Pressident » Interview http://ths-pressident.de Schülerzeitung der Theodor-Heuss-Schule Tue, 31 May 2016 18:11:43 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.8.15 “Zwischen Arm und Reich gespalten” http://ths-pressident.de/mareike-engels/ http://ths-pressident.de/mareike-engels/#comments Tue, 19 May 2015 18:23:53 +0000 http://ths-pressident.de/?p=14129 Mareike Engels ist dieses Jahr als Nachrückerin in die Hamburgische Bürgerschaft eingezogen. Sie studiert aktuell und ist Grüne Sprecherin für Soziales, Frauen & Gleichstellung. Ich hab während meines Praktikums die Chance genutzt mit ihr zu sprechen.

Pressident: Seit wann interessierst Du dich für Politik?
Mareike Engels: Ich interessiere mich eigentlich schon immer für Politik, auch ich habe mit meiner Arbeit in einer Schülerzeitung angefangen und habe mich so erst einmal für lokale Themen interessiert, dann aber auch schnell für  Bildungspolitik in Niedersachsen. Darüber bin ich dann zur  Jungen Presse Niedersachsen gekommen und waren viel in Niedersachsen unterwegs, z.B. Zu einem Rechercheseminar in Dörverden zum Thema Rechtsextremismus. Dort ist nämlich  der Heisenhof, ein Tagungszentrum von Rechtsextremen, was Jürgen Rieger, einem Hamburger NPDler gehörte. Und natürlich wächst man in Niedersachsen quasi auf Anti-Atom Demos auf. So habe ich dann auch die Grüne Jugend kennengelernt und als ich dann nach dem Abi nach Hannover gezogen bin und Anschluss in einer neuen Stadt gesucht habe, war die Grüne Jugend auch meine erste Anlaufstelle.

Du kommst ursprünglich nicht aus Hamburg sondern aus Niedersachsen. Warum bist Du hier?
Das ist ganz einfach: Ich war schon immer viel in Hamburg, fühlte mich hier wohl und für mich war dann klar – in Hamburg möchte ich studieren!

Gibt es eine Art Ausbildungsberuf für Politik, oder wie kommt man dazu?
Ein Parlament sollte immer einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden, also verschiedene Berufe, gerechte Repräsentanz der Geschlechter und eben auch eine gute Verteilung der Altersgruppen. Auch junge Leute sollten in der Politik etwas zu sagen haben und Verantwortung übernehmen. Deshalb habe ich mich auch schon immer politisch engagiert und dann ist es auch nicht wichtig, was man für eine Ausbildung hat oder was man studiert. Nur das politische Engagement zählt.

Wie sah deine erste Erfahrung als Abgeordnete aus?
(lacht) So lange bin ich ja noch gar nicht in der Bürgerschaft, ich hatte auch erst eine Plenarsitzung und ich bin während der Plenarsitzung erst Abgeordnete geworden. Einige unserer bisherigen Abgeordneten wurden dort zu Senatorinnen und Senatoren und ich bin dann während der Sitzung  nachgerückt. Das war ein sehr aufregender Moment, wir Nachrückerinnen warteten quasi mit dem Landeswahlleiter  vor dem Plenarsaal und haben dann nach der Vereidigung der neuen Senator_innen unser Mandate angenommen. An dem Abend hatte ich auch gleich meine erste Rede. Das war sehr aufregend.

Worum ging es in der Rede?
Es gab einen Antrag, in dem ein Armuts- und Reichtums Bericht gefordert wurde und darüber haben wir dann debattiert.

Was nervt Dich zurzeit am meisten in der Politik?
Das ist eine sehr schwere Frage, aber mich nervt tatsächlich etwas sehr stark. Im Sinne der Generationengerechtigkeit ist es gut, dass wir eine Schuldenbremse eingeführt haben, aber die Konsequenz sollte kein strikter Sparkurs sein. Es ist ziemlich ungerecht, auch im Sinne der Generationsgerechtigkeit, wenn an der Bildung gespart wird, wenn soziale Leistungen zusammengespart werden und so weiter. Das nervt mich ziemlich und ich finde, dass das so auf Dauer nicht weitergehen kann.

Wenn Du eine Sache in Hamburg verändern könntest, was wäre das?
Nur eine Sache? Ok, das ist ein sehr großer Punkt also passt das: Die soziale Spaltung in unserer Stadt in den Griff zu bekommen. Hamburg ist sehr stark zwischen Arm und Reich gespalten, es gibt viele Leute, die in unserer Gesellschaft abgehängt sind. Es gibt auch immer noch eine große Ungleichheit zwischen den Geschlechtern,  Frauen haben weniger Chancen, Frauen haben weniger Geld zur Verfügung und damit auch weniger Macht und das alles würde ich gerne ändern.

Welchen Punkt würdest Du gerne im aktuellen Koalitionsvertrag ändern?
Also erst einmal finde ich ihn im Grundsatz ganz gut und ich habe ihm auch nach langer Abwägung zugestimmt. Aber ich bin natürlich nicht hellauf begeistert. Es gibt eben viele Stellen, an denen ich mehr gewollt hätte. Und gerade bei den Punkten soziale Gerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit hoffe ich darauf, dass wir im Laufe der fünf Jahre mehr Antworten finden als momentan im Koalitionsvertrag stehen.

Welches Amt hättest Du lieber inne: Grüne Bürgermeisterin in Hamburg oder weiterhin Grüne Abgeordnete?
Ich bin jetzt erst einmal sehr gerne Abgeordnete, aber ich würde mich sehr freuen, wenn die nächste Bürgermeisterin eine Frau ist. Ich finde, dass das unsere Stadt verdient hat auch mal von einer Frau regiert zu werden. Das gab es nämlich noch nie und es dringend an der Zeit!

Wo siehst Du Hamburg in zehn Jahren?
Hoffentlich nicht im Post-Olympia-Schock.

Wo siehst Du Dich selbst in zehn Jahren?
In einem grüneren und gerechteren Hamburg.

Was sind Deine realistischen Ziele für Deine erste Legislaturperiode?
An ein Arbeitsprogramm werden wir uns erst in den nächsten Wochen und Monaten machen, aber ich würde gerne Dinge wie die bessere Finanzierung der Frauenhäuser oder die Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und eben auch die leider so hohe Armut in der Stadt in Angriff nehmen.

Was müsste passieren, damit Du aus der Politik aussteigst?
Ich müsste den Glauben daran verlieren, dass ich etwas verändern kann.

Vielen Dank für das Gespräch!
Sehr gerne.

]]>
http://ths-pressident.de/mareike-engels/feed/ 0
“Die Welt scheint aus den Fugen zu geraten” http://ths-pressident.de/die-welt-scheint-aus-den-fugen-zu-geraten/ http://ths-pressident.de/die-welt-scheint-aus-den-fugen-zu-geraten/#comments Sat, 25 Apr 2015 14:20:01 +0000 http://ths-pressident.de/?p=13832 von links: Philipp Wenzel, David Hock, Thomas de Mazière, Marc Pabst.

Nachdem uns zunächst der GDL-Streik um unsere ICE-Fahrt bangen ließ, ermöglichte uns der Ersatzfahrplan letztendlich aber sowohl Hin- und Rückfahrt problemlos. Als wir Herrn de Mazière dann schließlich in seinem Büro gegenübersaßen, hatten wir sofort das Gefühl, dass ihm daran gelegen war, unsere vorbereiteten Fragen in Ruhe und Konzentration zu beantworten. So wurde es ein ausgiebiges Gespräch:

Bevor es losging, blätterte der Minister zunächst durch unsere letzte Ausgabe.

Bevor es losging, blätterte der Minister zunächst durch unsere letzte Ausgabe.

Pressident: Herr de Maizière Es fällt ja sehr viel in Ihr Ressort. Wie oft kommt es denn gerade in diesen Tagen vor, dass Ihr Tagesplan durch ein wichtiges Ereignis komplett umgestellt werden muss?
Thomas de Mazière: Fast täglich. Vor wenigen Tagen kam es zu dieser schrecklichen Tragödie im Mittelmeer, die natürlich Folgen hatte. Am Montag fand die Sitzung der Außen- und Innenminister statt und am Donnerstag dann das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs. Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine war den ganzen Tag zu klären, was dieser Absturz für uns bedeutet, z.B. ob es sich um einen Anschlag handelt oder nicht. Es kommt also sehr oft vor, dass sich der Tagesablauf verändert. Mein Ministerium hat viel mit Sicherheit und auch internationalen Entwicklungen zu tun, wenngleich man Letzteres im  Innenministerium gar nicht so erwartet. Die Welt scheint im Moment aus den Fugen zu geraten. Natürlich muss ich meinen Tagesablauf da immer wieder umstellen.

Innenpolitisch sorgt die Aufnahme von Flüchtlingen für große Aufruhr: Brennende Asylbewerberheime, Morddrohungen gegen Bürgermeister, ein Landrat unter Polizeischutz: So mancher mag dieser Tage vielleicht Vergleiche zu Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen ziehen. Müssen wir in Deutschland Angst vor einer neuen Welle ausländerfeindlicher Ausschreitungen haben?
Ich hoffe nicht! Ich finde es ganz großartig, wie die große Mehrheit der Bevölkerung – anders als noch vor Jahrzehnten – die Flüchtlinge und Asylbewerber empfängt. Ganz viele Ehrenamtliche helfen. Das habe ich erst kürzlich in Schleswig-Holstein erlebt. Das ist wirklich großartig. Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass es auch mehr Proteste gibt. Aber wenn es legitim ist, für oder gegen den Bau einer Umgehungsstraße oder Schule in der näheren Umgebung zu protestieren, dann darf man auch gegen ein Asylbewerberheim in der Nachbarschaft protestieren, aber dann müssen gemeinsam Lösungen gefunden werden, denn die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine Aufgabe und Verpflichtung, die uns alle angeht. Übrigens ist nicht jeder Protest rechtsextrem. Das muss man ganz klar sagen, aber solche Proteste müssen gesittet und friedlich sein und dürfen nicht von Rechtsextremen missbraucht werden. Die Proteste dürfen auch nicht verhindern, dass alle in Deutschland dazu beitragen, Asylbewerber anständig unterzubringen.

Sie räumen also ein, dass man als Bürger protestieren und sich Sorgen machen darf. Eine kontroverse Frage ist die Unterscheidung zwischen berechtigten Sorgen und diskriminierendem Hass. Wo liegt Ihrer Meinung die Grenze?
Die Grenze liegt zwischen seriös vorgetragenen Protesten und Hass. Leider haben wir eine Zunahme der Verrohung von Sprache. Dazu trägt auch die Anonymität im Internet bei. Amtsträger wie Polizisten, Bürgermeister und Richter oder auch Journalisten werden zum Teil in unziemlicher Weise angegangen. Diesen Tendenzen der Verrohung müssen wir uns als Gesellschaft entgegenstellen. Sonst verlieren wir ein Stück unserer Zivilisation. Es ist wichtig, sich auf Augenhöhe zu begegnen, höflich zu sein und sich die Hände zu reichen. Man muss Grundregeln des menschlichen Umgangs einhalten. Wenn wir das beim Protest vernachlässigen, dann kommen wir nicht mehr zu Kompromissen und Ergebnissen.

Sigmar Gabriel hat gesagt, jeder habe ein Recht darauf, deutschnational zu sein. Darf man dass, wenn man die von Ihnen angesprochene Höflichkeit beachtet?
Das sind zwei Ebenen. Höflichkeit und Gewaltverzicht sind konstitutiv für eine Demokratie. Es lässt sich auch leichter eine Protestveranstaltung durchführen, wenn die Menschen sich ausreden lassen. Es muss zudem klar sein, dass in einem Land Entscheidungen getroffen werden müssen. Wer demonstriert, hat nicht immer Recht. Es gibt Sorgen und Fragen, aber es kann auch in einer Demokratie vorkommen, dass etwas gegen eine Bürgerinitiative entschieden werden muss, zum Beispiel bei der Frage, wo ein Asylbewerberheim oder eine Straße gebaut wird. Dagegen gibt es Rechtsmittel, und man kann klagen. Aber Demokratie heißt nicht, dass alle immer miteinander streiten. Am Ende muss ein Ergebnis stehen. Nun zum Begriff „deutschnational“. Er kommt aus der Zeit der Weimarer Republik. Ich denke, man darf sich die Begriffe des Patriotismus und des Nationalstolzes und auch die wichtige Rolle von Nationalstaaten innerhalb der Europäischen Union nicht von Rechtsextremisten wegnehmen lassen. Ich persönlich verwende den Begriff „deutschnational“ nicht. Eine Vertretung nationaler Interessen in einem europäischen Verbund ist legitim und kein Problem. Eine Gesellschaft braucht Maß und Mitte. Sie muss zusammenhalten. Wenn die Zentrifugalkräfte in Deutschland stärker werden, müssen wir umso mehr daran arbeiten, sie zusammenzuhalten. Wer diesen Konsens verlässt, ist extrem.

Nun haben Sie den Extremismus schon angesprochen. Auch der Terrorismus ist eine Form davon. Im Februar gab es Terrorwarnungen in Braunschweig und Bremen. Arbeiten die deutschen Sicherheitsbehörden wirklich so gut, dass das Frühwarnsystem in Braunschweig und Bremen funktioniert hat oder war auch Glück dabei?
Der im Herbst ausgeschiedene Präsident des Bundeskriminalamts sagte, dass wir schon bei  einer ganzen Reihe von Anschlagsversuchen Schlimmeres durch gute Arbeit verhindern konnten, aber in drei oder vier Fällen haben wir einfach Glück gehabt. Das ist eine richtige Beschreibung, aber man kann nicht immer darauf bauen, dass man Glück hat.

