Die Inklusion an der Hamburger Schule Langbargheide ist ein Geschenk für jeden – sowohl für behinderte als auch für nichtbehinderte Menschen.

Eine Grundschule im Herzen Lurups. Von außen betrachtet scheint sie eine ganz gewöhnliche Schule zu sein. Doch diese Schule ist einen Tick anders als die meisten anderen Schulen in Hamburg, denn an dieser Schule werden alle Kinder aufgenommen, egal ob mit oder ohne Behinderung. Die Kinder kommen in gemeinsame Klassen und lernen zusammen. Aber vor allem lernen sie voneinander – egal ob sie gesund sind, ein Sprachproblem, eine Lernschwierigkeit oder das Downsyndrom haben.

So gewinnen die Kinder ohne Handicap an Sozialkompetenz. Die Kindermit Handycap lernen von den anderen ganz alltägliche Dinge, aber auch den normalen Schulstoff.

Auch die Klassenverbände sind anders als wir sie kennen: Die Tierklassen, z.B. Frösche und Zebras, bestehen aus der Vorschule, der ersten Klasse und der zweiten Klasse, die Baumklassen sind die Dritt- und Viertklässler.

Von außen sieht das Gebäude ganz normal aus, wie jede andere Grundschule eben auch, doch wir beide besuchten diesen Ort, und merkten, dass es hier um viel mehr geht als nur um Schule.

Schon als wir ankommen, spüren wir, dass diese Schule ein besonderer Ort ist. Erst fühlen wir uns noch ein wenig fehl am Platz, als die ersten Grundschüler von ihren Eltern gebracht werden, und uns ein wenig erstaunt mustern. Doch wenig später werden wir ins Lehrerzimmer geholt, wo wir herzlich begrüßt werden. Kaum einer wusste überhaupt, dass wir kommen würden, und doch ernten wir von fast jedem ein herzliches Lächeln. Nach kurzem Hin und Her nimmt uns Annika Janssen, eine junge Lehrerin, mit zu den Fröschen, damit wir uns für zwei Stunden den Unterricht anschauen können. Die Klasse besteht aus 15 Schülern im Alter von fünf bis acht Jahren, die in drei „Gruppen“ aufgeteilt sind: Die Mondkinder, die Sternenkinder und die Wolkenkinder. Diese Gruppen werden nicht nach Alter gewählt, sondern nach dem Lernstand: Die Mondkinder sind die, die schon am meisten können, die Wolkenkinder müssen noch am meisten lernen. Und schon beginnt der Unterricht. Als erstes setzten wir uns alle in dem gemütlichem Klassenzimmer in einen Erzählkreis, und jeder, der möchte, berichtet von einem Ereignis. Kurz bevor wir uns erheben wollen, um den eigentlichen Unterricht zu beginnen, klopft es an der Tür. Es ist ein im Rollstuhl sitzender Junge, der herein kommt, zusammen mit seiner Begleitperson, die immer an seiner Seite ist. Die anderen Kinder begrüßen ihren Mitschüler ganz normal, und nehmen ihn inden Kreis auf.

Sitzecke in einem Klassenraum

Wenig später beginnt dann der richtige Unterricht, und jeder Schüler sitzt wieder auf seinem Platz. Schon als wir uns die Aufgabenblätter anschauen, die hinten ausliegen, merken wir, dass irgendetwas anderes ist als in anderen Schulen. Später erfahren wir dann, dass jeder Schüler andere Aufgaben bekommt, seinem Lernstand entsprechend. „Jedes einzelne Kind wird beachtet, bei Jedem überlegen wir, wie wir es am besten fördern können.“, sagt uns Susanne Matzen-Krüger, die Leiterin der Tierklassen, später in einem Interview. Das sieht so aus, dass sich die Lehrer mit Sonderpädagogen und Heilerziehern jede Woche zusammensetzen und sich über jeden Schüler und den Unterricht Gedanken machen. Außerdem, so erfahren wir, gibt es von Beginn an im Kindergarten und in allen Klassen die gleichen Rituale, damit die Kinder keinen Bruch zwischen Kindergarten und Schule erleben. Dies scheint vor allem für geistig behinderte Schüler wichtig zu sein, tut aber jedem Kind gut.

