Wenn Politiker von Lobbyisten beeinflusst werden, findet das meist hinter verschlossenen Türen statt. Weil die Bevölkerung davon nur selten etwas mitbekommt, gibt Knut Fleckenstein (SPD), Abgeordneter im Europäischen Parlament, im Interview Einblicke in die Arbeit von Lobbyisten.
Pressident: Wie oft werden Sie von Lobbyisten eingeladen?
Knut Fleckenstein: Mindestens zweimal pro Tag.
Pressident: Wann gehen Sie auf die Angebote ein?
Fleckenstein: In der Regel lehne ich fast alle Einladungen ab.
Pressident: Fast alle?
Fleckenstein: Ich gehe nur dann hin, wenn ich es selbst für sinnvoll halte oder wenn ich das Gefühl habe, dass es mir in meiner Arbeit weiterhilft.
Pressident: Wie wird darauf reagiert, wenn Sie nicht kommen? Mit Lockangeboten, mit Drohungen?
Fleckenstein: Ein einziges Mal hatte ich eine Mail bekommen, aus der man eventuell interpretieren könnte, dass es sich um ein finanzielles Lockangebot handelt. Ansonsten wüsste ich von keinem Fall, de facto also Nein.
Pressident: Ignorieren alle Kollegen die meisten Lobbyanfragen?
Fleckenstein: Ich glaube, dass die meisten es einfach aus dem Grund machen müssen, weil sie sonst gar nicht mehr zum Arbeiten kommen.
Pressident: Wie werden Sie angesprochen? Per Brief? Im Zug?
Fleckenstein: Entweder per Brief, per Mail, per Telefon oder indem sich jemand einen Termin geben lässt und persönlich kommt.
Pressident: Wie würden Sie den „typischen Lobbyisten“ bezeichnen?
Fleckenstein: Es gibt mehrere Sorten von Lobbyisten. Die erste hilft einem häufig wirklich weiter, das sind Unternehmensvertreter. Die zweiten sind Verbandsvertreter. Mit denen bringt das Gespräch meist überhaupt gar nichts, weil sie kein konkretes Anliegen haben, sondern weil meist alle Unternehmen innerhalb des Verbandes unterschiedliche Ansichten haben. Die dritte Sorte sind Berater. In der Regel sind diese wenig hilfreich – ganz besonders, wenn es Politiker sind und noch schlimmer, wenn sie von der eigenen Partei kommen.
Pressident: Welche Politiker sind besonders beliebt bei Lobbyisten?
Fleckenstein: Natürlich sind diejenigen beliebt, die auch schon das ein oder andere durchgesetzt haben. Und dann natürlich diejenigen, die eine besonders hohe Funktion innerhalb der Partei haben.
Pressident: Welche Verbände sind ganz besonders einflussreich?
Fleckenstein: Das kann man schwer sagen, aber selbstverständlich sind die Umweltverbände sehr einflussreich. Auf der anderen Seite natürlich auch die Automobilindustrie und einige große Stiftungen.
Pressident: Geht der Einfluss auf die Politik tendenziell eher zurück? Wird Lobbydruck immer größer?
Fleckenstein: Ich glaube nicht, dass der Einfluss der Politik zurückgeht. Mit Sicherheit ist der Druck der Lobby manchmal ein bisschen zu groß, aber es liegt letztendlich an den Politikern, ob sie standhaft bleiben oder wegknicken.
Pressident: Welchen Unterschied gibt es zwischen Lobbyismus in Brüssel im Gegensatz zu Berlin?
Fleckenstein: Gar keinen. Das halte ich für ein Gerücht.
Pressident: Wie wichtig ist Lobbyismus für die Demokratie?
Fleckenstein: Ohne Lobbyismus könnte ich gar nicht arbeiten! Ich bin gelernter Bankkaufmann und mein Gebiet, das ich als Politiker bearbeite, ist Hafen und Schifffahrt. Da muss ich mich auch schon mal bei Hafenunternehmen erkundigen. Aber ich muss auf der anderen Seite eben auch bei den Gewerkschaften oder Umweltverbänden nachfragen und mir aus allen Meinungen meine eigene Meinung bilden.
Pressident: Warum haben Lobbyisten trotzdem einen so schlechten Ruf?
Fleckenstein: Erstens, weil es zu viele davon gibt. Und zweitens, weil es auch schwarze Schafe gibt, die versuchen, durch materielle Anreize Abgeordnete zu kaufen. Das ist nicht die Regel, aber kommt auch vor.
Pressident: Wo ist die Grenze von Lobbyismus?
Fleckenstein: In dem Moment, in dem die Lobbyisten mit materiellen Dingen – ein Geschenk, eine Reise oder Geld – eine Gegenleistung erbringen, beginnt die Grenze zur Kriminalität.
Pressident: Wie kommen Transparenzorganisationen wie LobbyControl in der Politik an?
Fleckenstein: Im Grunde kommen sie ganz gut an. Nur manchmal möchte ich ausdrücklich nicht veröffentlichen, mit wem ich was besprochen habe. Ab und zu muss ich die Möglichkeit haben, mich mit Menschen zu treffen, ohne dass dies die ganze Welt erfährt. Würde es doch rauskommen, könnte es vorkommen, dass die Gesprächspartner nie wieder einen Auftrag bekommen würden.
Pressident: Vielen Dank für das Gespräch!
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