DSC_8378

Vor Kurzem hat der Angriff auf die französische Sendergruppe TV5Monde dem Terrorismus eine neue, digitale Dimension gegeben. Inwiefern reagieren Sie aus deutscher Perspektive darauf und beschäftigen sich mit der Aufrüstung in diesem Bereich?
Die digitale Dimension gab es vorher schon in Form von Propaganda. Sie hat eine erhebliche Wirkung, insbesondere bei der Rekrutierung neuer Kämpfer für Auseinandersetzungen im Irak und Syrien. Das Internet spielt eine zentrale Rolle als Medium für Werbe- und Propagandabotschaften. Auch das Kapern von Internetdiensten durch Dritte gab es schon, jedoch bisher nicht durch Terroristen und nicht in dieser Ausprägung. Deshalb müssen die Betroffen an ihrer IT-Sicherheit arbeiten. Gerade beraten wir ein Gesetz im deutschen Bundestag, das IT-Sicherheitsgesetz- Hierbei handelt es sich um Vorgaben für einen sicheren Betrieb, damit solche Angriffe in Zukunft besser abgewehrt werden können.

Nach diesen großen Problematiken: In einem Imagefilm auf Ihrer Website sprechen Sie davon, dass Sie eigentlich nie Politiker werden wollten. Warum sind Sie es dennoch geworden?
Das hat sich so ergeben. Wenn jemand mit 16 oder 17 sagt, er möchte Berufspolitiker und später Bundesminister werden, dann würde ich mich eher ein bisschen vorsehen. Politiker wird man erst einmal dadurch, dass man sich für eine Sache interessiert oder einen Zustand verändern möchte, den man vorfindet und nicht, indem man ein Amt anstrebt. Wenn es darum geht, ein Politiker auf einer etwas höheren Ebene zu werden, so ergibt sich das. Man muss versuchen, einen vernünftigen Beruf zu erlernen und sich für etwas interessieren. Wenn man etwas kann, kommen die Ämter auf einen zu. Nicht umgekehrt.

Sie sind nun seit mehr als 40 Jahren politisch aktiv. Welches Ereignis hat Sie persönlich am meisten geprägt?
Die Mitarbeit bei der Deutschen Einheit. Das Jahr 1990 bis zum 3. Oktober war so exzeptionell, herausragend und ein Höhepunkt meiner Arbeit! Wann hat man schon mal die Gelegenheit, an der Geschichte mitzuwirken, einen Staat friedlich aus der Geschichte zu verabschieden und an der Einigkeit des eigenen Volkes mitzuwirken? Das werde ich sicher nicht vergessen.

Zum Abschluss dieses Interviews möchten wir nur noch eins wissen: Warum um alles in der Welt nimmt ein hochrangiger Politiker wie Sie sich Zeit für ein persönliches Gespräch mit drei zumindest noch so unbedeutenden Nachwuchsredakteuren wie uns drei?
Erstens kommt mein parlamentarischer Staatssekretär Ole Schröder aus Pinneberg, so dass mich eine Schülerzeitung aus seinem Heimatort einfach interessiert hat und zweitens, weil ich es gerne unterstützen möchte, wenn Schüler und Schülerinnen wie Sie Kraft und Mühe in eine Schülerzeitung stecken und sich dafür interessieren, was ein Politiker so macht. Sie könnten ja auch alle vor dem Computer sitzen und Ballerspiele spielen, in der Eisdiele sitzen oder Mathe pauken.

…Letzteres tun wir gewiss nicht.
(lacht) Ich finde Ihr Engagement für eine Schülerzeitungsarbeit lobenswert und möchte das gerne unterstützen.

Herr Minister, wir bedanken uns nochmals für das Gespräch und wünschen Ihnen für Ihre weitere Amtszeit alles Gute.

von links: Philipp Wenzel, David Hock, Thomas de Mazière, Marc Pabst

von links: Philipp Wenzel, David Hock, Thomas de Mazière, Marc Pabst

]]>
http://ths-pressident.de/die-welt-scheint-aus-den-fugen-zu-geraten/feed/ 0
Der Kultreporter http://ths-pressident.de/der-kultreporter/ http://ths-pressident.de/der-kultreporter/#comments Fri, 17 Apr 2015 22:24:01 +0000 http://ths-pressident.de/?p=13615 Foto: Sky/firo

Ein bisschen verwirrt waren unsere Tischnachbarn dann schon. Den großen Mann mit tiefer Stimme, der ihnen schräg gegenüber saß, kannten sie irgendwo her. Aber woher genau, fiel ihnen nicht ein. Was Günther Jauch für die Quizshowgucker ist, ist Rolf “Rollo” Fuhrmann für Fußballfans. Seit über 20 Jahren berichtet er für den Fernsehsender Sky als Field-Reporter von nationalen und internationalen Fußballspielen. Rollo hat Sportgeschichte erlebt, sogar schon selbst geschrieben. Kaum einer ist jeden Spieltag so nah dran wie er. Umso mehr haben wir uns gefreut, dass er einem Gespräch mit uns sofort zugesagt hat. Und so durften wir mit ihm knapp eine Stunde lang plaudern – über Twitter, sein selbstgebautes Auto und das Tagesgeschäft Bundesliga.

Pressident: Moin Rollo, Fußballfans stolpern auf Twitter seit einigen Monaten immer wieder über deinen Account (@Sky_Rollo). Deine Tweets beginnst Du immer mit dem Hashtag #hallohallo, der schon fast Kultstatus erreicht hat. Warum findet man einen Reporter wie Dich bei einem solchen Netzwerk?
Rollo: Bei Twitter hat man immer sofort ein Bild über die Meinungen und Einschätzungen von anderen. Das finde ich super! Es war auf dem SportBild-Award letztes Jahr im Sommer, da kam der Chef von Twitter-Sport in Deutschland zu mir und hat mich überredet, mich auch anzumelden. Ich war dann auch ziemlich schnell Feuer und Flamme. Twitter ist schneller, viel innovativer als andere soziale Netzwerke.

Es gibt ja viele die sagen, dass sie diesen Quatsch nicht mitmachen…
Das haben viele auch über Computer, Internet und Handys gesagt. Aber das Ende kennen wir alle: Jeder hat mittlerweile ein Smartphone und Ähnliches. Wieso sollte man also nicht mit der Zeit gehen?
Und Du hast ja jetzt auch schon kräftig Follower gesammelt.
Ich staune da selbst drüber. 13.000 Follower, und das innerhalb von 14-15 Monaten. Hätte ich nicht für möglich gehalten.

Mal ein Schwenk zum aktuellen Bundesligageschäft: Der Deutsche Meister kommt auch dieses Jahr wieder aus München?
Für die Bundesliga ist das zwar schlimm, weil die Spannung komplett raus ist, aber die Bayern werden auch dieses Jahr nicht aufzuhalten sein.

Was stellt man den Bayern-Spielern als Reporter denn noch für kritische Fragen, wenn es eigentlich nichts zu kritisieren gibt?
Also für uns bei Sky ist das ja Tagesgeschäft. Deshalb ist das nicht so kompliziert. Wir stellen dann Fragen zum Spiel, und das ist dann auch in Ordnung. Und wenn ich dann mal bei einem anderen Spiel bin, zum Beispiel beim HSV, dann stellt man natürlich auch andere Fragen. Da geht es dann konkret um Wille und Kampf der Mannschaft.

Apropos Hamburger SV: Man setzt jetzt auf Trainer Joe Zinnbauer, den man von der U23 befördert hat. Der Trend in der Bundesliga geht ja immer mehr in diese Richtung.
Die Entscheidung finde ich persönlich super. Das habe ich auch sofort getwittert. Viele andere Vereine haben ja auch so gehandelt. Und ich bin auch der Meinung, dass er ein fähiger Mann ist, der das schaffen wird.

Nun hat der HSV, wie viele andere Clubs aus Deutschland auch, sich für Investoren geöffnet. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung oder zerstört man so mittelfristig den Fußball?
Ich bin ja ein gewisser Fußballromantiker, gucke mir gerne mal ein Amateurspiel an, gehe zum Beispiel mal zu Altona 93 und esse da meine Bratwurst. Allerdings ist doch klar, dass es ohne Investoren in Zukunft nicht funktionieren wird. Ohne Geld geht es in diesem Sport nicht. Ob das alles so gut ist, weiß auch ich nicht. Aber das ist genauso wie mit dem Internet. Es ist eine super Sache, kann aber auch zur Last werden.

Foto: Sky/firo

Wie wurdest Du eigentlich St. Pauli-Fan?
Ich komme ja aus Ostfriesland. Daher war ich anfangs gar kein Vereinsfan. Werder Bremen fand ich damals noch ganz sympathisch. Aber auch den HSV, der in Europa Erfolg hatte, war meiner Meinung nach großartig. Jedoch waren die HSV-Spieler nie so richtig greifbar für die Fans, teilweise auch etwas arrogant. Und dann bin ich zu St. Pauli gegangen und es hat sich das entwickelt, was jeder andere Fußballfan auch kennt. Irgendwann konnte ich nicht mehr anders und wurde Mitglied.

Aber Mitglied beim VFB Stuttgart bist du auch.
Das kam daher, dass ich nicht immer nur als Pauli-Fan leiden wollte. Ich hatte auch mal Lust, einen Erfolg zu feiern. Und es gab mal eine Zeit, da hat mich Stuttgart unfassbar begeistert. Aber bei St. Pauli bin ich mit mehr Herz dabei.

Ist das nicht schwierig, dann im Beruf immer unparteiisch zu agieren?
Job ist Job und Schnaps ist Schnaps. Das ist kein Problem für mich. Ich verstehe mich mit so vielen Spieler und Fans wirklich gut. Und dann ist es egal, ob ich nun auf Schalke, in Stuttgart oder sonst wo bin.

Du hattest in deiner Jugend eine ziemliche ungewöhnliche Idee, nämlich die Eröffnung deiner eigenen Disko.
Ja, die Idee kam mir mit 16 Jahren. Es gab bei uns in Ostfriesland keine Diskotheken und dann habe ich, zusammen mit meinem Kumpel unter der Jugendherberge eine Disko eingerichtet. Geöffnet war immer mittwochs von 19-22 Uhr. Und es gab nur Cola. Alkohol war verboten. Das war mit dem Jugendamt so abgesprochen.

In jener Disko hat ein gewisser Otto Waalkes die Wände bemalt. Habt Ihr heute noch Kontakt?
Vergangenes Jahr haben wir uns mal wieder gesehen. Der Kontakt ist zwar selten, aber er besteht. Otto hat für das Bemalen der Wände übrigens 150 Mark genommen.

Wie bist Du später eigentlich zum Fernsehen gekommen?
Es ist ja so im Leben: Du hast vielleicht vier, fünf Mal eine super Idee. Und die solltest du dann auch unbedingt umsetzen. Da darfst Du überhaupt nicht zögern. So habe ich das damals bei der Disko auch gemacht. Und beim Fernsehen lief es ähnlich. Premiere (heute SKY) war da gerade ein halbes Jahr alt und Reinhold Beckmann, der damalige Sportchef, suchte noch Mitarbeiter. Und dann bin ich einfach zu Premiere nach Hamburg-Wandsbek gefahren und wurde so eine Art freier Praktikant, ein halbes Jahr später dann Redakteur. Das war im Juni 1992.

Du wohnst in Hamburg – in einer WG mit zwei Frauen. Deine Lebensgefährtin wohnt in Bremen. Wie entstand diese ungewöhnliche Konstellation?
Die Geschichte ist viel simpler als sie sich anhört. In einer WG zu wohnen ist wie mit seiner eigenen Familie zusammenzuleben. Man muss Kompromisse eingehen und auch Rücksicht nehmen. Als ich mich vor langer Zeit von meiner damaligen Freundin getrennt habe und sie zusammen mit meiner Tochter ein paar Straßen weitergezogen ist, hatte ich einfach keine Lust, alleine zu wohnen. Deswegen habe ich mir Mitbewohner gesucht. Und ich finde das immer noch klasse. Meine jetzige Freundin hat ihren Lebensmittelpunkt nun mal in Bremen – und ich in Hamburg. Für uns beide ist das so kein Problem.

Man merkt, dass Du Dich in Hamburg richtig wohlfühlst. Was macht die Hansestadt so einzigartig?
Die Jahreszeiten, das Wetter, die Stadtteile. Einfach alles! Hamburg ist meine Stadt!

Fragen Dich Passanten auch mal nach einem Foto?
Ja, das kommt vor. Bundesweit sogar. Und ich mache das ja auch richtig gerne.

Rollo im Gespräch mit Pressident - Foto: Pressident

Rollo im Gespräch mit Pressident – Foto: Pressident

Und wie oft kommt es vor, dass Du noch als „Meistermacher“ angesprochen wirst?
Hintergrund: Am letzten Spieltag der Saison 2000/2001 verkündetet Rollo nach Abpfiff im Schalker Parkstadion, dass die Bayern ihr letztes Spiel verloren hätten und die Schalker somit Meister wären. Dem war aber nicht so. Während auf Schalke die Meisterfeier begann, glichen die Bayern noch in Hamburg aus und wurden somit Meister. Schalke 04 blieb nur die Vizemeisterschaft.
Noch heute sagen einige Meistermacher zu mir und ich antworte dann: Nun wart ihr mal für viereinhalb Minuten Meister, genießt es doch mal. Wer weiß, wann das wieder passiert. Aber im Ernst: Ich gönne ihnen möglichst bald mal die Schale.

