ein, als ursprünglich gedacht und Schiffmann entschloss sich, ein eigenes Waisenheim aufzubauen. Über eine Bekannte in Tansania ergab sich bald die Möglichkeit ein 5000m² großes Grundstück, auf dem ein marodes Haus stand, zu kaufen. Mit ihrem Entschluss ein eigenes Waisenhaus aufzubauen, begab sich Gisela Schiffmann nun auf einen Weg, der länger und steiniger werden sollte, als sie es sich jemals hätte ausmalen können. Jahrelang kam das Projekt nur schleppend voran. Die Hürden der Bürokratie mussten nach und nach genommen werden. Da man aber deutlich mehr Geld, als vorhanden, gebraucht habe, wurde der gemeinnützige Verein Karibuni e.V. gegründet. So habe man dann ein Spendenkonto einrichten können, erläutert Schiffmann.

Waisenhaus in Karatu

Waisenhaus in Karatu

Nach fünf langen Jahren erhielt Gisela Schiffmann endlich die Besitzurkunde für das mittlerweile fertige Waisenhaus. Noch im März 2012 zogen die ersten der zwölf Kinder in das Heim. Sie alle vereint der Verlust ihrer Eltern durch Aids. Eine Krankheit, durch welche ganze Familien regelrecht ausgerottet werden, die aber trotzdem noch längst nicht genügend gesellschaftliche Beachtung findet. Aufklärung über die Übertragung des HI-Virus gibt es kaum, und wenn, dann nur in der in Tansania schwach vertretenden oberen Bildungsschicht. An Medikamenten gegen die Krankheit mangelt es nicht, jedoch wird diese Möglichkeit von vielen aufgrund der geringen Aufklärung nicht genutzt. Aids wird in Tansania nach wie vor tabuisiert, teilweise gar seine Existenz bestritten.
Häufig werden Kinder, deren Familien bereits erkrankt oder verstorben sind, ohne jegliche Hilfestellung allein gelassen – sowohl vom Staat als auch von der Gesellschaft. Als Folge dessen rutschen sie nicht selten ins horizontale Gewerbe ab. Die tansanischen Frauen definieren sich über die Anzahl ihrer Kinder und so entsteht eine endlose Schleife. Auch deswegen, berichtet uns Gisela Schiffmann, sollen „ihre Kinder“ im Heim bleiben, bis sie einen guten Schulabschluss und eine Ausbildung haben. „Solange eben, wie sie es benötigen.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass Aids von Eltern auf ihre Kinder übertragen wird, liegt bei ca. 23%. In ihrem Waisenhaus allerdings, so erzählt Schiffmann uns erleichtert, sei glücklicherweise keines der Kinder mit Aids infiziert, wie eine Untersuchung ergeben habe. Die zwölf Kinder in dem Waisenhaus kommen aus ärmlichen Verhältnissen und konnten nur schwer begreifen, dass sie von nun an immer genug zu essen haben sollten. Ein Novum. Jeden Morgen, vor dem Schulbeginn um sieben Uhr, gibt es ein Frühstück mit Milch und Brot. Später in der Schule bekommen sie einen Becher Maisbrei, dort Ugali genannt. Mittags im Heim gibt es dann Bohnen, häufig auch mit Ugali. Am Abend wird schließlich warm gegessen – Gemüse, Reis, Karotten, Orangen, manchmal gekochte Bananen.

Anfangs waren viele der Waisen von Hautkrankheiten betroffen. Doch durch die medizinische Versorgung in einem nahegelegenen Hospital habe man sie relativ schnell davon befreien können, erzählt Schiffmann.

Das tansanische Bildungssystem ist eher ein improvisiertes. Am liebsten würde Schiffmann die Kinder auf eine Privatschule schicken, doch dazu müsse man pro Kind im Jahr 250 Euro Schulgeld bezahlen, was man sich, laut Schiffmann, ohne höhere Spendeneinnahmen nicht leisten könne. Sie möchte ihren Kindern helfen, bis sie eigenständig sind, sie jedoch auch nicht die Augen vor der Realität in Tansania verschließen lassen. Dennoch liegt das Heim abgelegen und ist nicht öffentlich ausgeschildert. Man wolle die Kinder ja auch nicht wie Tiere im Zoo ausstellen, was leider in vielen Heimen, die auf Kommerz setzen, der Fall sei.

Mittlerweile haben sich die Kinder im Heim von „Mama Afrika“, wie Gisela Schiffmann auch genannt wird, einleben können. Sie spielen im Küchenhof und im geräumigen Garten. Ein paar Angestellte kümmern sich derzeit um das Grundstück und um den regelmäßigen Kirchgang, freut sich Schiffmann.

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