Pressident | Online-Schülerzeitung der THS Pinneberg » Inklusion Infos zum Theodor-Heuss-Gymnasium (nord)westlich von Hamburg! Thu, 12 Dec 2013 17:03:12 +0000 de-DE hourly 1 /?v=3.7.1 Eine tolle Einrichtung, ganz ohne die Inklusion /die-werkstatt-eichenkamp-eine-tolle-einrichtung-ganz-ohne-die-inklusion/ /die-werkstatt-eichenkamp-eine-tolle-einrichtung-ganz-ohne-die-inklusion/#comments Wed, 15 May 2013 18:48:30 +0000 /?p=9688 Vom 15.04 bis zum 26.04 2013 machten die 9. Klassen ihr erstes Betriebspraktikum. Pressident-Redakteurin Sabrina besuchte eine Behindertenwerkstatt in Pinneberg – und lernte dort Dinge, die ihr Leben bereichert haben.

In der kommenden Print-Ausgabe geht es um das Titelthema „Inklusion“. Eine tolle Art und Weise, mit Behinderten umzugehen, wie ich finde. Und trotzdem bewarb ich mich für mein diesjähriges Praktikum im Lebenshilfewerk Pinneberg, in der Werkstatt Eichenkamp. Sie ist eine staatlich anerkannte Reha-Einrichtung, die sich ausschließlich um behinderte Menschen kümmert. Die Behinderten, oder, wie man auch häufig sagt, die Gehandicapten, arbeiten hier fünf Tage die Woche bis 15.00 Uhr. Würde man hier den Inklusionsgedanken durchführen, wie man es zum Beispiel im Kindergarten der Lebenshilfe macht, würden hier nicht nur Behinderte arbeiten, sondern auch gesunde Menschen. Vor Beginn meines Praktikums am 15. April 2013 habe ich mich oft gefragt, wieso das hier nicht der Fall ist. Jetzt, im Nachhinein, weiß ich, weswegen es manchmal besser ist, die Inklusion nicht durchzuführen.

Einige Leute aus meiner Gruppe, mit denen ich an meinem letzten Praktikumstag in den Hansapark ging

An meinem ersten Tag des Praktikums bin ich schon morgens tierisch nervös. Ich habe keine Ahnung, was mich erwarten wird, und was ich machen werde. Nur eines beruhigt mich: einer meiner Klassenkameraden macht ebenfalls hier Praktikum. Doch wir machen das Praktikum nicht zusammen, er wird in eine völlig andere Gruppe gebracht als ich. „Also muss ich da wohl doch alleine durch“, denke ich und gehe langsam in die mir zugeteilte Gruppe. Entgegen meiner Befürchtungen sind hier alle wahnsinnig nett, sie nehmen mich sofort in ihre Gemeinschaft auf und akzeptieren mich so wie ich bin. So soll es hier immer sein, erfahre ich später. Nie wird jemand direkt ausgeschlossen, und trotzdem zeigt man sich gegenseitig, wenn einem das Verhalten eines Anderen nicht gefällt. Im Laufe der nächsten Tage komme ich den gehandicapten Arbeitern immer näher; Wir unterhalten uns über alles Mögliche. Das ist eine tolle Eigenschaft von vielen Behinderten, man kann über wirklich alles mit ihnen reden, und kann sicher sein, dass sie niemals etwas weitererzählen werden. Die Arbeit, die wir machen, ist hingegen ziemlich eintönig. Ich habe in den gesamten zwei Wochen zum Beispiel selten eine andere Aufgabe als Tee einpacken. Immer dasselbe: Tee rein, Packung zu, Kleber oben drauf, Ablaufdatum unten drauf, sechs Packungen in einen Karton, Karton zukleben, fertig. Oder eine andere Teesorte: 15 Tüten abwechselnd stapeln, in die Schachtel stecken, Nadel rein, Packung zu, fertig. An zwei Tagen darf ich aber sogar für Tchibo arbeiten. Das ist dann auch um einiges anstrengender: Werbezettel richtig herum (!) hinlegen, Kaffeestick mit zwei kleinen Punkten bekleben und rauf auf den Werbezettel. Natürlich im richtigen Winkel und Abstand. Hierbei komme ich tatsächlich zwischendurch ins Schwitzen, das ist nämlich gar nicht so leicht, wie es klingt. Doch keiner beklagt sich jemals über die Arbeit. Alle wissen, dass die Werkstatt dankbar sein kann, dass immer wieder neue Aufträge kommen. Denn für viele Unternehmen wäre es günstiger, die Produkte mit Maschinen fertigstellen zu lassen. Und doch geben selbst große Unternehmen wie Tchibo ihre Produkte zur Lebenshilfe, um den Menschen Arbeit zu geben.