Was macht ein Field-Reporter an spielfreien Tagen?
Da mache ich Dinge, zu den ich an Arbeitstagen nicht komme. Manchmal treffe ich mich auch mit Freunden oder schraube an meinem Auto. Aber langweilig wird mir nie. Und mal muss man sich auch ausruhen. Der Reisestress, den mein Job nun mal mit sich bringt, ist nicht ganz ohne. Letztens war ich an vier Tagen nacheinander in Liverpool, Braunschweig, Paderborn und Wolfsburg.

Wie bereitest Du dich denn auf Spiele vor?
Grundsätzlich musst du alle Geschichten kennen. Ich fange unter der Woche an und lese alles, was ich so finde. Das ist die Grundvoraussetzung. Außerdem kriegt jeder Reporter immer eine Datenmappe – da gucke ich rein, wenn ich etwas Spezielles wissen möchte.

Und wie rechtzeitig erfährst Du, welche Spieler oder Funktionäre Du interviewen wirst?
Vor dem Spiel weiß ich schon, mit wem ich spreche. Aber wem man nach dem Spiel seine Fragen stellt, hängt ja ganz davon ab, was alles so im Verlauf der Partie passiert.

Was denkst Du als Reporter, wenn solche Interviews wie das von Per Mertesacker und der Eistonne bei der WM im Sommer so stark in den Medien thematisiert werden?
Ich glaube, Per Mertesacker wollte das einfach nur mal loswerden. Letzten Endes war es doch einfach unterhaltsam. Und Boris Büchler (ZDF Reporter, Anm. d. Red.) hat auch völlig normale Fragen gestellt. Ich habe ihm gleich danach per SMS geschrieben, dass ich sein Interview klasse fand.

Was ist denn das Schönste am Beruf des Reporters?
Für mich ist das ein Traumjob. Mal so als Beispiel: Bevor ich damals zu Premiere gegangen bin, bin ich ungefähr zehn Mal geflogen. Jetzt sind es weit über tausend Flugstrecken. Und durch das Reisen erlebst Du ständig neue Dinge und lernst auch immer wieder neue Menschen kennen.

Also ist es auch eine Grundvoraussetzung für den Beruf, dass man sich ständig auf neue Dinge einlassen möchte?
Ja, und diese Sache habe ich vielen anderen meines Alters voraus. Ich bin durch meinen Job immer wieder Neuem aufgeschlossen. Das muss aber auch unbedingt so sein.

Du hast schon erzählt, dass du öfters viel Reisestress hast. Wie sieht dann ein Tag bei Dir aus?
Vor ein paar Wochen war ich donnerstags bei Zürich gegen Mönchengladbach. Da war ich nach der Sendung erst um ein Uhr Nachts im Bett. Am nächsten Morgen ging um 10 Uhr der Flug nach Berlin. Da habe ich mir einen Leihwagen gemietet und bin dann mit kurzem Umweg direkt weiter ins Stadion zu Hertha gegen Stuttgart. Nachts ging es direkt weiter nach Bremen zur nächsten Übertragung. Daran sieht man, dass es schon mal stressig wird. Aber es macht ja auch Spaß.

Du hast Dir, wie ebenfalls schon kurz angesprochen, ein Auto selbst gebaut!?
Ja, mit einem Freund zusammen. Das ist 43 Jahre alt, ein Buggy, hat ein H-Kennzeichen und fährt heute besser als je zuvor.

Gibt es ein paar Fußballspiele, die Dir immer in Erinnerung bleiben werden?
Genug! Das erste, was mir einfällt, ist mein erster Einsatz als Field-Reporter. Ein Kollege hatte sich verletzt und deshalb musste ich ran. Das hatte man mir drei Stunden vor Spielbeginn gesagt. Ich war total aufgeregt und war bis zum Spielbeginn bestimmt sieben Mal auf Klo. So ziemlich das Schlimmste, was ich erlebt habe, war der Selbstmordversuch von Babak Rafati damals vor dem Spiel in Köln. Das habe ich damals als Erster verkündet, nachdem wir ganz sicher waren, dass es stimmte. Schließlich war das natürlich eine ganze heikle Geschichte.

Sky sitzt in München. Du wohnst in Hamburg. Wie nimmst Du an den Redaktionskonferenzen teil?
Meistens bin ich jeden Montag telefonisch zugeschaltet. Einmal im Monat bin ich aber auch vor Ort.

Kommentator Wolff Fuss hat schon mal bei Dir in Deiner WG übernachtet. Hast Du eine Art „Lieblingskollegen“?
Ich versteh mich mit 99 Prozent der Leute im Geschäft gut. Und wenn mich dann mal ein Kollege fragt, helfe ich immer gerne, Natürlich ist man mit einigen Leuten ein bisschen enger befreundet als mit anderen. Wolff zählt sicherlich dazu.

Rollo, wir bedanken uns für das tolle Gespräch und wünschen Dir noch viele unvergleichliche Reporter-Momente!

]]>
http://ths-pressident.de/der-kultreporter/feed/ 0
“Auch mal etwas anderes machen!” http://ths-pressident.de/abgeordneter-landtag/ http://ths-pressident.de/abgeordneter-landtag/#comments Sun, 04 May 2014 11:00:36 +0000 http://ths-pressident.de/?p=12067 Wie ist ein Leben als junger Landtagsabgeordneter?

Interview mit dem Grünen Landtagsabgeordneten Rasmus Andresen am in Kiel:

Pressident: Wieso wolltest Du Abgeordneter werden?
Rasmus: Als ich 15 war, habe ich begonnen, mich für Politik zu interessieren und mich daraufhin entschieden, mich selbst politisch zu engagieren. Ich habe mich ein bisschen umgehört, erst überlegt, zur SPD oder zu den Grünen zu gehen. Ich bin dann zu den Grünen gegangen, weil mir das dort vor Ort in Flensburg, wo ich zur Schule gegangen bin, besser gefallen hat und auch die Themen besser zu mir passten. Da ist man dann irgendwie immer mehr hineingewachsen; ich hab zuerst in Flensburg bei der Grünen Jugend mitgemacht, später dann auch vor Ort in der Partei und auf Landesebene Schleswig-Holsteins. Zum Studium war ich in Dänemark und habe dort auch im dänischen Parlament gearbeitet. Dort habe ich gesehen, dass man noch einmal ganz andere Möglichkeiten hat, wenn man Politik als Abgeordneter betreibt; dass man mehr Einflussmöglichkeiten hat, sodass man die Dinge auch wirklich umsetzen kann.

Was hat Dein politisches Interesse ursprünglich geweckt?
Wir haben in der Schule viel über Politik diskutiert, am interessantesten fand ich immer „große“ Themen, wie zum Beispiel Auslandseinsätze der Bundeswehr oder aber auch Gerechtigkeitsthemen wie Sozialreformen, zum Beispiel Hartz IV: Ich war dagegen, weil ich es falsch fand, Arbeitslose mehr und mehr unter Druck zu setzen, und das hat ja auch nicht funktioniert.
Das waren eben meine beiden Themen; Krieg, Frieden, Bundeswehreinsätze und die Schere zwischen arm und reich in der Gesellschaft.

Haben Dich Deine Eltern zum politischen Engagement bzw. zu politischen Meinungsrichtungen bewegt?
Meine Eltern sind beide sehr politisch, in dem Sinne, dass sie sich sehr stark für Politik interessieren. Mein Vater ist auch Mitglied in der SPD und war selbst politisch aktiv, das ist aber schon ein paar Jahre her. Man kann also schon sagen, dass ich aus einem politischen Elternhaus komme. Die haben mir jetzt aber kein Mitgliedsformular von den Grünen oder von der SPD auf den Tisch gelegt, so nicht, aber sie hatten sicherlich Einflüsse auf mich.

Hast Du vor deiner Zeit als Abgeordneter Lokalpolitik betrieben?
Ich habe eine Zeit lang in Dänemark gelebt, dort studiert und wie gesagt im Parlament gearbeitet. Dort ging es hauptsächlich um Landespolitik, da ich einem Abgeordneten zugearbeitet habe. Außerdem war ich bei der Grünen Jugend lange im Landesvorstand, ich war Sprecher der Grünen Jugend in Schleswig-Holstein, und da hat man sich nun einmal viel mit Landespolitik beschäftigt und begleitet, was die Grünen auf Landesebene so an Forderungen aufgestellt haben.

Was hast Du in dieser Zeit gelernt, das Du nun als Abgeordneter anwenden kannst?
Was auf jedenfall viel gebracht hat, war durch die Grüne Jugend zu lernen, politische Positionen zu formulieren und Überzeugungen zu entwickeln, für die man dann auch einsteht und kämpft. Dass man also weniger rumeiert, sondern für klare Inhalte steht. Das ist sehr wichtig. Außerdem lernt man in solchen Jugendverbänden auch sehr gut, wie Politik funktioniert: Wie man zum Beispiel eine Mehrheit von einem Antrag überzeugt, das macht man in der Grünen Jugend oder in einer anderen Jugendorganisation ja ständig, und diese Fähigkeit hilft auch auf jedenfall bei der Arbeit hier. Dieses politische Verhandeln kann man in Jugendverbänden sehr gut lernen. Ich habe auch Kollegen, die nicht politisch in Jugendverbänden aktiv waren, die zwar vielleicht andere Erfahrungen mitbringen, aber die dieses Handwerk noch intensiver lernen müssen.

Wie sieht ein typischer Tagesablauf im Landtag aus?
Es gibt keinen typischen Tagesablauf, deshalb ist es auch so spannend; kein Tag ist wie der nächste.
Die Tage sind meist sehr unterschiedlich, in dieser Woche hatten wir ja zum Beispiel Plenarsitzung. Da tagt montagmorgens der Fraktionsvorstand, danach tagt dann die sog. „Grüne Lage“, wo sich der Fraktionsvorstand, die Minister und der Landesvorstand treffen und die wichtigsten Konfliktthemen diskutieren. Auf der Tagesordnung stehen entweder thematische Konflikte innerhalb der eigenen Partei, aber auch die der Koalitionspartner. Dienstags finden oft inhaltliche Arbeitskreise statt, die sich je mit verschiedenen Themen auseinander setzen. Ich bin in den Arbeitskreisen „Bildung“ und „Finanzen“. Abends finden meist vielerlei Veranstaltungen statt, in der Partei vor Ort, vom Kreisverband oder anderen Organisationen.
Mittwochs, donnerstags und freitags sind dann die Plenarsitzungen – den ganzen Tag lang!
Man hat zwar nur wenig Freizeit, doch es ist auch immer sehr abwechslungsreich. An solchen Tagen arbeite ich bis zu elf Stunden, manchmal sogar länger. Zeit, um Mails zu beantworten und sich um andere Dinge zu kümmern, findet man dann erst abends.
Mitunter gibt es auch Wochen, in denen man mehr in seinem eigenen Wahlkreis unterwegs ist, bei mir ist das Flensburg- aber manchmal wird man auch von den Grünen in Pinneberg eingeladen.

Der Plenarsaal des Kieler Landtags.

Was macht Spaß am demokratischen Pflichtprogramm? Was eher nicht?
Es interessiert einen ja nicht jedes Thema im Landtag oder im Ausschuss gleichermaßen. Da gibt es dann manchmal so Themen, wo man sich denkt: „Da haben wir jetzt schon dreißig Mal drüber diskutiert“ oder „Ist das jetzt so wichtig, darüber zu reden?“ Sowas ärgert mich dann. Mir macht jedoch Vieles Spaß, vor allem aber, wenn man Dinge, für die man lange gekämpft hat, letztendlich auch umsetzen kann. Zum Beispiel haben wir vor einem Monat einen Aktionsplan gegen Homophobie beschlossen, den wir als Grüne bereits in der Opposition beantragt haben, doch Schwarz-Gelb hat das immer abgelehnt. Jetzt haben wir zusammen mit SPD und SSW, den Piraten und auch der FDP, diesen Antrag bezüglich des Aktionsplanes verabschiedet. Das ist echt cool, wenn man dann auch wirklich etwas erreicht, und es nicht nur für die Papiertonne produziert.

Wie viele Leute gehören im Schnitt zu deinem Mitarbeiterkreis?
Es gibt pro Abgeordneten einen Mitarbeiter bei ihm im Wahlkreis, darüber hinaus haben wir hier im Landtag, anders als im Bundestag, Referenten für die verschiedenen Themen. Da ich mich zum Beispiel mit den Finanzen beschäftige, habe ich eine Referentin, die diesbezüglich für mich arbeitet. Durchschnittlich arbeite ich mit 4-5 Mitarbeitern regelmäßig zusammen. Die arbeiten aber nicht alle nur für mich, sondern auch teilweise für andere Abgeordnete. Im Bundestag haben die Abgeordneten ja ihre Büros mit drei, vier Leuten in Berlin, und dann nochmal zwei im Wahlkreis. So ist das bei uns nicht, da sind wir ein bisschen schlechter ausgestattet.

