Es erinnert ein wenig an ein Mountainbike und was man damit anstellen kann, kommt dem auch schon recht nahe. Ganz anders als beim Mountainbike sind allerdings die Kommentare, die man von seinen Mitmenschen bekommt, wie zum Beispiel “da fehlt ja was”. Am treffendsten aber ist “Du hast ein Rad ab”. Schließlich ist hier die Rede vom MUni, was so viel bedeutet wie Mountain Unicycle, also Geländeeinrad. Und hierbei ist der Ausdruck “Du hast ein Rad ab” zweideutig, denn verrückt ist es allemal.

Wie vielfältig ein Einrad sein kann, sieht man an Lutz Eichholz, einem der besten Einradfahrer der Welt.
Wie jeder hat auch Lutz ganz unten angefangen. 1996 wollte seine Schwester Einradfahren lernen und er wurde von seinen Eltern “zum Training mitgeschickt”, wie Lutz es ausdrückt. Wie viel an der Entscheidung letzen Endes bei dem damals Neunjährigen lag, ist ungewiss, sicher ist aber, dass es wohl eine sehr gute gewesen war. Doch auf Dauer in der Halle bleiben, dass wollte der gebürtige Duisburger nicht, vor allem nachdem er während der Einrad-WM, den sogenannten Unicons, welche in China stattfanden, die zu der Zeit wohl besten Einradfahrer im Gelände in Aktion gesehen hat, Kris Holm und Dan Heaton. Den meisten Einradfahrern ist Kris Holm vor allem als Marke ein Begriff, ist Kris Holm doch so mit der qualitativ beste Geländeeinradproduzent.

Sommerurlaub auf Teneriffa – natürlich mit Einrad
(LutzEichholz@TeneriffaCR_StephanieDietze)

Durch diesen Anstoß begann Lutz in seiner Heimat, dem Ruhrgebiet, gemeinsam mit Anderen Einradfahrern die Halden der Region hinabzufahren. Hier übte sich also ein kleiner Junge, der zu diesem Zeitpunkt bestimmt noch nicht gedacht hat, dass er fünfzehn Jahre später einmal sechs Weltrekorde aufgestellt und vier Unicons gewonnen haben wird.
Als sein erstes “größeres” Projekt sieht Lutz die Befahrung der Zugspitze im Jahr 2010, dem mit 2962 Metern Höhe höchsten Berg Deutschlands. ‘Bitte was?’, mag jetzt der ein oder andere von euch denken. Was wollen die denn mit Einrädern auf’m Berg.
Es funktioniert, wenn sich vier Verrückte zusammentun, bergauf mitunter schieben beziehungsweise tragen und bergab immer schön mitstrampeln, schließlich hat so ein Einrad keinen Freilauf. Und wie immer, wenn man sich mit dem MUni unter Leute wagt, kommen von allen Seiten verwunderte Blicke und Kommentare, zu welchen Lutz nur sagt, dass er gegen Ende der Tour “die Kommentare der Wanderer synchron mitsprechen” konnte.
Und trotz (oder vielleicht auch gerade wegen) der teilweise wirklich skurrilen Kommentare kommt Lutz auf immer neue Ideen. So macht er jedes Jahr einen Sommerurlaub der anderen Art, nämlich eine neue und mitunter auch extreme Tour meist auf einen Berg, aber auch die Alpen hat Lutz mit seinem Einrad überquert – und zwar auf Wanderwegen. Oft ist er in den Sommermonaten in den Alpen unterwegs, um zu trainieren. Im Winter und Frühjahr hingegen liegt dort Schnee und auf diesem ist es deutlich anstrengender beziehungsweise mitunter auch unmöglich zu fahren. Und genau aus diesem Grund hat er für seine letzte große Unternehmung im Sommer 2014 den Damavand ausgewählt. Dieser Berg ist über 5600 Meter hoch und im Sommer eben nahezu Eisfrei. Jeder vernünftige Mensch würde sofort sagen, dass man mit einem Einrad nicht über 5000 Meter mit dem Einrad hinunterfahren kann. Doch erstens sind Extremsportler nie in dem Sinne vernünftig wie es der Normalo als solches empfindet und zweitens kann man es doch. Lutz hat es uns gezeigt und damit ganz nebenbei seinen sechsten Weltrekord aufgestellt, schließlich hat verständlicherweise niemand vor ihm diese Idee in die Tat umgesetzt.
Doch natürlich kann auch der in Kaiserslautern studierende Einradfahrer nicht einfach mal so sagen, er fährt jetzt den Damavand hinunter. Wobei, sagen kann er es schon…
Denn wie jedes größere Unternehmen muss auch eine Einradtour geplant werden. Und da sich der Damavand im Iran befindet, musste hierfür auch einiges an Papierkrieg geführt werden, bis endlich die Einreiseerlaubnis und die Erlaubnis zum Besteigen (oder eher befahren) des genannten Berges vorlag. Und bereits drei Jahre vorher begann Lutz zu trainieren: Denn in über fünftausend Meter Höhe muss jeder Handgriff sitzen, schließlich enthält die Luft dort oben nur noch etwa die Hälfte des Sauerstoffs wie auf Meereshöhe und das Atmen fällt einem deutlich schwerer.
Aber noch eine weitere Sache muss vor der Abreise erledigt werden, schließlich ist solch ein Unterfangen nicht gerade kostengünstig, da solch eine Tour eben auch finanziert werden muss. Doch als Profisportler hat Lutz mehrere Sponsoren, sowohl aus der Einradszene als auch andere größere Unternehmen. Und nach ein wenig Überzeugungsarbeit finanzierten diese ihm auch einen Teil des Projektes. Zudem entstand während der Tour ein kurzer Film über das Unternehmen, was von Sponsoren immer gerne gesehen wird.
Aber bei allem, was Lutz berichtet, stellte sich mir die Frage, ob dieser doch irgendwie verrückte Einradfahrer diese Tour auch gemacht hätte, wenn er damit keinen Rekord hätte aufstellen können. Doch Lutz’ Antwort ist eindeutig. Er “probiere gerne Dinge, für die es noch keine oder wenige Vergleichsprojekte” gebe. Dass dadurch oft Rekorde resultieren, sei ein “schöner Nebeneffekt aber nicht Hauptmotivation.”
Erfolg ist eben doch nicht alles. Ebenso spielt es für Lutz selber auch kaum eine Rolle, dass er bei Weltmeisterschaften so erfolgreich war. Er wolle “Spaß am Sport” haben. Die Erfolge, die dabei entstehen, seien vor allem bei der Vermarktung als Profisportler hilfreich.