Meine Mittagspausen verbringe ich meistens zusammen mit einigen Auszubildenden. In der Mensa gibt es jeden Tag Essen. Erst wenn wir schon fast aufgegessen haben, kommen die ersten behinderten Personen in den Saal, aufgeteilt in Gruppen, damit nicht alle auf einmal kommen.

Danach geht es wieder an die Arbeit. Die Leute aus meiner Gruppe sind mir inzwischen schon richtig ans Herz gewachsen. An meinem letzten Tag gehen wir dann alle zusammen in Hansapark.  Gemeinsam mit den Behinderten habe ich sogar einige Attraktionen genutzt, obwohl ich normalerweise totale Angst davor habe. Sie nahmen mich einfach ganz fest in die Arme, sodass ich gar nicht mehr sehen konnte, wohin wir grade fahren. Gemeinsam mit all den Leuten wird dieser Tag im Hansapark zu einem der schönsten in meinem Leben. Ich bin glücklich, diese zwei Wochen erlebt zu haben. Und endlich weiß ich auch, dass Inklusion nicht immer alles ist. Denn gesunde, dafür aber manchmal gefühllose Menschen wie an vielen anderen Arbeitsplätzen passen in die Lebenshilfe einfach nicht hinein.

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Hier sind alle Willkommen /inklusion-in-der-schule-langbargheide-ein-geschenk-fur-jeden/ /inklusion-in-der-schule-langbargheide-ein-geschenk-fur-jeden/#comments Sat, 11 May 2013 06:28:59 +0000 /?p=9395 Die Inklusion an der Hamburger Schule Langbargheide ist ein Geschenk für jeden – sowohl für behinderte als auch für nichtbehinderte Menschen.

Eine Grundschule im Herzen Lurups. Von außen betrachtet scheint sie eine ganz gewöhnliche Schule zu sein. Doch diese Schule ist einen Tick anders als die meisten anderen Schulen in Hamburg, denn an dieser Schule werden alle Kinder aufgenommen, egal ob mit oder ohne Behinderung. Die Kinder kommen in gemeinsame Klassen und lernen zusammen. Aber vor allem lernen sie voneinander – egal ob sie gesund sind, ein Sprachproblem, eine Lernschwierigkeit oder das Downsyndrom haben.

So gewinnen die Kinder ohne Handicap an Sozialkompetenz. Die Kindermit Handycap lernen von den anderen ganz alltägliche Dinge, aber auch den normalen Schulstoff.

Auch die Klassenverbände sind anders als wir sie kennen: Die Tierklassen, z.B. Frösche und Zebras, bestehen aus der Vorschule, der ersten Klasse und der zweiten Klasse, die Baumklassen sind die Dritt- und Viertklässler.

Von außen sieht das Gebäude ganz normal aus, wie jede andere Grundschule eben auch, doch wir beide besuchten diesen Ort, und merkten, dass es hier um viel mehr geht als nur um Schule.

Schon als wir ankommen, spüren wir, dass diese Schule ein besonderer Ort ist. Erst fühlen wir uns noch ein wenig fehl am Platz, als die ersten Grundschüler von ihren Eltern gebracht werden, und uns ein wenig erstaunt mustern. Doch wenig später werden wir ins Lehrerzimmer geholt, wo wir herzlich begrüßt werden. Kaum einer wusste überhaupt, dass wir kommen würden, und doch ernten wir von fast jedem ein herzliches Lächeln. Nach kurzem Hin und Her nimmt uns Annika Janssen, eine junge Lehrerin, mit zu den Fröschen, damit wir uns für zwei Stunden den Unterricht anschauen können. Die Klasse besteht aus 15 Schülern im Alter von fünf bis acht Jahren, die in drei „Gruppen“ aufgeteilt sind: Die Mondkinder, die Sternenkinder und die Wolkenkinder. Diese Gruppen werden nicht nach Alter gewählt, sondern nach dem Lernstand: Die Mondkinder sind die, die schon am meisten können, die Wolkenkinder müssen noch am meisten lernen. Und schon beginnt der Unterricht. Als erstes setzten wir uns alle in dem gemütlichem Klassenzimmer in einen Erzählkreis, und jeder, der möchte, berichtet von einem Ereignis. Kurz bevor wir uns erheben wollen, um den eigentlichen Unterricht zu beginnen, klopft es an der Tür. Es ist ein im Rollstuhl sitzender Junge, der herein kommt, zusammen mit seiner Begleitperson, die immer an seiner Seite ist. Die anderen Kinder begrüßen ihren Mitschüler ganz normal, und nehmen ihn inden Kreis auf.