Welche Rolle spielst Du im politischen Kurs deiner Fraktion?
Dadurch dass, ich mich um die Finanzen und den Haushalt kümmere, sowie stellvertretender Fraktionsvorsitzender bin, bin ich an vielen Themen mitbeteiligt. Gerade wegen der Finanzen- vieles kostet Geld, das heißt, ich kann immer mitreden und mitentscheiden. Denn wenn die Finanzierung nicht steht, hat man ein Problem. Daher hat meine Arbeit eine sehr koordinierende Funktion, da beim Thema Finanzen alle anderen Themen zusammenlaufen. Das ist auf jedenfall etwas, was mir sehr viel Spaß bringt.

Hast Du als junger Abgeordneter das Gefühl, dass langjährige Politiker_innen Dich nicht richtig ernst nehmen bzw. respektieren?
Ich bin 2009, also mit 23, ins Parlament gewählt worden- krass, das ist schon fünf Jahre her (lacht)- und da war es definitiv so, da ich auch der Jüngste war und es vorher kaum junge Leute im Parlament gab, jedenfalls niemanden unter 30. Zu dem Zeitpunkt sind von der Linkspartei Luise Amtsberg, die ja jetzt für uns, die Grünen, im Bundestag sitzt, ich, und noch zwei von der FDP in den Landtag gewählt worden, und da hat man dann schon gemerkt, dass die älteren Kollegen eher skeptisch waren.
Aber du musst dich dann inhaltlich beweisen. Wenn du das schaffst, und die Leute merken, dass das, was du sagst und wofür du stehst, Hand und Fuß hat und schlüssig ist – auch wenn sie nicht deiner Meinung sind – dann wirst du akzeptiert. Deshalb habe ich diesbezüglich eigentlich eher positive Erfahrungen gemacht.

Hast Du das Gefühl, du warst an einer Veränderung bereits aktiv beteiligt?
Ja, an einigen. Zum Beispiel an dem Aktionsplan gegen Homophobie, von dem ich eben schon erzählt habe. Doch wir haben jetzt zum Beispiel auch schon zweimal den Haushalt verabschiedet, wo wir festlegen, für welche Dinge das Land im nächsten Jahr Geld ausgeben soll, und da gab es viele unterschiedliche Projekte. Zum Beispiel die Förderung von FÖJ (Freiwilliges Ökologisches Jahr)- Plätzen. Außerdem haben wir Sozialkürzungen, die Schwarz-Gelb beschlossen hat, bei Frauenhäusern beispielsweise, rückgängig gemacht: Damit die Frauenhäuser wieder Geld bekommen, um Frauen zu helfen, die unter Gewalt leiden. Das ist eben alles über den Haushalt passiert, den habe ich für unsere Fraktion zusammen mit unseren Fraktionsvorsitzenden und unserer parlamentarischen Geschäftsführerin  verhandelt. Das ist dann auch relativ konkret. Ein anderes Beispiel wären Beratungszentren gegen Rechtsextremismus, die vor Ort in fünf Regionen in Schleswig-Holstein arbeiten und auch in Schulen Projekte durchführen sollen, um Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus vorzubeugen. Das haben wir vor eineinhalb Jahren beschlossen, und vor einem halben Jahr war ich bei der Eröffnung eines dieser Beratungszentren in Flensburg und das hat mich dann auch besonders gefreut, da es eine gute Sache ist und man wirklich sieht: Das konnte nur möglich gemacht werden, weil wir im Landtag dafür Gelder bereitgestellt haben.

Und die letzte Frage: Entspricht deine bisherige Laufbahn deinem eigenen Plan, bzw. welche sind deine zukünftigen Ziele?
Ich glaube, dass man so etwas nicht planen kann und auch nicht planen sollte. Ich habe jetzt nicht nach dem Abi gesagt „in fünf Jahren bist du im Landtag“, deshalb ist vieles zufällig so gekommen, aber es macht mir auf jedenfall Spaß. Und es ist die richtige Entscheidung gewesen, so kann man das schon sagen. Aber genau dasselbe gilt auch für die Zukunft: 2017, da ist das nächste Mal Landtagswahl, das ist ja auch noch ein bisschen hin. Ob ich da dann nocheinmal antrete, weiß ich aus jetziger Sicht gar nicht. Ich kann mir nämlich auch vorstellen, mal für einen Verband zu arbeiten. Also ich will auf jedenfall weiterhin etwas Politisches machen, aber man kann ja auch bei Amnesty oder einer Gewerkschaft arbeiten, und dann auch gute und wichtige Dinge bewegen. Es gibt da nicht so einen festen Plan, und ich finde, man sollte auch nicht zu lange im Parlament sitzen, das ist auch nicht gut; man muss auch einmal etwas anderes machen, weil man dort schon einen sehr speziellen Alltag hat. Deshalb weiß ich das alles noch nicht genau, frag mich in drei Jahren nochmal (lacht).

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Deinen politischen Werdegang!

]]>
http://ths-pressident.de/abgeordneter-landtag/feed/ 0
“Einzig Wert ist das Wohl der Schüler!” http://ths-pressident.de/verein-der-freunde/ http://ths-pressident.de/verein-der-freunde/#comments Thu, 01 May 2014 14:00:03 +0000 http://ths-pressident.de/?p=12044 Ein Interview mit dem neuen Vorsitzenden des “Verein der Freunde”.

Pressident-Redakteure Sophie (7b) und Nick (Ef) führten das Gespräch:

Pressident: Hallo Herr Jung! Wir möchten uns erst mal bei Ihnen und Ihrem Verein bedanken, dass Sie uns Schülern und unserer Schule viele Dinge durch den Verein und das gesammelte Geld ermöglicht haben, wie zum Beispiel die Aulaausstattung. Können Sie uns zunächst einmal den Verein kurz vorstellen?

Jung: Den Verein der Freunde gibt es seit Mai 1968. Er hat seit jeher die Aufgabe, mit Fördermitteln, die durch den Mitgliedsbeitrag der Mitglieder sowie Spenden eingenommen werden, Projekte und Veranstaltungen, aber auch fehlendes Material zu finanzieren beziehungsweise zu unterstützen. Dadurch wird der Schulalltag der Schülerinnen und Schüler bereichert.

Pressident: Greift der Verein noch über die Schule hinaus?

Jung: Der Verein ist nur auf die Theodor-Heuss-Schule bezogen und fördert auch nur diese. Es werden auch keine Personen gefördert, die hier im Schulalltag wichtig sind, sondern es wird einzig Wert auf das Wohl der Schüler gelegt.

Pressident: Besteht der Verein nur aus Eltern und Lehrern?

Jung: Nein. Ich weiß, dass Großeltern und ehemalige Lehrer zu unseren Mitgliedern zählen. Zurzeit haben wir 325 Mitglieder.

Pressident: Wir haben uns die Mitgliederzahlen von 2011 und heute angeschaut, welche von 404, in 2011, auf 322, heute, gesunken sind. Machen Sie sich Sorgen oder ergreifen bestimme Maßnahmen?

Jung: Maßnahmen versuchen wir schon zu ergreifen, indem wir versuchen mehr Eltern zu motivieren, Mitglied zu werden. Die meisten Eltern treten dem Verein bei, wenn ihr Kind in die fünfte Klasse kommt und treten aus, wenn ihr Kind die Schule wieder verlässt.

Pressident: Wer entscheidet denn wofür das Geld ausgegeben wird, mit dem Sie unserer Schule zu Gute kommen?

Jung: Am Anfang des Jahres werden Aufforderungen ausgehängt, Förderanträge einzureichen. Die werden dann in der jährlichen Mitgliederversammlung, die im 1. Quartal jedes Jahres stattfindet, vorgestellt und auf der dann vom Vorstand und den zehn Kuratoren entschieden wird, wie weit die Anträge angenommen werden oder ob sie komplett abgelehnt werden. Manchmal können wir sie nur unter bestimmten Bedingungen akzeptieren, das hängt von den Mitteln ab, die zur Verfügung stehen. Danach wird durch Abstimmungen entschieden.

Pressident: Wer darf alles Förderanträge stellen und Ideen einbringen?

Jung: Förderanträge können grundsätzlich von allen Beteiligten gestellt werden und das sind nicht nur die Mitglieder des Vereins und die Mitglieder des Lehrerschaft, sondern auch die Schüler. Die Entscheidung über die Förderanträge trifft der Vorstand (drei Eltern, ein Lehrer) und die zehn Kuratoren (fünf Eltern, fünf Lehrer). Anwesende Mitglieder, Antragsteller und Gäste sind hier nicht abstimmungsberechtigt. Es hat sich zwischenzeitlich ergeben, dass eine Lehrerin nächstes Jahr als Kuratorin zurücktreten möchte. Damit ergibt sich für mich hier die Aufgabe, schon jetzt im Vorfeld die Mitglieder anzusprechen, ob nicht jemand diese Aufgabe ab 2015 übernehmen möchte. Dies wird zum Beispiel Inhalt der „Info über Mitgliederversammlung 2014“ sein, die noch in Arbeit ist.

Pressident: Woher bekommen Sie das Geld?

Jung: Hauptsächlich sind es die Mitgliedsbeiträge, aber wir bekommen auch Spenden von Schülern. Wir haben vor Kurzem eine Spende von der VR Bank bekommen, auch zweckgebunden. Zum Teil bekommen wir auch Spenden durch bestimmte Veranstaltungen, wie etwa das Sextaner-Grillen oder die Cafeteria.

Pressident: Wie lange dauert eine Ihrer Mitgliederversammlungen?

Jung: Das hängt von den Anträgen ab, wir haben dieses Jahr tatsächlich bis zehn Uhr zusammen gesessen. Meistens sind es bis zu zwei Stunden.

Pressident: Gibt es eine Möglichkeit sich als Schüler in dem Verein zu engagieren?

Jung: Das erste Engagement wäre, seine Eltern zu einer Mitgliedschaft zu bewegen. Dann können Schüler versuchen Werbung zu machen und natürlich Geld durch genannte Veranstaltungen sammeln.

Pressident: Der Verein und die Schule sind zwei Institutionen. An wen muss ich mich wenden, um Mitglied zu werden? 

Jung: Man kann das Formular für die Mitgliedschaft im Sekretariat abgeben und das landet dann bei mir oder Frau Schwartz.

Pressident: Was nehmen Sie sich für das nächste Jahr vor?

Jung: Ein strikteres Vorgehen, bei den Förderanträgen. Und wir wollen, das die Anträge exakter formulieret werden. Das heißt, es ist uns wichtig, dass die Anträge detaillierter geschrieben werden, damit wir von vornherein wissen, was die Schüler und Lehrer benötigen.

Pressident: Sind auch Gelder für die Schulsanierung, also für die Außenfassade eingeplant oder Sonstiges eingeplant?

Jung: Nein. Das ist die Aufgabe des Schulträgers, der Stadt Pinneberg. Wir versuchen durch Raumaustattungen und andere Hilfen die Situation der Schülerinnen und Schüler zu verbessern.

Pressident: Vielen Dank für das Gespräch und, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben, Herr Jung.

 

Der Verein der Freunde auf der THS-Website:

http://www.ths-pinneberg.de/wordpress/verein-der-freunde/

Mitgliedsanträge gibt es im Sekretariat oder ebenfalls auf der Schul-Website:

http://www.ths-pinneberg.de/wordpress/wp-content/uploads/2013/02/Beitrittserklärung2.pdf

]]>
http://ths-pressident.de/verein-der-freunde/feed/ 0
Der Mann der vielen Geschichten! http://ths-pressident.de/der-mann-der-vielen-geschichten/ http://ths-pressident.de/der-mann-der-vielen-geschichten/#comments Sat, 26 Apr 2014 13:14:14 +0000 http://ths-pressident.de/?p=11994 Pressident hat den ehemaligen Lehrer zu Hause besucht!

Jahrzehnte lang war er das Urgestein unserer Schule. Michael Horn-Antoni ist die Legende der THS. Seit Januar 2013 jedoch genießt er seinen Ruhestand. Er hat immer viel zu erzählen. Das war früher während seiner Lehrertätigkeit so und ist, wie wir bei unserem gemeinsamen Treffen merken, immer noch der Fall. Eigentlich wollten wir mit ihm nur über unsere Schülerzeitung sprechen, aber das war natürlich nicht möglich. Denn wer so viel zu erzählen hat, dem möchte man ja auch zuhören. Und das haben wir getan und schreiben das Erzählte jetzt einfach hier auf.

Monty Don, ein britischer Fernsehmoderator der BBC, marschiert für seine Sendung durch die schönsten Gärten Frankreichs. Dort macht er immer wieder neue Entdeckungen, erkundet das Land und erfreut sich über das grüne Spektakel, was ihm hier und dort geboten wird. Und immer wenn das passiert, sitzt Michael Horn-Antoni zusammen mit seiner Frau vor dem Fernseher und ist bestens gelaunt. Warum? Nein, es faszinieren ihn nicht etwa die schönen Gärten, die dort gezeigt werden. Die interessieren nämlich größtenteils nur seine Frau. Es ist der sympathische Mann aus England, welcher den Zuschauer durch die Sendung führt. Horn-Antoni erzählt, dass Moderator Monty Don ihn immer an unseren Schulleiter Herrn Beimel erinnern würde. Beide seien immer so fröhlich und glücklich. Und vom Aussehen her hätten sie auch eine gewisse Ähnlichkeit.

