Was die Elbphilharmonie für Hamburg ist, ist in Berlin der Flughafen Berlin-Brandenburg: Eine Baustelle, die jeder kennt und die scheinbar nie fertig wird. Wir haben dem Berliner Flughafen einen Besuch abgestattet und uns das Areal angeschaut.

Als wir mit der Bahn ankommen, sind wir zunächst verwirrt: “Was machen die ganzen Leute mit ihren Reisekoffern hier? Haben die etwa nicht mitbekommen, dass der Flughafen noch nicht eröffnet hat?”, fragen wir uns und stellen uns direkt die erstaunten Gesichter der Reisenden vor. Doch dann sind wir es, die erstaunte Gesichter machen. Was uns nicht klar war, ist, dass der neue Flughafen den bestehenden Flughafen Berlin Schönefeld ergänzen soll. Um zum Flughafen Berlin-Brandenburg zu gelangen, muss man vom bestehenden Flughafen über eine Autobahn um das Gelände herum fahren.

Das Parklenksystem vor dem Terminalgebäude

Wir treffen uns am Schönefelder Flughafen mit einer, die sich hier bestens auskennt, Sandra. Sie ist in der Öffentlichkeitsarbeit tätig und zeigt uns den künftigen Flughafen. Mit ihr gemeinsam steigen wir in einen Bus, den wir mit unseren neun Leuten nicht wirklich ausfüllen. “Wir könnten alle am Fenster sitzen”, witzeln wir, setzen uns aber doch nach vorne nebeneinander.

Zuerst fahren wir zum Info-Tower, von wo aus wir sowohl über den bereits in Betrieb genommen Flughafen blicken können als auch über den neuen. Dabei werden wir Zeugen eines interessanten Schauspiels. In Schöneberg startet ein Flugzeug einer israelischen Airline. Diese stellen besondere Sicherheitsanforderungen. So muss der Luftraum leer sein und das Flugzeug wird von einem Panzer bis zum Start begleitet. Solche Schauspiele sind allerdings in Berlin nur auf dem Schönefelder Flughafen zu beobachten. Berlin Tegel bietet nicht solch einen Service. Der Flughafen Berlin Tegel arbeitet momentan auf Hochtouren, da die Flüge von den noch nicht eröffneten Flughafen trotzdem stattfinden müssen. Schönefeld kann diese aber nicht übernehmen, da dort nur Billigflieger und Highrisk-Flüge starten und landen.

Ein israelisches Flugzeug auf dem Weg zur Startbahn, begleitet durch einen Panzer

Wir steigen wieder in den Bus und fahren weiter. Kaum kommen wir in die Nähe des neuen Flughafens, fühlen wir uns wie in einer anderen Welt: kein Mensch weit und breit und auch auf dem dem großen Parkplatz stehen nur ein paar Autos. Kurz: Wir fühlen uns wie in einer Geisterstadt. Ja, Stadt kann man in diesem Fall sogar sagen. Das Gelände ist so groß wie 2000 Fußballfelder, hat ein vier-Sterne Hotel, einen eigenen Bahnhof, der auch für den Fernverkehr geeignet ist, viele Gebäude für die Technik, das Flughafengebäude an sich und drei Feuerwehren. Sandra erklärt uns, dass es deshalb drei sind, da die Feuerwehr in maximal drei Minuten an jedem Ort auf dem Flughafen sein muss.

Jetzt mag sich bestimmt der eine oder andere fragen, warum der Flughafen denn noch nicht in Betrieb genommen wurde. Schließlich sieht er doch fertig aus. Auch Flugzeuge sind schon hier gelandet, allerdings nur im Rahmen der internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung, auch ILA genannt. Das eigentlich Problem liegt im Terminal, also dem Bereich, wo eigentlich die meisten Leute sind. Doch dieses riesige, insgesamt siebengeschössige Gebäude, was so modern aussieht, entspricht nicht den Sicherheitsverordnungen, genauer den Brandschutzbestimmungen. Diese schreiben vor, dass die Fluchtwege mindestens 15 Minuten lang rauch- und qualmfrei bleiben müssen. Dafür muss natürlich die Luft dort zirkulieren um den Rauch abzuleiten, wofür sich gezielt Fenster und Türen öffnen müssen. Doch diese bleiben zu. Noch schlimmer, es öffnen sich Türen, die eigentlich geschlossen bleiben müssten. Gut, mag man jetzt denken, dann ist da wohl ein Fehler im System, den man beheben muss. Aber dieses System wurde noch nie vorher eingebaut, weshalb jetzt auch keiner sagen kann, woran es liegt, dass das Ganze nicht so funktioniert wie geplant.