Sitzecke in einem Klassenraum

Wenig später beginnt dann der richtige Unterricht, und jeder Schüler sitzt wieder auf seinem Platz. Schon als wir uns die Aufgabenblätter anschauen, die hinten ausliegen, merken wir, dass irgendetwas anderes ist als in anderen Schulen. Später erfahren wir dann, dass jeder Schüler andere Aufgaben bekommt, seinem Lernstand entsprechend. „Jedes einzelne Kind wird beachtet, bei Jedem überlegen wir, wie wir es am besten fördern können.“, sagt uns Susanne Matzen-Krüger, die Leiterin der Tierklassen, später in einem Interview. Das sieht so aus, dass sich die Lehrer mit Sonderpädagogen und Heilerziehern jede Woche zusammensetzen und sich über jeden Schüler und den Unterricht Gedanken machen. Außerdem, so erfahren wir, gibt es von Beginn an im Kindergarten und in allen Klassen die gleichen Rituale, damit die Kinder keinen Bruch zwischen Kindergarten und Schule erleben. Dies scheint vor allem für geistig behinderte Schüler wichtig zu sein, tut aber jedem Kind gut.

Während des Unterrichtes laufen wir ein wenig durch die Klasse und helfen einer siebenjährigen Schülerin beim Schreibenlernen. Sie hat noch Schwierigkeiten beim Buchstabieren, doch es stört keinen. Sie wird so akzeptiert wie sie ist. Allgemein sind Hänseleien fremd an dieser Schule: Die Kinder lernen von Anfang an, dass jeder Mensch Stärken und Schwächen hat. Sie lernen, sich nicht zu vergleichen, so wird einem Kind, das noch große Schwierigkeiten hat, einfach geholfen, anstatt dass jemand darüber lacht.

Klassenraum der Frösche

Ein besonders großes Ziel dieser Schule ist es, die Kinder zurSelbstständigkeit zu erziehen. So klebt auf jedem Tisch, an dem ein Schüler sitzt, ein kleiner Zettel, auf dem steht, was das Kind noch lernen muss. Hierbei geht es nicht nur um schulische Leistungen, sondern auch um Verhaltensweisen. „Wenn ein Kind besonders schüchtern ist, und nicht aus sich herauskommt, so steht das auf dem Zettel, damit sich der Schüler und die Lehrer immer daran erinnern können“, sagt Susanne Matzen-Krüger. Auf die Frage, ob jedes Kind die gleichen Ziele hat und sie auch erreicht, sagt sie, dass jeder Schüler ein anderes Ziel braucht, um es auch erreichen zu können. Dem stimmt auch Annika Janssen zu, als sie uns erklärt, dass sie dem Jungen aus dem Rollstuhl, den wir kurz vorher kennengelernt haben, nicht das Schreiben beibringen kann, er aber trotzdem ein großes Ziel an der Schule hat: Aufgenommen zu werden, und einfach glücklich zu sein, so, wie es sich für Kinder gehört.

Um den Schülern ein angenehmes Leben zu bereiten, gibt es an der Schule nicht nur Grundschullehrer und Sozialpädagogen, sondern auch Heilerzieher, Kinderkrankenschwestern und Therapeuten. Dies klingt für uns erst mal ein wenig merkwürdig, doch schon nach kurzer Zeit leuchtet uns ein, dass es sowohl für gehandicapte Kinder als auch für ihre Eltern leichter ist, wenn sie schon während der Schulzeit Therapien bekommen, und nicht noch Nachmittags zu einem Therapeuten fahren müssen. Und es gibt noch weitere “Helfer”, die allerdings Vierbeiner sind: die drei Schulhunde Ida, Mimo und Nala. Sie sind Perro de Aguas, spanische Wasserhunde, die durch ihre Fellstruktur keine Allergien auslösen. Die drei Hunde kommen mit in den Unterricht und helfen so den Kindern beim Lernen. Vor allem wird es durch die Hunde leiser im Klassenzimmer, da sich die Hunde nur dann wohlfühlen, wenn es nicht zu laut ist und die Kinder wollen, dass es den Hunden gut geht. So wird der Unterricht für alle entspannter.