Unterhalb des Cima Ombretta Orientale in den Alpen (StephanieDietze_LutzEichholz@CimaOmbretta_CR_MarkusGreber2)

Unterhalb des Cima Ombretta Orientale in den Alpen
(StephanieDietze_LutzEichholz@CimaOmbretta_CR_MarkusGreber2)

Als eine seiner schönsten Touren beschreibt Lutz die in den Dolomiten. Auch hier war ihm wieder etwas gelungen, bei dem das Scheitern von Beginn an eine Möglichkeit war, keine jedoch, die man freiwillig wählt. Und er hat sie nicht gewählt: Der Cima Ombretta Orientale in Italien ist der erste von Lutz befahrene Dreitausender.
Doch Lutz treibt sich nicht nur in den Bergen rum, er fährt auch mit dem Einrad im Park. Das klingt jetzt erst einmal langweilig, macht ja jeder. Doch nicht jeder spannt vor dem Fahren eine Slackline auf. Und kaum ein anderer mag auf die Idee kommen, über dieses gespannte Gurtband auch noch mit dem Einrad zu fahren. Lutz aber fährt dort weiter, als es die meisten zu Fuß schaffen, womit er natürlich den Weltrekord hält: Laut diesem sind es fast sechzehn Meter!

Mit dem Einrad über eine Slackline (LutzEichholz@KAiserslautern_CR_JohannesSchnebele2)

Mit dem Einrad über eine Slackline
(LutzEichholz@KAiserslautern_CR_JohannesSchnebele2)

Und Lutz hat noch lange nicht genug. Im Sommer 2015 will er nach Island und dort die Vulkane noch unsicherer machen, als sie es eh schon sind. Aber ob er dauerhaft sein Hobby als Beruf behalten möchte, da ist sich der 28-jährige noch nicht sicher. Schließlich hat er sein Studium bereits beendet und ist jetzt fertiger Ingenieur. Aber sein Einrad wird er wohl nie in Ruhe lassen. Und dass ist auch gut so, schließlich kann ein solcher Abenteurer einen mit seinen Projekten träumen lassen und vielleicht kann man sich das ein oder andere auch selbst zum Ziel setzen.

Ein Kommentar

  1. Interessant!

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