38 Jahre war er Lehrer an unserer Schule. Natürlich hat man da neben den Erinnerungen an unseren Schulleiter noch etliche, gar tausende andere Momente im Gedächtnis, die man so schnell nicht vergisst. Jedes Jahr kommen neue Schüler und Kollegen. Da würde einem nie langweilig werden. Das ist immer das Schöne an seinem Job gewesen, erzählt er. Die meisten seiner Schüler begleitete er von der Einschulung in die Orientierungsstufe bis zum Abitur. So habe man zu fast jedem Schüler irgendeine Erinnerung. Auch erzählt er, dass bei vielen schon während der Schullaufbahn klar gewesen sei, womit sie später ihr Geld verdienen würden. Natürlich gab es auch Überraschungen. So erlebte er einmal, wie einer seiner ehemaligen Schüler im Alkohol unterging und auf der Straße landete. Das wäre aber der einzige richtige negative Fall, der ihm in 38 Jahren begegnet sei. Die meisten Erinnerungen seien positiv. Er erzählt von einem Jungen, der kurz nach dem Abitur seine Computersoftware verkaufte und damit so viel Geld verdiente, dass er kurzerhand auswanderte. Auch erzählt er von einem kleinen Schüler, in seiner Schulzeit sehr still und schüchtern, der zur Zeit im Vorstand einer bekannten deutschen Versicherung sitzt und täglich mit Summen hantiert, die für ihn einen unvorstellbaren Wert hätten. Einen Fall müssen wir aber noch hervorheben: Michael Westphal galt in den 1980er als größtes deutsches Tennistalent. Er belegte einen Platz in der Top 50 der Weltrangliste und hatte eine Karriere à la Boris Becker vor sich. Im Jahre 1991 verstarb er an AIDS. Horn-Antoni erzählt, wie er ihn eines Tages zufällig im Bus traf. Westphal war auf dem Weg zum Rothenbaum, dort wo sich das berühmte Tennisstadion und die Zentrales des Deutschen Tennis Bundes befindet, um dort für ein internationales Turnier in Asien zu trainieren. Zu unserer Verwunderung sagt Herr Horn-Antoni auch noch, dass sich jeder Lehrer für jeden seiner Schüler interessiere. Wir selbst teilen diese Ansicht zwar nicht und haben auch manchmal das Gefühl, dass wir den Lehrern eigentlich relativ egal sind. Aber wer Herr Horn-Antoni nicht glaubt, sollte sich nur dieses Zitat von ihm zu Herzen nehmen: “Natürlich interessieren sich die Lehrer für ihre Schüler. Immer und überall. Stellt euch vor, die Schüler wären alle tot. Was sollen die Lehrer denn dann machen? Die wären alle arbeitslos. Das geht doch nicht.” Da wird wohl was Wahres dran sein.

Viele, von Schülern geschaffenen, Arbeitsgruppen, wie zum Beispiel der Chor oder frühere Schülerzeitungen haben sich von selbst erfolgreich aufgebaut. Aufgrund von schlechter Nachwuchsplanung sind diese jedoch nach kurzer Zeit des Erfolges wieder eingegangen. Das hat Herr Horn-Antoni immer wieder beobachten können. Daran sehe man, dass Nachhaltigkeit immer und überall wichtig ist. So sollten wir als THS-Pressident auch auf unsere Nachwuchsplanung achten, denn schließlich möchte er unsere Schülerzeitung noch lange  lesen. Als wir Herrn Horn-Antoni auf eine andere Art der Nachhaltigkeit ansprechen, nämlich der baulichen Entwicklung unserer Schule, kommt er aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus. Wörter wie “katastrophal” oder “grausam” fallen. Auf die Frage, wer oder was hier die Fehler begangen hat, will er nicht antworten. Er sagt nur so viel: Hätte man in den 60er Jahren verantwortungsvoller gebaut, also mit mehr Nachhaltigkeit, wäre die Situation heute bestimmt nicht allzu “katastrophal” und “grausam”.

Als im Jahre 1997 Prinzessin Diana in Paris bei einem Autounfall tödlich verunglückte und sich die Medien auch noch Monate danach an Verschwörungstheorien die Zähne ausbissen, nutzte Herr Horn-Antoni die Gunst der Stunde und schrieb für die damalige Schülerzeitung unserer Schule einen Gastbeitrag. In diesem setzte er eine neue, völlig erfundenen Verschwörungstheorie in die Luft. So war in diesem Artikel plötzlich die Popband “The Beach Boys” die Verursacher des Autounfall. Er schaffte es in wenigen Zeilen, mit seiner erfundenen Geschichte die ganze Schule zu verwirren. Und so kam es dazu, dass viele Schüler ihn dazu aufforderten, die Geschichte weiterzuschreiben. Das geschah allerdings nie.

In der heutigen Zeit fühlt sich Herr Horn-Antoni nur teilweise zu Hause. Er lebt nach eigener Aussage in einer “Parallelwelt”. Das ganze Digitale sei ja schön und gut, er würde das Internet ja auch nutzen. Aber ein bisschen altmodisch soll man schon noch sein. Neben seinem digitalen besitzt er nämlich auch noch ein analoges Archiv. Ganz altmodisch und traditionell im eigenen Keller. Er vermisse bei vielen die Erhaltung der alten Werte. Einfach mal ein Gespräch führen, ohne dabei ein Smartphone in der Hand zu halten. Verständlich, wie wir finden. Im Besitz des eben erwähnten Smartphone ist er nicht. Er selbst hat noch ein altes Handy mit Tasten, welches er kaum benutzt. Meistens lässt er es sogar zu Hause, wenn er irgendwo hinfährt. Er genießt lieber die Ruhe und will nicht überall erreichbar sein.

Die freie Zeit, die ihm sein Ruhestand jetzt ermöglicht, nutzt er vor allem um zu reisen. Fünf Reisen sind es jetzt schon seit Ende seiner Arbeitszeit. Im vergangenen Jahr war er schon einmal lange im Frankreich. Da fährt er diesen Frühling auch wieder hin. Er besucht einen alten Freund, der Musiklehrer in Paris ist. Außerdem spielt er in seinen freien Zeit ab und zu mal auf einer Orgel und hat in letzter Zeit auch schon mehrere Konzerte gegeben. Am meisten schätzt er am Ruhestand jedoch die Entscheidungsfreiheit. Er kann einfach machen, was er will, einfach verreisen, wann er will und vor allem: schlafen so lange er möchte. In seiner Zeit als Lehrer ist er jeden Abend um 22:30 Uhr ins Bett gegangen, um dann am nächsten Morgen um 6:00 Uhr aufzustehen. Seitdem er aber in Rente ist, hat er seinen Bio-Rhythmus um drei Stunden nach hinten verschoben. Ins Bett geht er jetzt erst um 02:00 Uhr und schläft dementsprechend am nächsten Morgen auch deutlich länger – bis 10:00 Uhr.

Herr Horn-Antoni hat jetzt erstmal wieder Zeit, neuen Gesprächsstoff zu finden. Das Wichtigste ist jetzt hier aufgeschrieben. Als wir uns von ihm, seiner Frau und dem gemeinsamen Hund Ilse verabschieden, hat er uns ein neues Gespräch im nächsten Jahr bereits zugesichert. Bis dahin wird er weiterhin die Menschheit mit seinem kritischen Blick betrachten, neue Orte auf der Welt kennenlernen und irgendwann wird er erfahren, dass Herr Beimel in seinem ersten Leben mal Moderator bei der BBC war und für seinen Job durch französische Gärten stolziert ist. Da sind wir uns ganz sicher.

Horn-Antoni wie er lacht und lebt!

]]>
http://ths-pressident.de/der-mann-der-vielen-geschichten/feed/ 0
Wie alles begann… http://ths-pressident.de/interview-mit-tim-hoenig/ http://ths-pressident.de/interview-mit-tim-hoenig/#comments Tue, 08 Apr 2014 15:50:19 +0000 http://ths-pressident.de/?p=12157 Der frühere Chefredakteur Tim (o. l.) und die neue Chefredaktion!

Wie Euer und unser Pressident entstand – Gründer Tim im Interview!

Unsere Schülerzeitung “Pressident” gibt es nun schon seit mehreren Jahren. Ihr Gründer Tim Hoenig macht jetzt sein Abitur und wird die Schule dann verlassen. Wir nutzten die Gelegenheit, dass er noch hier ist, um ein Interview  mit ihm zu führen und zu erfahren, wie er “Pressident” gegründet hat und was sein Weg zum Erfolg war.

Pressident: Wir fangen am besten mal ganz vorne an, bei der Ursprungsidee, bei den Ursprungserwartungen. Du kannst ja mal ein bisschen erzählen; wann, wie und warum hast du angefangen mit dem Gedanken zu spielen, eine Schülerzeitung zu gründen?

Tim: Also der Gedanke, der ist so ungefähr, als ich in der neunten Klasse war, entstanden, und der wurde auch relativ schnell umgesetzt. Ich saß dann mit vier Mitschülern aus meiner Klasse zusammen, und wir haben so ein bisschen rumgealbert und die Idee fallen lassen, eine Schülerzeitung zu gründen. Dann waren wir begeistert von der Idee und haben uns ziemlich schnell an die Umsetzung gemacht. Wir sind dann aber zunächst die ersten Monate nur online erschienen, das hatte nämlich den enormen Vorteil, dass wir gleich, wenn wir was geschrieben hatten, das auch veröffentlichen konnten, und quasi gleich so ein erstes Ergebnis hatten. Es hat also nicht erst mal monatelang gedauert, bis die Artikel dann endlich im ersten Print-Produkt erschienen sind, sondern dass wir dann gleich diesen dualen Weg gegangen sind – Online und Print; Die Schülerzeitung also multimedial zu vermarkten.

Pressident: Jetzt sagst du: “Wir sind erst mal nur online gegangen”, aber auch für den Schritt online gehen, benötigt man Kentnisse, Wissen und auch so ein bisschen das Know-how.

Tim: Ja, stimmt. Also ein paar Vorerfahrungen hatte ich, und was den Rest angeht: Learning by doing. Und ich glaube, mittlerweile haben wir unsere Website viermal von Grund auf neu gemacht, also komplett das alte Design oder die alte Struktur über den Haufen geworfen und dann eine neue gemacht, und das waren halt immer gewisse Lernprozesse. Wir haben uns gefragt, was läuft gut, was läuft schlecht, und wie machen wir das besser.

Pressident: Wie findest du denn unsere neue Website?

Tim: Super! Schöne Farben, gutes Design.

Pressident: Was war denn das erste richtige Hindernis auf dem Weg zur Schülerzeitung?

Tim: Also prinzipiell haben wir relativ viel Unterestüzung erfahren; das erste große Hindernis würde ich sagen war, einen Bekanntheitsgrad zu erlangen. Mittlerweile ist es ja doch so, dass jeder “Pressident” als Marke irgendwie kennt, und auch dadurch, dass wir häufiger in den Zeitungen standen und die Leute auch dadurch angesprochen werden. Aber dieses erste Hindernis, von der Idee zur eigentlichen Arbeit zu kommen und dazu zu kommen, dass man mit diesem Namen “Pressident” auch was anfangen kann. Ja und darüber hinaus natürlich auch immer wieder kleine Hindernisse, manchmal wurden Sachen zu spät fertig oder es fehlte mal was. Aber im Großen und Ganzen haben wir, wir waren ja damals fünf Leute, relativ viel Unterstüzung erhalten.

Pressident: Seid ihr dann eigentlich zum Schulleiter gegangen, und habt gesagt, dass ihr eine Schülerzeitung gründen wollt und habt auch da um Unterstützung gebeten, oder wie sah das aus?

Tim: Vom Prinzip her waren wir unabhängig davon, haben uns auch finanziell sofort auf eigene Beine gestellt, haben uns also Sponsoren gesucht. Relativ viel hat der Schulleiter von der Gründung gar nicht mitbekommen, wir fünf haben uns einfach Termine zum Treffen vereinbart, aber mitgeteilt haben wir es ihm natürlich. Ich denke, er hat sich auch gefreut, dass wir eine Schülerzeitung gründen wollten, aber ich glaube, er hat damals nicht erwartet, dass das Ganze so viele Jahre stand hält und doch relativ viel Erfolg hat.

Pressident: Wie war das denn als ihr die ersten Male zusammensaßt? Hattet ihr da schon so große Erwartungen und habt gesagt, dass es cool wäre, bekannt zu werden? Oder was war eure Grundintention?

Tim: Nee, also wir haben tief gestapelt und versucht erst mal anzufangen, ohne hohe Erwartungen. Und die Grundintention war zum einen, die Kommunikation in der Schule zu verbessern, so dass wir über ein paar Dinge berichten können, und zum anderen, das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen komisch an, aber die zweite Intention war auch, dass wir den Schülern damit bieten wollten, sich journalistisch zu engagieren, sich auszuprobieren und einfach journalistische Erfahrungen zu sammeln.

Pressident: Wie fängt man an, wenn man jetzt so eine Print-Ausgabe machen möchte; das kostet ja auch einiges an Geld. Wie geht man denn da am Anfang an die Anzeigekunden ran, und was antworten die, wie ist da die Reaktion? Sagen die gleich “Ja gerne” oder sagen die eher “Nee, euch kennt man ja gar nicht, das bringt mir ja nichts”?