Schulhund

Für ihre Mühe und Arbeit hat die Schule auch schon viele Preise und Auszeichnungen bekommen, unter anderen den Karl-Kübel-Preis und den Jakob Muth-Preis in Berlin. Hierbei geht es nicht nur um das Geld, welches die Schule als Sieger bekommt, sondern vor allem um die Anerkennung dafür, wie sehr den Kindern auf dieser Schule geholfen wird. Diese Hilfe sieht man anhand des Beispiels eines kleinen Mädchens, über die zuvor gesagt wurde, dass sie niemals lesen können würde, weil sie dazu nicht in der Lage sei. Inzwischen geht das kleine Mädchen in die dritte Klasse, und kann prima Lesen und Schreiben.

Als wir beide die Schule nach drei Stunden verlassen und zu Fuß zum Bahnhof gehen, schauen wir uns glücklich an. Wir sind begeistert von dieser Schule, in der man so viel mehr lernt als Mathe und Deutsch. Nämlich, dass sich jedes Leben zu leben lohnt.

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Vorreiterland? /interview-wende-inklusion-sh/ /interview-wende-inklusion-sh/#comments Fri, 10 May 2013 13:42:44 +0000 /?p=9841 Die Inklusionsquote ist in Schleswig-Holsteins Schulen mit 60% sehr hoch. Trotzdem existiert hierzulande noch Nachholbedarf. Bildungsministerin Waltraut ‘Wara’ Wende erzählt im Interview, dass die Quote nur die eine Seite der Medaille ist und es vor allem auf die Qualität des Unterrichts ankommt.

Pressident: Wir möchten über Inklusion reden. Inklusion, das hört sich fast so an wie Illusion.

Waltraut ‘Wara’ Wende: Ist aber keine. Zunächst kann Schleswig-Holstein stolz darauf sein, dass wir eine hohe Inklusionsrate im Vergleich zu den anderen Bundesländern haben.

Pressident: Schleswig-Holstein hat eine Inklusionsquote von knapp 60% und belegt damit einen Spitzenplatz im bundesweiten Vergleich. Möchten Sie diese Zahl weiter erhöhen?

Wende: Erst einmal nicht. Meine Auffassung ist, dass wir quantitativ gut da stehen, aber qualitativ noch einiges geschehen muss. Andererseits gilt: Wenn wir die Situation in Schleswig-Holstein mit der Situation in anderen Bundesländern vergleichen, dann brauchen wir uns auch auf der qualitativen Ebene mit unseren Leistungen nicht verstecken, wir sind auf einem guten Weg.

Pressident: Andere Bundesländer gehen den Weg, dass sie diese Quote nicht exorbitant steigern, sondern versuchen, für weniger Inklusionsschüler einen qualitativeren Unterricht anbieten.

Wende: Dass wir Inklusion umsetzen wollen, war immer klar. Hätte man mich aber zu Beginn der Entwicklung gefragt, dann wäre ich die Situation intelligenter angegangen (Anm. der Red.: Wende ist seit 12. Juni 2012 im Amt). Das bedeutet, dass ich erst einmal die Rahmenbedingungen geschaffen hätte – zum Beispiel durch die entsprechende Qualifizierung der Lehramtsstudenten – um dann nach und nach in den Schulen mit der Inklusion zu beginnen. Ein Problem, das wir aktuell haben, ist nämlich, dass sich viele Lehrer und Lehrerinnen mit der Thematik alleingelassen und überfordert fühlen.

Pressident: Die jetzigen Lehrkräfte hört man darüber klagen, dass sie überfordert seien.