Durch diesen einen Fehler im System liegt jetzt der gesamte Flughafen im Chaos. So auch in dem Hotel. Dort waren die Kissen bereits aufgeschüttelt und sogar Blumen standen schon auf den über 300 Zimmern. Und auch der Bahnhof, der von der Deutschen Bahn gebaut wurde und sogar pünktlich einfuhr – ich meine natürlich fertig wurde – kann nicht benutzt werden. Da der Aufgang vom S-Bahnhof im Terminal endet, darf dieser nicht angesteuert werden und damit kann auch der Fernbahnhof nicht angefahren werden.

Nachdem wir uns die Gebäude angeschaut haben und uns mehrfach über den in unseren Augen großzügigen Umgang mit Geld gewundert haben, geht es weiter. Wir haben uns deshalb gewundert, da die Check-In-Positionen mit Nussbaumholz verkleidet sind und von der Decke des Terminals ein 1000 Quadratmeter großes Stahlungetüm von der Decke hängt, welches einen fliegenden Teppich darstellen soll. Sandra erklärt uns, dass ein großes, öffentliches Gebäude so etwas wie Kunst am Bau beinhalten soll. Und dieses rote Gebilde gehört dazu.

Schließlich fahren wir auf die Start- und Landebahn. Da werden einem die Dimensionen erst so richtig bewusst. Unser Bus hätte locker zehnmal auf die Bahn gepasst und wir hätten immer noch nebenher gehen können. Ein A 380 passt zwar auf die Landebahn, die Flügelspitzen ragen aber über. Und noch etwas ist interessant. Man könnte meinen, dass die vier Kilometer lange Landebahn perfekt zum Inlineskaten wäre, doch das täuscht: Die Landebahn ist von vielen etwa einen Zentimeter tiefen Rillen durchzogen, die zum einen das Regenwasser ableiten, zum anderen aber auch für mehr Halt der Flugzeugreifen sorgen, die genauso wie Formel-1 Autos kein Profil haben.

Nach einem Gruppenfoto auf der Landebahn fahren wir zurück. Raus aus der Geisterstadt zurück in die belebte Welt. Doch obwohl das ganze unbelebt scheint, arbeiten hier viele Menschen. Der neue Tower ist bereits in Betrieb und leitet den Verkehr des Schöneberger Flughafens. Und auch in den Bürogebäuden wird gearbeitet. Doch der Flughafen hat noch nicht zu seiner Bestimmung gefunden. Und so kostet es jeden Monat 30 Millionen Euro, den Flughafen instand zu halten. Es müssen zum Beispiel die Finger regelmäßig ein- und ausgefahren werden, damit sie nicht einrosten. Aber das sind nicht die einzigen Kosten. Anstelle der anfänglichen 1,5 Milliarden Euro kostet das Projekt mittlerweile fünf Milliarden, wobei Sandra betont, dass ja auch noch angebaut wurde. Daran wird die Kostenexplosion aber wohl nicht liegen.

Aber neben diesen Fakten erzählt Sandra uns noch eine weitere Sache, die ein wenig absurd klingt: Auf dem Flughafengelände steht ein nachgebautes Flugzeug, welches von der Feuerwehr regelmäßig angezündet wird, um daran für den Ernstfall zu proben.

Schließlich kommen wir mit unserem Bus wieder am Startpunkt an. Dem Informationszentrum nahe dem Schönefelder Flughafen. Es erscheint uns merkwürdig, dass das Gebäude so vollkommen scheint aber nicht genutzt werden darf. Noch mehr wundern wir uns allerdings darüber, dass das Projekt überhaupt gestartet werden durfte, wo doch nicht klar war, ob der Brandschutz überhaupt ausreicht. Eins steht jedenfalls fest: Die Elbphilharmonie und der Flughafen Berlin-Brandenburg sind miteinander verwand, so viele Gemeinsamkeiten wie sie haben.

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