Tim:  Es gab da natürlich immer wieder Rückschläge, klar. Nicht jedes Unternehmen, das man anspricht, will eine Anzeige buchen. Aber wir hatten in unserer ersten Ausgabe ungefähr vier Werbepartner, inzwischen haben wir über die Jahre viel mehr Werbepartner. Naja, damals haben wir mit vier Werbepartnern gestartet, relativ günstig, weil der Druck ja auch ziemlich günstig war; die erste Ausgabe hatte ja, glaube ich 26 Seiten und es gab nur eine geringe Auflage. Wir hatten bei den Anzeigekunden am Anfang natürlich auch Glück, dass die uns vertraut haben, Das ist ja auch nicht selbstverständlich, wenn da ein 15jähriger Schüler ankommt und sagt “Ich hab hier mal so eine Idee”, dass die dann begeistert sind und einen dreistelligen Betrag anbieten.

Pressident: Wann habt ihr denn begonnen, den Rahmen zu vergrößern, also die Redaktion zu erweitern usw.?

Tim: Ja, also wir haben versucht, ständig zu wachsen, immer wo es gerade ging. Bei der ersten Auflage hatten wir 300 Ausgaben, was ja für 1000 Schüler gar nicht so viel ist, nicht mal ein Drittel, und wir haben sie ja kostenlos verteilt, muss man ja auch bedenken, und dann ist letztendlich die Hälfte davon im Sekretariat liegen geblieben. Dann haben wir versucht, das Ganze bekannter zu machen, und waren damit irgendwann so erfolgreich, dass die Sekreterinnen sich beschwert haben, dass ständig die Tür im Sekretariat auf und zu ging, weil alle die Zeitung haben wollten. Daraufhin haben wir dann zum Beispiel unsere Auflage vergrößert. Und so ähnlich ist das auch mit der Redaktion, wir haben mit fünf Leuten angefangen, und haben dann, als wir bekannter wurden, auch mehr Werbung gemacht. Mit so einem großen und starken Team wie wir dann irgendwann geworden sind, kann man natürlich auch viel mehr schaffen.

Pressident: Hattest du zwischendurch mal Phasen, in denen du daran gezweifelt hast, ob das weiter so gut läuft und überhaupt alles klappt?

Tim: Es wäre für mich nicht schlimm gewesen, wenn das ganze Projekt nicht geklappt hätte, weil es trotzdem eine Erfahrung gewesen wäre. Aber vom Prinzip her bin ich nicht mit der Einstellung rangegangen, dass es nicht klappen könnte, sondern damit, dass wir einfach versuchen, was geht.

Pressident: Nochmal zur Bekanntheit: Was war denn eigentlich die erste große Auszeichnung, also was hat der Schülerzeitung damals richtig geholfen, bekannt zu werden?

Tim: Der erste große Bekanntheitsschritt war definitiv unsere erste SPIEGEL-Auszeichnung. Die wurde ja sowohl in der Zeitung als auch vom SPIEGEL selbst gut vermarktet, und das hat uns sehr geholfen. Die Auszeichnung kam ja auch schon ziemlich bald nach der Gründung unserer Schülerzeitung.

Pressident: Wie war es denn, bei der Auszeichnung  zum ersten Mal auf andere erfolgreiche Schülerzeitungen zu treffen? Findet da ein Ideenaustausch statt?

Tim: Definitiv. Man kommt natürlich ins Gespräch und bleibt auch längerfristig im Kontakt. Das sind ja alles Menschen, die ähnliche Interessen haben wie man selbst und die auch sehr engagiert sind.

Pressident: Wann kam denn überhaupt die Idee, die Zeitung “Pressident” zu nennen?

Tim: Also es war nicht so, dass wir irgendwie mehrere Vorschäge hatten, aus denen wir auswählen konnten. Das Wortspiel darin ist ja bekannt, und wir fanden dieses Wortspiel damals ganz nett. Am Anfang hat sich das Wort “Pressident” zwar noch ein bisschen umständlich angehört, aber als wir dann bekannter wurden, wurde das zu einem eigenen Wort, das jeder kannte; so bin ich jetzt im Nachhinein eigentlich ganz zufrieden mit der Wahl.

Pressident: Was war die schönste Resonanz, die du für die Schülerzeitung erhalten hast?

Tim: Das schönste Lob, das man bekommen kann, ist eigentlich immer das von denen, für die man die Schülerzeitung macht, also von den Schülern. Das bekommt man gar nicht so häufig, aber wenn, dann ist es natürlich umso schöner.

Pressident: Wenn du auf die ganze Zeit zurückblickst, gibt es da Dinge, die du heute anders machen würdest? Also mal abgesehen von kleinen Fehlern, die man natürlich macht?

Tim: Ganz bestimmt, ja. Ganz viele sogar. Aber ich bereue diese Entscheidungen insofern nicht, da wir aus den Sachen gelernt haben.

Pressident: Ist es dir denn letztes Jahr schwergefallen zu sagen, dass du die Arbeit loslässt?

Tim: Schwergefallen ist es mir schon, ja. Aber ich glaube, es war der richtige Weg. Vor allem dass ich ein Jahr früher die Arbeit abgelegt und in andere Hände gelegt habe, war denke ich eine gute Entscheidung, auch wenn ich gerne noch weiter gemacht hätte. So war ich jetzt für Notfälle noch ein Jahr lang vor Ort und konnte auch miterleben, wie die Schülerzeitung weiterläuft, was für mich persönlich ein tolles Erlebnis war und ist.

Pressident: Und was denkst du jetzt so über die Schülerzeitung, wo du nicht mehr selbst dabei bist?

Tim: Ich bin vor allem echt stolz, dass es die Schülerzeitung durch euch weiter gibt. Denn ihr könnt euch vorstellen, wenn man etwas gründet und da sehr viel Zeit und Arbeit reinsteckt, ist es sehr schade, wenn das nicht weitergeht, sondern sich auflöst. Und ich muss sagen, ihr macht das deutlich besser, als ich es zu den Gründungszeiten gemacht habe. Fehler sind mir ständig passiert, und die passieren auch euch, aber das Ziel ist es, immer weiter zu machen und nie aufzugeben.

Pressident: Kannst du jedem Schüler empfehlen, in die Schülerzeitung einzutreten?

Tim: Auf jeden Fall. Man lernt hier sehr viel, und sammelt unglaublich viele Erfahrungen. Und das ist halt nicht nur die Erfahrung, mal der Bundeskanzlerin die Hand zu schütteln oder einen Preis zu gewinnen, sondern es ist auch die Erfahrung, sich sozial zu engagieren, und ehrenamtlich mit anderen Menschen, die ähnlich denken wie du und ich, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen. Und das ist eine Erfahrung, die ich jedem nur empfehlen kann.

Pressident: Dann danken wir dir für das Gespräch und wünschen dir natürlich alles Gute für deine Zeit nach der Schule!

 

 

 

 

 

 

]]>
http://ths-pressident.de/interview-mit-tim-hoenig/feed/ 0
Vorreiterland? http://ths-pressident.de/interview-wende-inklusion-sh/ http://ths-pressident.de/interview-wende-inklusion-sh/#comments Fri, 10 May 2013 13:42:44 +0000 http://ths-pressident.de/?p=9841 Die Inklusionsquote ist in Schleswig-Holsteins Schulen mit 60% sehr hoch. Trotzdem existiert hierzulande noch Nachholbedarf. Bildungsministerin Waltraut ‘Wara’ Wende erzählt im Interview, dass die Quote nur die eine Seite der Medaille ist und es vor allem auf die Qualität des Unterrichts ankommt.

Pressident: Wir möchten über Inklusion reden. Inklusion, das hört sich fast so an wie Illusion.

Waltraut ‘Wara’ Wende: Ist aber keine. Zunächst kann Schleswig-Holstein stolz darauf sein, dass wir eine hohe Inklusionsrate im Vergleich zu den anderen Bundesländern haben.

Pressident: Schleswig-Holstein hat eine Inklusionsquote von knapp 60% und belegt damit einen Spitzenplatz im bundesweiten Vergleich. Möchten Sie diese Zahl weiter erhöhen?

Wende: Erst einmal nicht. Meine Auffassung ist, dass wir quantitativ gut da stehen, aber qualitativ noch einiges geschehen muss. Andererseits gilt: Wenn wir die Situation in Schleswig-Holstein mit der Situation in anderen Bundesländern vergleichen, dann brauchen wir uns auch auf der qualitativen Ebene mit unseren Leistungen nicht verstecken, wir sind auf einem guten Weg.

Pressident: Andere Bundesländer gehen den Weg, dass sie diese Quote nicht exorbitant steigern, sondern versuchen, für weniger Inklusionsschüler einen qualitativeren Unterricht anbieten.

Wende: Dass wir Inklusion umsetzen wollen, war immer klar. Hätte man mich aber zu Beginn der Entwicklung gefragt, dann wäre ich die Situation intelligenter angegangen (Anm. der Red.: Wende ist seit 12. Juni 2012 im Amt). Das bedeutet, dass ich erst einmal die Rahmenbedingungen geschaffen hätte – zum Beispiel durch die entsprechende Qualifizierung der Lehramtsstudenten – um dann nach und nach in den Schulen mit der Inklusion zu beginnen. Ein Problem, das wir aktuell haben, ist nämlich, dass sich viele Lehrer und Lehrerinnen mit der Thematik alleingelassen und überfordert fühlen.

Pressident: Die jetzigen Lehrkräfte hört man darüber klagen, dass sie überfordert seien.

Wende: Ja, und weil dem so ist, benötigen wir nicht nur eine Reform des Lehramtsstudiums, sondern auch gute Weiterbildungsangebote für die Lehrerinnen und Lehrer, die bereits an unseren Schulen arbeiten. Wir können, weil die Situation so ist wie sie ist, nicht mehr darauf warten, bis die zukünftig anders ausgebildeten Lehrkräfte an unseren Schulen ankommen. Es muss schnell etwas geschehen. Das sind wir nicht nur unseren Lehrkräften, sondern auch und vor allem unseren Schülern und Schülerinnen mit und ohne Behinderung schuldig.

Pressident: Also ist die Inklusionsquote eher der falsche Messwert, um erfolgreiche Inklusion zu messen.

Wende: Es ist ein Balanceakt. Ich treffe mich regelmäßig mit ‘Praktikern’, Schulleitern und Schulleiterinnen, Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern, um die Stimmung vor Ort aufzunehmen. Generell finde ich jedoch, dass die Qualität der Inklusion wichtiger ist als die Quantität.

Pressident: Um die Qualität zu verbessern, bedarf es eine bessere Ausstattung der Schulen, zusätzliche Sozialpädagogen, mehr Lehrpersonal und kleinere Klassen. Das ist mit Geld verbunden, welches bekanntlich nicht gerne für Bildung ausgegeben wird.

Wende: Wir würden es sehr gerne ausgeben, aber wir haben es nicht. Einerseits stimme ich der Aussage zu, dass es finanzielle Mittel braucht, um die Situation an unseren Schulen zu verbessern, andererseits fehlt aber auch schlicht das Know-How. Ein Beispiel: Wir wollen zukünftig die Sonderpädagogen so ausbilden, dass sie nicht nur über sonderpädagogisches Fachwissen verfügen, sondern auch in einem Schulfach – beispielsweise in Deutsch, Englisch oder Mathe – Expertise erhalten. Dann hätten wir die Möglichkeit, so ausgebildete junge Menschen sowohl als Sonderpädagogen und Sonderpädagoginnen an den Förderzentren wie auch als Fachlehrer und Fachlehrerinnen an den Regelschulen einzusetzen. Damit wäre viel gewonnen.

Pressident: Sie behaupten aber im Gegensatz zu anderen Befürwortern schon, dass Inklusion auch sehr viel Geld kostet?

Bildungsministerin Wende im Gespräch mit den Pressident-Redakteuren Tim, David und Valentin (v.l.n.r.)

Wende: Inklusion kostet Geld, benötigt gute Rahmenbedingungen, und dazu gehört selbstredend mehr als lediglich die zuvor angesprochene Inklusionskompetenz auf Seiten der Lehrkräfte. Insbesondere dort, wo Inklusion gut läuft, sehen wir, dass durch die Schaffung von Barrierefreiheit und die Einstellung von Assistenzkräften zusätzliches Geld in die Hand genommen wurde.

Pressident: Kennen Sie überhaupt die Probleme der Schulen vor Ort?

Wende: Ich denke schon! Ich rede mit ganz vielen Betroffenen, mit Lehrkräften, Schülern und Schülerinnen und natürlich auch mit Eltern. Das beginnt bei der Barrierefreiheit der Schulgebäude, aber das beinhaltet natürlich auch die Rahmenbedingungen von Unterricht, der natürlich viel anstrengender ist, wenn man z.B. einen geistig behinderten Schüler in einer Klasse hat.

Pressident: Inklusion ist ein gesellschaftliches Thema. Es braucht eine allgemeine Akzeptanz und ein Bewusstsein der Mehrheit der Bürger, die ein solches Zusammenleben befürworten und anstreben. Inwieweit herrscht hier noch Nachholbedarf?

Zum Teil ja, zum Teil müssen wir aber den Menschen auch die Ängste vor der Inklusion nehmen. Ich war zehn Jahre in den Niederlanden und dort geht man anders mit der gleichen Thematik um. In Deutschland hat man jahrelang separiert und deshalb ist es für viele Deutsche schlichtweg ungewohnt, dass man es auch anders machen kann.

Pressident: Müssen den Menschen Berührungsängste genommen werden?