Wende: Ja, und weil dem so ist, benötigen wir nicht nur eine Reform des Lehramtsstudiums, sondern auch gute Weiterbildungsangebote für die Lehrerinnen und Lehrer, die bereits an unseren Schulen arbeiten. Wir können, weil die Situation so ist wie sie ist, nicht mehr darauf warten, bis die zukünftig anders ausgebildeten Lehrkräfte an unseren Schulen ankommen. Es muss schnell etwas geschehen. Das sind wir nicht nur unseren Lehrkräften, sondern auch und vor allem unseren Schülern und Schülerinnen mit und ohne Behinderung schuldig.

Pressident: Also ist die Inklusionsquote eher der falsche Messwert, um erfolgreiche Inklusion zu messen.

Wende: Es ist ein Balanceakt. Ich treffe mich regelmäßig mit ‘Praktikern’, Schulleitern und Schulleiterinnen, Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern, um die Stimmung vor Ort aufzunehmen. Generell finde ich jedoch, dass die Qualität der Inklusion wichtiger ist als die Quantität.

Pressident: Um die Qualität zu verbessern, bedarf es eine bessere Ausstattung der Schulen, zusätzliche Sozialpädagogen, mehr Lehrpersonal und kleinere Klassen. Das ist mit Geld verbunden, welches bekanntlich nicht gerne für Bildung ausgegeben wird.

Wende: Wir würden es sehr gerne ausgeben, aber wir haben es nicht. Einerseits stimme ich der Aussage zu, dass es finanzielle Mittel braucht, um die Situation an unseren Schulen zu verbessern, andererseits fehlt aber auch schlicht das Know-How. Ein Beispiel: Wir wollen zukünftig die Sonderpädagogen so ausbilden, dass sie nicht nur über sonderpädagogisches Fachwissen verfügen, sondern auch in einem Schulfach – beispielsweise in Deutsch, Englisch oder Mathe – Expertise erhalten. Dann hätten wir die Möglichkeit, so ausgebildete junge Menschen sowohl als Sonderpädagogen und Sonderpädagoginnen an den Förderzentren wie auch als Fachlehrer und Fachlehrerinnen an den Regelschulen einzusetzen. Damit wäre viel gewonnen.

Pressident: Sie behaupten aber im Gegensatz zu anderen Befürwortern schon, dass Inklusion auch sehr viel Geld kostet?

Bildungsministerin Wende im Gespräch mit den Pressident-Redakteuren Tim, David und Valentin (v.l.n.r.)

Wende: Inklusion kostet Geld, benötigt gute Rahmenbedingungen, und dazu gehört selbstredend mehr als lediglich die zuvor angesprochene Inklusionskompetenz auf Seiten der Lehrkräfte. Insbesondere dort, wo Inklusion gut läuft, sehen wir, dass durch die Schaffung von Barrierefreiheit und die Einstellung von Assistenzkräften zusätzliches Geld in die Hand genommen wurde.

Pressident: Kennen Sie überhaupt die Probleme der Schulen vor Ort?

Wende: Ich denke schon! Ich rede mit ganz vielen Betroffenen, mit Lehrkräften, Schülern und Schülerinnen und natürlich auch mit Eltern. Das beginnt bei der Barrierefreiheit der Schulgebäude, aber das beinhaltet natürlich auch die Rahmenbedingungen von Unterricht, der natürlich viel anstrengender ist, wenn man z.B. einen geistig behinderten Schüler in einer Klasse hat.

Pressident: Inklusion ist ein gesellschaftliches Thema. Es braucht eine allgemeine Akzeptanz und ein Bewusstsein der Mehrheit der Bürger, die ein solches Zusammenleben befürworten und anstreben. Inwieweit herrscht hier noch Nachholbedarf?

Zum Teil ja, zum Teil müssen wir aber den Menschen auch die Ängste vor der Inklusion nehmen. Ich war zehn Jahre in den Niederlanden und dort geht man anders mit der gleichen Thematik um. In Deutschland hat man jahrelang separiert und deshalb ist es für viele Deutsche schlichtweg ungewohnt, dass man es auch anders machen kann.

Pressident: Müssen den Menschen Berührungsängste genommen werden?

Wende: Ganz genau! Es gab vor vielen Jahren in meinem Leben eine Situation, wo ich meine eigenen Defizite in Bezug auf den Umgang mit Menschen mit Behinderung hautnah erlebt habe. Als ich zu Besuch in einem Krankenhaus war und dieses wieder verließ, kam mir ein Rollstuhlfahrer entgegen. Und ich wusste nicht, ob ich ihm jetzt helfen soll. Total unter Stress wollte ich freundlich sein, ihn aber auch nicht bevormunden  – ich bin damals nicht auf die simple Idee gekommen, ihn einfach zu fragen, ob er meine Hilfe wünsche. Dafür habe ich mich anschließend ziemlich geschämt.

