Jühnde liegt in Süd-Niedersachsen, im Landkreis Göttingen und beherbergt etwas über tausend Einwohner. Doch Jühnde ist keineswegs ein Dorf, wie jedes andere, denn es ist das erste Bioenergie Dorf Deutschlands. Das heißt, die gesamte Energie der Dorfbewohner entsteht in Eigenproduktion. Und das rundum natürlich.

 

Realisierung eines Projektes

Elf Jahre zurück: Die Universität Göttingen sucht ein Dorf für ein Nahwärmeprojekt um Göttingen herum. Jühnde bewirbt sich und setzt sich erfolgreich gegen 16 Mitbewerber durch. Damit war es also beschlossen: Jühnde wird Deutschlands erstes Bioenergiedorf. Doch bis die erste Energie selbst produziert werden kann, ist es noch ein langer Weg. Das ganze Projekt muss bis ins kleinste Detail durchgeplant werden. Ein wichtiger Punkt für die Umsetzung ist dabei das Mitwirken der Bürger. Immerhin mussten diese je drei Anteile á 500€ investieren. War die Bürgerschaft da sofort überzeugt? “Sie waren interessiert, aber wollten eine Menge an Informationen haben, damit sie wissen, auf was sie sich einlassen. Dann haben wir uns diese Informationen beschafft, und dann kam quasi die Beigeisterung für das Projekt”, so Eckhard Fangmeier, Sprecher und Vorstand des Bioenergiedorfes.

Nachdem vier Jahre lang geplant und entwickelt worden ist und alle nötigen Fördermittel freigegeben wurden, war es Mitte des Jahres 2005 dann soweit. Die Biogasanlage konnte in Betrieb genommen werden.

Die Biogasanlage konnte 2005 in Betrieb genommen werden (Photo: Bioenergiedorf Jühnde)

 

Strom aus Pflanzen und Kuhmist?!

Jühnde gewinnt seine Energie nun aus Biomasse, sprich Gülle und Pflanzen. Das funktioniert, indem die Pflanzen und die Gülle vermischt und anschließend gegärt werden. Das heißt, die Substanzen werden in einem großem Behälter, dem Fermenter, erwähmt und durch ein Rührwerk ständig in Bewegung gehalten, damit sich keine Sink- oder Schwimmschichten bilden. Die Substanzen werden nun durch Bakterien zersetzt. Dadurch entsteht hauptsächlich Methan, aber auch Kohlendioxid und Wasserstoff. Das entstandene Biogas wird nun im Gasspeicher gespeichert, die vegorene Biomasse als Dünger für die Felder verwendet. Das Gas wird in das Blockheizkraftwerk geleitet, wo es zur Strom- und Wärmeerzeugung verbrannt wird. Dann wird der Strom beim örtlichen Energieversorgungsunternehmen eingespeist und die Wärme in Form von ca. 80 Grad heißem Wasser mittels eines Nahwärmenetzes zu den Kunden transportiert. Zusätzlich werden in Jühnde im Winter Holzhackschnitzel verbrannt, wobei die daraus entstehende Wärme ebenfalls durch das Nahwärmenetz transportiert wird.

Doch lässt man in einer Biogasanlage nicht potenzielle Nahrungsmittel vergären? “Wir verwenden Energiepflanzen für die Biogasanlage”, so Fangmeier. “Etwa ein Drittel der zur Verfügung stehenden Fläche wird für den Energiepflanzenanbau eingesetzt, so dass noch zwei Drittel die für Viehfutter und Nahrungsmittel eingesetzt werden und das scheint uns, ein gutes Verhältnis zu sein.”

Jühnde nutzt zur Energiegewinnung Pflanze, wie beispielsweise Raps (Photo: Bioenergiedorf Jühnde)

Der Fermenter in Jühnde wird täglich mit 33 bis 34 Tonnen an nachwachsenden Rohstoffen und ca. 25 Kubikmetern Gülle gefüllt. In einem Jahr enstehen durch diese Biomasse rund 4 Millionen Kilowatt-Stunden Strom, dabei verbauchen die Jühnder Bürger nur ungefähr die Hälfte. Der gesamte Strom wird trotzdem ersteinmal an den Stromanbieter eon verkauft, der mit ungefähr der Hälfte des Stromes die Haushalte in Jühnde versorgt.

Ein Bürger aus Jühnde spart im Vergleich zum Bundesdurchschnitt ca. 700 € an Heizkosten im Jahr, die Heizkosten liegen bei 4,9 Cent/kwH. Doch diese geringen Kosten stiften keineswegs zur Verschwendung an. “Es ist ein hohes Bewusstsein da, weil die Wärmekunden sich intensiv mit der Wärme auseinander setzen, weil sie Zähler im Haus haben und genau kontrollieren, was sie dort an Wärme verbrauchen. Also ist das Energiebewusstsein gestiegen, und es führte nicht zur Energieverschwendung”, sagt Eckhard Fangmeier. Und nicht nur Kosten werden gespart. Denn durch die Biogasanlage werden 3.000 t CO2 im Jahr weniger in die Atmosphäre geleitet.

Täglich werden ca. 25 m³ Gülle in den Fermenter gefüllt. (Photo: Bioenergiedorf Jühnde)

Die Welt schaut auf ein Dorf

Das 1.000-Einwohner Dorf ist durch sein Projekt inzwischen weltbekannt. “Wir haben heute ca. zweieinhalbtausend Besucher pro Jahr, in der Anfangszeit waren es achttausend”, sagt Eckhard Fangmeier. 2005 wurde Jühnde sogar von einem kanadischen Kamerateam besucht, die anläßlich der Umsetzung des Kyoto-Protokolls aus verschiedenen Ländern berichteten. Auch der Pressespiegel des Dorfes kann sich sehen lassen, denn Zeitungen aus aller Welt berichteten schon über das Energieprojekt.

Doch Jühnde war zwar Deutschlands erstes Bioenergiedorf ist schon längst nicht mehr das einzige. Fast neunzig Bioenergiedörfer existieren schon in Deutschland, viele weitere sind auf dem Weg dahin. Die Dörfer arbeiten untereinander sogar miteinander. “Wir bilden nun sogar ein Netzwerk mit Orten, die sich selbst mit Energie versorgen”, so Fangmeier.

Doch es sind stets lediglich Dörfer und Gemeinden, die ihre Energie vollständig aus Eigenproduktion gewinnen, denn das Konzept lasse sich laut Fangmeier leider nicht problemlos auf Großstädte übertragen. “Die Konzepte müssen angepasst werden. Aber es ist durchaus denkbar. In Göttingen gibt es schon eine Biogasanlage im ländlichen Bereich, deren Biogas in die Stadt geleitet wird und dort in einem BHKW verstromt wird und Wärme gewonnen wird, die für die städtischen Bürger verwendet wird.”

 

“Wir würden es wieder machen!”

Jühnde hat sich mit der Energieumstellung auf ein gewagtes Projekt eingelassen, gerade auch weil doch recht große Geldsummen im Spiel waren. Laut Fangmeier habe es schon kritische Punkte gegeben, wo nicht klar gewesen sei, ob das Projekt realisiert werden könne. Gerade von finazieller Seite habe es Phasen gegeben, wo das Projekt gewackelt habe.

Bereuen tut die Gemeinde Jühnde ihre Entscheidung allerdings nicht. “Wir würden es heute wieder machen”, sagt Fangmeier. “Es gibt schon insgesamt kritische Punkte, die man Bedenken muss, wie beispielsweise die anfällige Technik oder die Preisentwicklung der nachwachsenden Rohstoffe, aber insgesamt würden wir es wieder machen.”

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