Wende: Ganz genau! Es gab vor vielen Jahren in meinem Leben eine Situation, wo ich meine eigenen Defizite in Bezug auf den Umgang mit Menschen mit Behinderung hautnah erlebt habe. Als ich zu Besuch in einem Krankenhaus war und dieses wieder verließ, kam mir ein Rollstuhlfahrer entgegen. Und ich wusste nicht, ob ich ihm jetzt helfen soll. Total unter Stress wollte ich freundlich sein, ihn aber auch nicht bevormunden  – ich bin damals nicht auf die simple Idee gekommen, ihn einfach zu fragen, ob er meine Hilfe wünsche. Dafür habe ich mich anschließend ziemlich geschämt.

Pressident: Es gibt Menschen, die das ganze System in Frage stellen. Auch der ARD-Film “Inklusion: Gemeinsam anders” kommt zu dem Schluss, dass Inklusion nicht immer praktizierbar ist.

Wende: Ich bin der Meinung, dass in einigen, sehr schweren Fällen, Inklusion nicht möglich ist. Wenn ich in Förderzentren unterwegs bin und auf Schüler mit erheblichen Behinderungen treffe, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass wir irgendwann einmal eine Inklusionsrate von 100% haben – zumindest nicht unter den jetzigen finanziellen Rahmenbedingungen.

Pressident: Zumal die meisten Lehrkräfte bereits jetzt überfordert sind.

Wende: Ich höre viel von Lehrkräften, die sich überfordert fühlen, und zwar unabhängig vom Thema Inklusion. Schulklassen sind nicht homogen, jeder Schüler und jede Schülerin ist anders – und darauf müssen sich die Lehrkräfte einstellen, sie müssen in der Lage sein, jede Schülerin und jeden Schüler individuell zu fördern und zu fordern, sie müssen in der Lage sein, eine Unterrichtsstunde binnendifferenziert anzulegen, nur dann ist Unterricht wirklich gut.

Pressident: Erzählen Sie das einem 50jährigen Lehrer, der seit 20 Jahren denselben Unterricht macht.

Wende: Es wird schwer. Deswegen ist Inklusion ein Thema, dass sozusagen ‘anwächst’ oder man könnte auch sagen, dass sich mit der Zeit ‘auswächst’.

Pressident: Wo liegen die Vorteile einer inklusiven Schule für die Schüler?

Wende: Zum einen nehmen die Berührungsängste ab. Zum anderen glaube ich, dass der Toleranzgedanke größer wird. Damit wir in die Köpfe bekommen, dass jeder Mensch anders ist und dass dies auch gut so ist. Aber auch die Hilfsbereitschaft ist ein wichtiger Faktor. Denn Schule ist nicht nur ein Ort, an dem Schüler intellektuell lernen, sondern an dem sie sich auch sozial entwickeln. Es geht immer um den ganzen Menschen, um seine intellektuellen genauso wie um seine sozialen und auch seine kreativen Potenziale.

Pressident: Ein Nachteil könnte sein, dass das Unterrichtsniveau sinkt.

Wende: Nur, weil man inklusiv arbeitet, heißt es nicht, dass das Unterrichtsniveau sinkt. Dieser Zusammenhang stimmt nicht.

Pressident: Es geht Zeit verloren, wenn Aussagen für hörgeschädigte Schüler wiederholt werden müssen. Dinge können nicht für die ganze Klasse erklärt werden.

Wende: Die Frage ist doch, ob Quantität das Wichtigste ist. In einer Lerngemeinschaft mit ganz unterschiedlichen Schülern profitieren die Leistungsschwachen von den Leistungsstarken, indem sie Lernstoff von ihnen vermittelt bekommen und es profitieren die Leistungsstarken von den Leistungsschwachen, indem sie lernen, Lernstoff zu vermitteln. Und nun könnte man sagen, die Schlauen verlieren doch Zeit, wenn sie den weniger Schlauen Dinge erklären, aber genau das ist zu kurz gedacht, denn auch die Schlauen profitieren vom Erklären: Man muss nämlich ein Thema schon sehr gut verstanden und durchdrungen haben, um es einem anderen Schüler näher zu bringen. Damit haben also beide etwas davon, die, die erklären und die, die etwas erklärt bekommen.

Pressident: Den Forderungen, dass die fachlichen Anforderungen des Unterrichts steigen sollten, damit Deutschland z.B. die PISA-Defizite aufholt, würden sie also nicht zustimmen?

Wende: Dem würde ich nicht zustimmen. Schauen Sie sich die Selbstmordrate in Japan an! Wir brauchen in der Schullandschaft mehr Gelassenheit und wir sollten den Schülern und Schülerinnen mehr Zeit lassen. Kreativität, Einfühlungsvermögen und Sozialkompetenzen sind mindestens genauso wichtig wie die Frage, ob jemand höhere Mathematik beherrscht.

Pressident: Würden Sie einem Lehrer jemals sagen: “Lassen Sie doch das letzte Thema, das im Lehrplan steht, weg. Wichtiger ist, dass die Schüler Sozialkompetenz lernen!”

Wende: Als ich noch Professorin war, habe ich zu Beginn eines jeden Semesters einen Seminarplan erstellt. Und ich bin fast immer von diesem Plan abgewichen, wenn ich z.B. gemerkt habe, dass der Kurs eine Thematik noch nicht richtig verstanden hatte. Gegenfalls bin ich dann mit den Inhalten nicht durchgekommen, aber ich wusste: Das, was wir gemacht haben, haben die Studierenden tatsächlich verstanden!

Pressident: Ist die Fortsetzung des Inklusionsgedanken eine Einheitsschule?

Wende: Einheitsschule würde ich so nicht sagen wollen. Der Begriff unterstellt, dass Schüler und Schülerinnen als uniform und entindividualisiert gedacht werden. Genau das aber darf nicht unser Ziel sein: Schüler und Schüler sind individuell, jeder ist anders als der andere, und es ist gleichwohl möglich, dass alle miteinander lernen. Aus diesem Grund bin ich für den Begriff Gemeinschaftsschule, hier wird das soziale Element, das Miteinander in der Schule betont.

Pressident: Was ist mit der Abschaffung der Gymnasien?

Wende: Viele Schüler und Lehrer wünschen sich die Gymnasien und schon deswegen möchte ich sie nicht abschaffen. Aber ich möchte die zweite Schulform, die Gemeinschaftsschule, zu einer ebenso leistungsstarken Schule entwickeln. Auch als Schüler oder Schülerin einer Gemeinschaftsschule kann man Abitur machen, nur eben auf einem anderen Weg, der deswegen aber kein schlechterer Weg ist, er ist nur eben anders. Beide Schulformen, Gymnasien und Gemeinschaftsschulen, sollen nebeneinander bestehen, pädagogisch unterschiedlich arbeiten, aber gleichwertig sein.

Pressident: Auch wenn die finanziellen Mittel nicht vorhanden sind, werden Sie vermutlich nicht einfach rumsitzen und nichts tun. Was machen Sie als Bildungsministerin, um die inklusive Situation zu verbessern?

Wende: Zum einen nehme ich – wie bereits erwähnt – großen Einfluss auf die Lehrerausbildung. Zum anderen werde ich mich in Kürze mit der Sozialministerin (Anm. d. Red.: Kristin Alheit, ehemalige Pinneberger Bürgermeisterin) zusammensetzen, um über Qualifizierungsmaßnahmen für Inklusionshelfer zu sprechen. Bislang kann jeder Inklusionshelfer werden, ohne jedwede Vorabschulung. Das sollten wir ändern. Gleichzeitig bemühe ich mich, gemeinsam mit den Schulministerinnen und Schulministerinnen der übrigen 15 Bundesländer um finanzielle Mittel vom Bund.

Pressident: Würden Sie sich wünschen, wenn Inklusion bundesweit von allen Ländern gemeinsam angegangen werden würde?

Wende: Das hört sich für manche Ohren möglicherweise sinnvoll an, alle Länder machen es so, wie Berlin es vorgibt, doch wer sagt uns, dass über zentrale Steuerung die besseren Lösungen gefunden werden. Jedes Land muss seinen Weg gehen und wir in Schleswig-Holstein müssen uns bei dieser Thematik nicht verstecken.

Pressident: Was ist mit einem Schüler, der von Schleswig-Holstein nach Niedersachsen umzieht? Kann er dort keine Regelschule mehr besuchen – Niedersachsen hat eine der schlechtesten Inklusionsquoten?

Wende: Sollen wir in Schleswig-Holstein deswegen weniger inkludieren? Das ist ein sehr gutes Beispiel, wir in Schleswig-Holstein müssen unseren eigenen Weg gehen, und sollten uns nicht durch andere Länder ausbremsen lassen.

Pressident: Man könnte einen gemeinsamen Konsens finden.

Wende: Nehmen wir das Bundesland Bayern als Beispiel. Dieses ist laut UN-Konvention genauso zur Inklusion verpflichtet wie wir und trotzdem findet Inklusion dort lediglich in Ansätzen statt. Gleichschritt im Konsens würde häufig Stillstand bedeuten, oder aber Gleichschritt in einem sehr, sehr langsamen Tempo.

Pressident: Welche Gründe haben solche Länder, das Thema Inklusion nicht voranschreiten zu lassen?

Wende: Bedenkenträger haben immer und überall Hochkonjunktur, und die Angst davor, Dinge anders zu tun als man sie immer getan hat, ist meistens größer als der Mut, den es braucht, um Neuland zu betreten.

Pressident: Seit der UN-Konvention ist Kritik an der Inklusion ein Tabu geworden. Umso härter wird dafür das Inklusionskonzept in den Foren im Internet oder auf Stammtischen auseinandergenommen. Verfolgen Sie solche Debatten?

Wende: Ich will sie gar nicht hören! Solche Schimpftiraden sind unter der Gürtellinie.

Pressident: Und wenn die Kritik sachlich ist?

Wende: Dann kommt sie mir auch zu Ohren. Und sie ist mir so wichtig, dass wir in den ersten Wochen unserer Regierung 300 Stellen an die Schulen zurückgegeben haben, die die Vorgängerregierung gekürzt hat, davon haben wir 120 Stellen für die Verbesserung der Inklusion eingesetzt. Das ist zu wenig, aber man merkt: Inklusion ist eine Herausforderung, der ich mich stelle, ich setze mich dafür ein, dass die Rahmenbedingungen Schritt für Schritt besser werden.

Pressident: Wir reden die ganze Zeit über Inklusion, dabei wissen viele überhaupt nicht, was Inklusion ist. Braucht es noch mehr aufklärerische Arbeit?

Wende: Da muss man in der Tat genauer darüber nachdenken. Das Wort Integration werden die meisten Menschen kennen. Das Thema ist ähnlich, aber der Begriff hat sich geändert.

Pressident: Alles in allem: Sind Sie stolz auf das Inklusionskonzept in Schleswig-Holstein, auch wenn Sie sagen, dass noch Nachbesserungen von Nöten sind?

Wende: Ich bin in der Tat stolz darauf! Inklusion ist ein Thema, wo wir den anderen Ländern zeigen können, dass Inklusion funktionieren kann, ich bin der festen Überzeugung: Wo ein Wille ist, findet sich ein Weg.

Pressident: Wie sieht bei Ihnen die inklusive Schule in vier Jahren aus?

Wende: In vier Jahren sind die ersten Lehrer, die nach meinem Modell studieren, kurz davor, ihre Ausbildung zu beenden. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir alle miteinander darüber schmunzeln, wenn wir uns daran zurückerinnern, dass wir einmal Angst davor hatten, die Inklusion könne misslingen.

Pressident: Dann brauchen Sie auch keine Interviews mehr zu diesem Thema zu geben. Vielen Dank für das Gespräch!

]]>
http://ths-pressident.de/interview-wende-inklusion-sh/feed/ 0
Die stille Macht http://ths-pressident.de/lobbyismus/ http://ths-pressident.de/lobbyismus/#comments Sat, 04 May 2013 09:38:01 +0000 http://ths-pressident.de/?p=9788 Wenn Politiker von Lobbyisten beeinflusst werden, findet das meist hinter verschlossenen Türen statt. Weil die Bevölkerung davon nur selten etwas mitbekommt, gibt Knut Fleckenstein (SPD), Abgeordneter im Europäischen Parlament, im Interview Einblicke in die Arbeit von Lobbyisten.

Knut Fleckenstein (59) ist Hamburger SPD-Abegeordneter im Europäischen Parlament. C: Foto:European Union 2011 PE-EP

Knut Fleckenstein (59) ist Hamburger SPD-Abegeordneter im Europäischen Parlament.
C: Foto:European Union 2011 PE-EP

Pressident: Wie oft werden Sie von Lobbyisten eingeladen?

Knut Fleckenstein: Mindestens zweimal pro Tag.

Pressident: Wann gehen Sie auf die Angebote ein?

Fleckenstein: In der Regel lehne ich fast alle Einladungen ab.

Pressident: Fast alle?

Fleckenstein: Ich gehe nur dann hin, wenn ich es selbst für sinnvoll halte oder wenn ich das Gefühl habe, dass es mir in meiner Arbeit weiterhilft.

Pressident: Wie wird darauf reagiert, wenn Sie nicht kommen? Mit Lockangeboten, mit Drohungen?

Fleckenstein: Ein einziges Mal hatte ich eine Mail bekommen, aus der man eventuell interpretieren könnte, dass es sich um ein finanzielles Lockangebot handelt. Ansonsten wüsste ich von keinem Fall, de facto also Nein.

Pressident: Ignorieren alle Kollegen die meisten Lobbyanfragen?