Pressident: Es gibt Menschen, die das ganze System in Frage stellen. Auch der ARD-Film “Inklusion: Gemeinsam anders” kommt zu dem Schluss, dass Inklusion nicht immer praktizierbar ist.

Wende: Ich bin der Meinung, dass in einigen, sehr schweren Fällen, Inklusion nicht möglich ist. Wenn ich in Förderzentren unterwegs bin und auf Schüler mit erheblichen Behinderungen treffe, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass wir irgendwann einmal eine Inklusionsrate von 100% haben – zumindest nicht unter den jetzigen finanziellen Rahmenbedingungen.

Pressident: Zumal die meisten Lehrkräfte bereits jetzt überfordert sind.

Wende: Ich höre viel von Lehrkräften, die sich überfordert fühlen, und zwar unabhängig vom Thema Inklusion. Schulklassen sind nicht homogen, jeder Schüler und jede Schülerin ist anders – und darauf müssen sich die Lehrkräfte einstellen, sie müssen in der Lage sein, jede Schülerin und jeden Schüler individuell zu fördern und zu fordern, sie müssen in der Lage sein, eine Unterrichtsstunde binnendifferenziert anzulegen, nur dann ist Unterricht wirklich gut.

Pressident: Erzählen Sie das einem 50jährigen Lehrer, der seit 20 Jahren denselben Unterricht macht.

Wende: Es wird schwer. Deswegen ist Inklusion ein Thema, dass sozusagen ‘anwächst’ oder man könnte auch sagen, dass sich mit der Zeit ‘auswächst’.

Pressident: Wo liegen die Vorteile einer inklusiven Schule für die Schüler?

Wende: Zum einen nehmen die Berührungsängste ab. Zum anderen glaube ich, dass der Toleranzgedanke größer wird. Damit wir in die Köpfe bekommen, dass jeder Mensch anders ist und dass dies auch gut so ist. Aber auch die Hilfsbereitschaft ist ein wichtiger Faktor. Denn Schule ist nicht nur ein Ort, an dem Schüler intellektuell lernen, sondern an dem sie sich auch sozial entwickeln. Es geht immer um den ganzen Menschen, um seine intellektuellen genauso wie um seine sozialen und auch seine kreativen Potenziale.

Pressident: Ein Nachteil könnte sein, dass das Unterrichtsniveau sinkt.

Wende: Nur, weil man inklusiv arbeitet, heißt es nicht, dass das Unterrichtsniveau sinkt. Dieser Zusammenhang stimmt nicht.

Pressident: Es geht Zeit verloren, wenn Aussagen für hörgeschädigte Schüler wiederholt werden müssen. Dinge können nicht für die ganze Klasse erklärt werden.

Wende: Die Frage ist doch, ob Quantität das Wichtigste ist. In einer Lerngemeinschaft mit ganz unterschiedlichen Schülern profitieren die Leistungsschwachen von den Leistungsstarken, indem sie Lernstoff von ihnen vermittelt bekommen und es profitieren die Leistungsstarken von den Leistungsschwachen, indem sie lernen, Lernstoff zu vermitteln. Und nun könnte man sagen, die Schlauen verlieren doch Zeit, wenn sie den weniger Schlauen Dinge erklären, aber genau das ist zu kurz gedacht, denn auch die Schlauen profitieren vom Erklären: Man muss nämlich ein Thema schon sehr gut verstanden und durchdrungen haben, um es einem anderen Schüler näher zu bringen. Damit haben also beide etwas davon, die, die erklären und die, die etwas erklärt bekommen.

Pressident: Den Forderungen, dass die fachlichen Anforderungen des Unterrichts steigen sollten, damit Deutschland z.B. die PISA-Defizite aufholt, würden sie also nicht zustimmen?

Wende: Dem würde ich nicht zustimmen. Schauen Sie sich die Selbstmordrate in Japan an! Wir brauchen in der Schullandschaft mehr Gelassenheit und wir sollten den Schülern und Schülerinnen mehr Zeit lassen. Kreativität, Einfühlungsvermögen und Sozialkompetenzen sind mindestens genauso wichtig wie die Frage, ob jemand höhere Mathematik beherrscht.