Während des Unterrichtes laufen wir ein wenig durch die Klasse und helfen einer siebenjährigen Schülerin beim Schreibenlernen. Sie hat noch Schwierigkeiten beim Buchstabieren, doch es stört keinen. Sie wird so akzeptiert wie sie ist. Allgemein sind Hänseleien fremd an dieser Schule: Die Kinder lernen von Anfang an, dass jeder Mensch Stärken und Schwächen hat. Sie lernen, sich nicht zu vergleichen, so wird einem Kind, das noch große Schwierigkeiten hat, einfach geholfen, anstatt dass jemand darüber lacht.

Klassenraum der Frösche

Ein besonders großes Ziel dieser Schule ist es, die Kinder zurSelbstständigkeit zu erziehen. So klebt auf jedem Tisch, an dem ein Schüler sitzt, ein kleiner Zettel, auf dem steht, was das Kind noch lernen muss. Hierbei geht es nicht nur um schulische Leistungen, sondern auch um Verhaltensweisen. „Wenn ein Kind besonders schüchtern ist, und nicht aus sich herauskommt, so steht das auf dem Zettel, damit sich der Schüler und die Lehrer immer daran erinnern können“, sagt Susanne Matzen-Krüger. Auf die Frage, ob jedes Kind die gleichen Ziele hat und sie auch erreicht, sagt sie, dass jeder Schüler ein anderes Ziel braucht, um es auch erreichen zu können. Dem stimmt auch Annika Janssen zu, als sie uns erklärt, dass sie dem Jungen aus dem Rollstuhl, den wir kurz vorher kennengelernt haben, nicht das Schreiben beibringen kann, er aber trotzdem ein großes Ziel an der Schule hat: Aufgenommen zu werden, und einfach glücklich zu sein, so, wie es sich für Kinder gehört.

Um den Schülern ein angenehmes Leben zu bereiten, gibt es an der Schule nicht nur Grundschullehrer und Sozialpädagogen, sondern auch Heilerzieher, Kinderkrankenschwestern und Therapeuten. Dies klingt für uns erst mal ein wenig merkwürdig, doch schon nach kurzer Zeit leuchtet uns ein, dass es sowohl für gehandicapte Kinder als auch für ihre Eltern leichter ist, wenn sie schon während der Schulzeit Therapien bekommen, und nicht noch Nachmittags zu einem Therapeuten fahren müssen. Und es gibt noch weitere “Helfer”, die allerdings Vierbeiner sind: die drei Schulhunde Ida, Mimo und Nala. Sie sind Perro de Aguas, spanische Wasserhunde, die durch ihre Fellstruktur keine Allergien auslösen. Die drei Hunde kommen mit in den Unterricht und helfen so den Kindern beim Lernen. Vor allem wird es durch die Hunde leiser im Klassenzimmer, da sich die Hunde nur dann wohlfühlen, wenn es nicht zu laut ist und die Kinder wollen, dass es den Hunden gut geht. So wird der Unterricht für alle entspannter.

Schulhund

Für ihre Mühe und Arbeit hat die Schule auch schon viele Preise und Auszeichnungen bekommen, unter anderen den Karl-Kübel-Preis und den Jakob Muth-Preis in Berlin. Hierbei geht es nicht nur um das Geld, welches die Schule als Sieger bekommt, sondern vor allem um die Anerkennung dafür, wie sehr den Kindern auf dieser Schule geholfen wird. Diese Hilfe sieht man anhand des Beispiels eines kleinen Mädchens, über die zuvor gesagt wurde, dass sie niemals lesen können würde, weil sie dazu nicht in der Lage sei. Inzwischen geht das kleine Mädchen in die dritte Klasse, und kann prima Lesen und Schreiben.

Als wir beide die Schule nach drei Stunden verlassen und zu Fuß zum Bahnhof gehen, schauen wir uns glücklich an. Wir sind begeistert von dieser Schule, in der man so viel mehr lernt als Mathe und Deutsch. Nämlich, dass sich jedes Leben zu leben lohnt.

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