Fleckenstein: Ich glaube, dass die meisten es einfach aus dem Grund machen müssen, weil sie sonst gar nicht mehr zum Arbeiten kommen.

Pressident: Wie werden Sie angesprochen? Per Brief? Im Zug?

Fleckenstein: Entweder per Brief, per Mail, per Telefon oder indem sich jemand einen Termin geben lässt und persönlich kommt.

Pressident: Wie würden Sie den „typischen Lobbyisten“ bezeichnen?

Fleckenstein: Es gibt mehrere Sorten von Lobbyisten. Die erste hilft einem häufig wirklich weiter, das sind Unternehmensvertreter. Die zweiten sind Verbandsvertreter. Mit denen bringt das Gespräch meist überhaupt gar nichts, weil sie kein konkretes Anliegen haben, sondern weil meist alle Unternehmen innerhalb des Verbandes unterschiedliche Ansichten haben. Die dritte Sorte sind Berater. In der Regel sind diese wenig hilfreich – ganz besonders, wenn es Politiker sind und noch schlimmer, wenn sie von der eigenen Partei kommen.

Pressident: Welche Politiker sind besonders beliebt bei Lobbyisten?

Fleckenstein: Natürlich sind diejenigen beliebt, die auch schon das ein oder andere durchgesetzt haben. Und dann natürlich diejenigen, die eine besonders hohe Funktion innerhalb der Partei haben.

Pressident: Welche Verbände sind ganz besonders einflussreich?

Fleckenstein: Das kann man schwer sagen, aber selbstverständlich sind die Umweltverbände sehr einflussreich. Auf der anderen Seite natürlich auch die Automobilindustrie und einige große Stiftungen.

Pressident: Geht der Einfluss auf die Politik tendenziell eher zurück? Wird Lobbydruck immer größer?

Fleckenstein: Ich glaube nicht, dass der Einfluss der Politik zurückgeht. Mit Sicherheit ist der Druck der Lobby manchmal ein bisschen zu groß, aber es liegt letztendlich an den Politikern, ob sie standhaft bleiben oder wegknicken.

Pressident: Welchen Unterschied gibt es zwischen Lobbyismus in Brüssel im Gegensatz zu Berlin?

Fleckenstein: Gar keinen. Das halte ich für ein Gerücht.

Pressident: Wie wichtig ist Lobbyismus für die Demokratie?

Fleckenstein: Ohne Lobbyismus könnte ich gar nicht arbeiten! Ich bin gelernter Bankkaufmann und mein Gebiet, das ich als Politiker bearbeite, ist Hafen und Schifffahrt. Da muss ich mich auch schon mal bei Hafenunternehmen erkundigen. Aber ich muss auf der anderen Seite eben auch bei den Gewerkschaften oder Umweltverbänden nachfragen und mir aus allen Meinungen meine eigene Meinung bilden.

Pressident: Warum haben Lobbyisten trotzdem einen so schlechten Ruf?

Fleckenstein: Erstens, weil es zu viele davon gibt. Und zweitens, weil es auch schwarze Schafe gibt, die versuchen, durch materielle Anreize Abgeordnete zu kaufen. Das ist nicht die Regel, aber kommt auch vor.

Pressident: Wo ist die Grenze von Lobbyismus?

Fleckenstein: In dem Moment, in dem die Lobbyisten mit materiellen Dingen – ein Geschenk, eine Reise oder Geld – eine Gegenleistung erbringen, beginnt die Grenze zur Kriminalität.

Pressident: Wie kommen Transparenzorganisationen wie LobbyControl in der Politik an?

Fleckenstein: Im Grunde kommen sie ganz gut an. Nur manchmal möchte ich ausdrücklich nicht veröffentlichen, mit wem ich was besprochen habe. Ab und zu muss ich die Möglichkeit haben, mich mit Menschen zu treffen, ohne dass dies die ganze Welt erfährt. Würde es doch rauskommen, könnte es vorkommen, dass die Gesprächspartner nie wieder einen Auftrag bekommen würden.

Pressident: Vielen Dank für das Gespräch!

]]>
http://ths-pressident.de/lobbyismus/feed/ 0
Politik auf Mausklick http://ths-pressident.de/mission-transparenz-politik-auf-mausklick/ http://ths-pressident.de/mission-transparenz-politik-auf-mausklick/#comments Mon, 22 Apr 2013 15:09:55 +0000 http://ths-pressident.de/?p=9152 Seit 2004 kämpfen Gregor Hackmack und Boris Hekele mit ihrem Portal Abgeordnetenwatch gegen Politikverdrossenheit, falsche Versprechen und Lobbyismus. Ursprünglich nur für den Hamburger Landtag bestimmt, ist aus der ehrenamtlichen Initiative mittlerweile eine ständig wachsende Offensive auf nationaler und internationaler Ebene geworden.

Gregor Hackmack:

Gregor Hackmack: “Zu viel Transparenz behindert die Politik nicht”

Als Gregor Hackmack sich im Jahr 2004 an der Hamburger Wahlrechtskampagne beteiligte, erkannte er schnell, dass ein personalisiertes Wahlrecht nur dann sinnvoll ist, wenn die Bürger ihre Abgeordneten auch kennen. Daher stellte er innerhalb von zwei Monaten zusammen mit Boris Hekele ehrenamtlich die Internetplattform Abgeordnetenwatch auf die Beine, auf der die Hamburger den für das Landesparlament kandidierenden Politikern Fragen stellen konnten. Noch ahnte der damals in der Marktforschung beschäftigte Hackmack nicht, dass aus dieser einst spontanen Idee keine zehn Jahre später eine internationale Organisation werden sollte.

Mit dem Ziel, „ein Instrument zu schaffen, damit Bürger ihre Abgeordneten besser kennen lernen können“, stießen die beiden Initiatoren nicht nur in der politisch interessierten Bevölkerung auf breite Zustimmung: „Die Abgeordneten haben auch gleich mitgemacht“, berichtet der Mitbegründer der Organisation.

Am 1.1.2007 trugen die beiden Begründer von Abgeordnetenwatch die Organisation als Verein ein. Seitdem arbeiten Hackmack und Hekele in Vollzeit an dem politischen Dialogportal und werden von einer stetig wachstenden Zahl an Fördermitgliedern unterstützt. Außerdem mieteten die beiden Jungunternehmer damals ein Büro an und stellten Personal ein. Heute sind neben den beiden Gründern noch vier weitere Angestellte in Vollzeit mit dem Projekt beschäftigt. Zudem gehören ein breiter Kreis von freien Mitarbeitern, ungefähr 15 Moderatoren, sowie Grafiker und Techniker zu dem Team.

Ursprünglich beschränkte sich die Organisation auf das Hamburger Landesparlament. In den folgenden Jahren wurde sie jedoch ständig ausgeweitet, berichtet Gregor Hackmack: „Mittlerweile gibt es Abgeordnetenwatch nicht nur auf Bundes-, Europa-, Landtags- und Kommunalebene, sondern auch in 4 Partnerländern.“ Diese sind zur Zeit Tunesien, Irland, Luxemburg und Österreich. „Aktuell bereiten wir den Start in Frankreich vor“, so Hackmack. Des Weiteren wird eventuell noch in diesem Jahr ein vergleichbares Projekt in Afghanistan umgesetzt. In Deutschland ist die Webseite Abgeordnetenwatch mit monatlich fast 400.000 Besuchern und rund 4 Millionen Seitenabrufen das bundesweit größte Online-Portal dieser Art.

Auf die Frage nach den typischen Nutzern des Dialogportals, antwortet Hackmack lachend, dass dies eine „bunte Mischung“ sei. Allerdings variiere die tatsächlich aktive Gruppe je nach aktuellem Thema. Generell sei das Interesse der Bevölkerung vor Wahlen jedoch am größten.

Auf der Internetseite der Organisation sind neben Ergebnissen von Abstimmungen, auch alle Abgeordneten in den jeweiligen Parlamenten und Informationen über die Aufgaben und Mitglieder von Ausschüssen für jeden Besucher einsehbar. In Deutschland sind derzeit 10 Bundesländer und 54 Kommunen online. Die Betreiber hoffen, dass irgendwann alle Landtage und Kommunen auf Abgeordnetenwatch vertreten sein werden. Hierfür sind jedoch noch viele weitere Spenden notwendig: Das Internetportal wird nämlich ausschließlich durch Förderkreise, Beiträge von Partnerprojekten aus dem Ausland und Spenden von Privatpersonen, welche über den seit 2007 bestehenden Trägerverein eingehen, finanziert. Außerdem werden vor Wahlen alle kandidierenden Politiker um eine einmalige Projektkostenbeteiligung in Höhe von 179€ auf Landesebene, bzw. 200€ auf Bundesebene, gebeten.

Obwohl es natürlich vereinzelt auch kritische Politiker gibt, beantworten laut Abgeordnetenwatch mehr als 90% der Abgeordneten ihre Fragen. Hackmack bestätigt: „Die Mehrzahl der Abgeordneten ist offen und positiv eingestimmt und macht fleißig mit.“

Im Hinblick auf die Antwortquote und die Anzahl der gestellten Fragen nimmt auf Bundesebene Gregor Gysi von den Linken den Spitzenplatz ein: Er beantwortete 871 von 912 Fragen. Abgeschlagen auf dem letzten Platz liegt hier die Bundeskanzlerin Angela Merkel, welche keine ihrer 846 Fragen beantwortete. Generell sei die Antwortquote unabhängig von Alter und Partei der Abgeordneten, so der Gründer der Initiative. Die Bereitschaft der Beteiligung hänge ausschließlich vom Politikstil der Abgeordneten ab, da die im Netz gestellten Fragen auf Wunsch des jeweiligen Nutzers häufig öffentlich einsehbar sind und auch nicht gelöscht werden, erläutert Hackmack. Aus diesem Grund bedeutet eine Antwort auf Abgeordnetenwatch das Festlegen auf eine Position und die klare Argumentation für den jeweiligen Standpunkt, was nicht jedem Politiker zusagt. Ablehnend eingestellte Politiker wollten häufig keine verbindlichen Aussagen machen und scheuten Versprechungen. „Meistens haben Sie selber keine klare politische Position“, so Hackmack.

Ob das seit 2004 bestehende Dialogportal die deutsche Politik verändert habe, weiß Gregor Hackmack nicht: „Wir sind nur ein Faktor unter vielen.“  Allerdings ist der Jungunternehmer der Meinung, dass die von ihm mitbegründete Organisation den Abgeordneten verstärkt die Gewissheit gibt, von den Bürgern überwacht zu werden. Zudem sei auch die Aufmerksamkeit für die Arbeit der Politiker, insbesondere im Bundestag, gestiegen.

Doch neben mehr Interesse für Politik in der Bevölkerung und persönlichen Kontakt zwischen Bürgern und ihren politischen Vertretern, wollen die Betreiber von Abgeordnetenwatch eine vollkommen transparente Demokratie schaffen. Aber hat nicht jeder Abgeordneter das Recht auf eine gewisse Verschwiegenheit, sozusagen auf Betriebsgeheimnisse? Und behindert zu viel Transparenz nicht sogar die Arbeit der Politik? „Nein“, lautet hier die klare Antwort von Gregor Hackmack, denn Demokratie sei, anders als ein wirtschaftlicher Betrieb, kein Privatgeschäft und stehe auch nicht in Konkurrenz zu anderen Unternehmen. Demokratie funktioniere nur durch eine ständige Kontrolle durch die Öffentlichkeit und die Abgeordneten sollten die Wähler schließlich repräsentieren, so Hackmack: „Wie soll ich darüber entscheiden, ob jemand gute Arbeit macht, wenn ich nicht weiß, was er oder sie tatsächlich macht?“

Ein weiteres Problem der deutschen Demokratie stellt Lobbyismus dar: In Berlin gibt es laut Hackmack 4000-5000 Lobbyisten. Das ergibt im Durchschnitt etwa 8 pro Bundestagsabgeordneten. Zudem kritisiert er, dass Deutschland eines der wenigen Länder ist, in dem Bestechung von Politikern in vielen Fällen, zum Beispiel sofern die Übergabe der Vorteile (z.B. Geld) erst nach der betreffenden Abstimmung erfolgt, nicht strafbar ist. Vor diesen Hintergründen kämpft das Team von Abgeordnetenwatch aktiv gegen Lobbyismus in der deutschen Demokratie: „Unser Hauptmittel gegen Lobbyismus ist es, völlige Transparenz zu schaffen“, so Hackmack. Im Zuge dieser Transparenz fordern die politisch engagierten Jungunternehmer auch die Offenlegung aller Nebeneinkünfte von Politikern.

Wie stelle ich einem Abgeordneten auf www.abgeordnetenwatch.de eine Frage?
Grundsätzlich kann jeder Bürger unter Angabe von Vor- und Zuname den auf www.abgeordnetenwatch.de  aufgeführten Abgeordneten eine Frage stellen. Hierzu sucht man sich lediglich den gewünschten Abgeordneten (durch Eingabe der Postleitzahlen auf der Startseite kommt man z.B. zu allen Mitgliedern des Bundestages aus dem eigenen Wahlkreis) heraus und kann diesen schließlich zu jedem Thema in der Politik befragen. Die beantworteten Fragen erscheinen dann in dem Profil des befragten Politikers.

verfasst von Svenja H. und Ebru A.

]]>
http://ths-pressident.de/mission-transparenz-politik-auf-mausklick/feed/ 0