Pressident: Würden Sie einem Lehrer jemals sagen: “Lassen Sie doch das letzte Thema, das im Lehrplan steht, weg. Wichtiger ist, dass die Schüler Sozialkompetenz lernen!”

Wende: Als ich noch Professorin war, habe ich zu Beginn eines jeden Semesters einen Seminarplan erstellt. Und ich bin fast immer von diesem Plan abgewichen, wenn ich z.B. gemerkt habe, dass der Kurs eine Thematik noch nicht richtig verstanden hatte. Gegenfalls bin ich dann mit den Inhalten nicht durchgekommen, aber ich wusste: Das, was wir gemacht haben, haben die Studierenden tatsächlich verstanden!

Pressident: Ist die Fortsetzung des Inklusionsgedanken eine Einheitsschule?

Wende: Einheitsschule würde ich so nicht sagen wollen. Der Begriff unterstellt, dass Schüler und Schülerinnen als uniform und entindividualisiert gedacht werden. Genau das aber darf nicht unser Ziel sein: Schüler und Schüler sind individuell, jeder ist anders als der andere, und es ist gleichwohl möglich, dass alle miteinander lernen. Aus diesem Grund bin ich für den Begriff Gemeinschaftsschule, hier wird das soziale Element, das Miteinander in der Schule betont.

Pressident: Was ist mit der Abschaffung der Gymnasien?

Wende: Viele Schüler und Lehrer wünschen sich die Gymnasien und schon deswegen möchte ich sie nicht abschaffen. Aber ich möchte die zweite Schulform, die Gemeinschaftsschule, zu einer ebenso leistungsstarken Schule entwickeln. Auch als Schüler oder Schülerin einer Gemeinschaftsschule kann man Abitur machen, nur eben auf einem anderen Weg, der deswegen aber kein schlechterer Weg ist, er ist nur eben anders. Beide Schulformen, Gymnasien und Gemeinschaftsschulen, sollen nebeneinander bestehen, pädagogisch unterschiedlich arbeiten, aber gleichwertig sein.

Pressident: Auch wenn die finanziellen Mittel nicht vorhanden sind, werden Sie vermutlich nicht einfach rumsitzen und nichts tun. Was machen Sie als Bildungsministerin, um die inklusive Situation zu verbessern?

Wende: Zum einen nehme ich – wie bereits erwähnt – großen Einfluss auf die Lehrerausbildung. Zum anderen werde ich mich in Kürze mit der Sozialministerin (Anm. d. Red.: Kristin Alheit, ehemalige Pinneberger Bürgermeisterin) zusammensetzen, um über Qualifizierungsmaßnahmen für Inklusionshelfer zu sprechen. Bislang kann jeder Inklusionshelfer werden, ohne jedwede Vorabschulung. Das sollten wir ändern. Gleichzeitig bemühe ich mich, gemeinsam mit den Schulministerinnen und Schulministerinnen der übrigen 15 Bundesländer um finanzielle Mittel vom Bund.

Pressident: Würden Sie sich wünschen, wenn Inklusion bundesweit von allen Ländern gemeinsam angegangen werden würde?

Wende: Das hört sich für manche Ohren möglicherweise sinnvoll an, alle Länder machen es so, wie Berlin es vorgibt, doch wer sagt uns, dass über zentrale Steuerung die besseren Lösungen gefunden werden. Jedes Land muss seinen Weg gehen und wir in Schleswig-Holstein müssen uns bei dieser Thematik nicht verstecken.

Pressident: Was ist mit einem Schüler, der von Schleswig-Holstein nach Niedersachsen umzieht? Kann er dort keine Regelschule mehr besuchen – Niedersachsen hat eine der schlechtesten Inklusionsquoten?

Wende: Sollen wir in Schleswig-Holstein deswegen weniger inkludieren? Das ist ein sehr gutes Beispiel, wir in Schleswig-Holstein müssen unseren eigenen Weg gehen, und sollten uns nicht durch andere Länder ausbremsen lassen.

Pressident: Man könnte einen gemeinsamen Konsens finden.

Wende: Nehmen wir das Bundesland Bayern als Beispiel. Dieses ist laut UN-Konvention genauso zur Inklusion verpflichtet wie wir und trotzdem findet Inklusion dort lediglich in Ansätzen statt. Gleichschritt im Konsens würde häufig Stillstand bedeuten, oder aber Gleichschritt in einem sehr, sehr langsamen Tempo.

Pressident: Welche Gründe haben solche Länder, das Thema Inklusion nicht voranschreiten zu lassen?

Wende: Bedenkenträger haben immer und überall Hochkonjunktur, und die Angst davor, Dinge anders zu tun als man sie immer getan hat, ist meistens größer als der Mut, den es braucht, um Neuland zu betreten.

Pressident: Seit der UN-Konvention ist Kritik an der Inklusion ein Tabu geworden. Umso härter wird dafür das Inklusionskonzept in den Foren im Internet oder auf Stammtischen auseinandergenommen. Verfolgen Sie solche Debatten?

Wende: Ich will sie gar nicht hören! Solche Schimpftiraden sind unter der Gürtellinie.

Pressident: Und wenn die Kritik sachlich ist?

Wende: Dann kommt sie mir auch zu Ohren. Und sie ist mir so wichtig, dass wir in den ersten Wochen unserer Regierung 300 Stellen an die Schulen zurückgegeben haben, die die Vorgängerregierung gekürzt hat, davon haben wir 120 Stellen für die Verbesserung der Inklusion eingesetzt. Das ist zu wenig, aber man merkt: Inklusion ist eine Herausforderung, der ich mich stelle, ich setze mich dafür ein, dass die Rahmenbedingungen Schritt für Schritt besser werden.

Pressident: Wir reden die ganze Zeit über Inklusion, dabei wissen viele überhaupt nicht, was Inklusion ist. Braucht es noch mehr aufklärerische Arbeit?

Wende: Da muss man in der Tat genauer darüber nachdenken. Das Wort Integration werden die meisten Menschen kennen. Das Thema ist ähnlich, aber der Begriff hat sich geändert.

Pressident: Alles in allem: Sind Sie stolz auf das Inklusionskonzept in Schleswig-Holstein, auch wenn Sie sagen, dass noch Nachbesserungen von Nöten sind?

Wende: Ich bin in der Tat stolz darauf! Inklusion ist ein Thema, wo wir den anderen Ländern zeigen können, dass Inklusion funktionieren kann, ich bin der festen Überzeugung: Wo ein Wille ist, findet sich ein Weg.

Pressident: Wie sieht bei Ihnen die inklusive Schule in vier Jahren aus?

Wende: In vier Jahren sind die ersten Lehrer, die nach meinem Modell studieren, kurz davor, ihre Ausbildung zu beenden. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir alle miteinander darüber schmunzeln, wenn wir uns daran zurückerinnern, dass wir einmal Angst davor hatten, die Inklusion könne misslingen.

Pressident: Dann brauchen Sie auch keine Interviews mehr zu diesem Thema zu geben. Vielen Dank für das Gespräch!

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“Ein Lernen voneinander” /ein-lernen-voneinander/ /ein-lernen-voneinander/#comments Sun, 05 May 2013 12:59:29 +0000 /?p=9522 Hubert Hüppe, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung und Mitglied der CDU, setzt sich tagtäglich mit der Umsetzung der Inklusion auseinander. Dabei stößt er nicht selten auf Widerstände.

Pressident: Warum halten Sie den Weg der Inklusion in unserer Gesellschaft für den richtigen?

Hubert Hüppe: Das Ganze ist eine Bürgerrechtsfrage. Ich gehe davon aus, dass jeder Mensch, egal welche Hautfarbe, ob behindert oder nicht behindert, ein Recht auf Teilhabe hat. Inklusion ist dazu da, gemeinsame Lebenswelten zu schaffen. In Deutschland gibt es ein breit gestaffeltes Hilfesystem für behinderte Menschen, doch nicht immer führt das zu inklusivem Leben. Im Gegenteil: Wenn Menschen mit Behinderung von jung bis alt in speziellen Einrichtungen leben, kommen sie nicht in Berührung mit Nichtbehinderten im normalen Alltag. Dadurch entstehen Berührungsängste. Das halte ich aktuell für das größte Problem.

Pressident: Was ist dann Ihr Vorschlag, um dies zu verändern?

Hüppe: Ich möchte, dass Personen mit anderen körperlichen oder geistigen Voraussetzungen eine spezielle, gezielte Förderung erhalten, dass sie aber deshalb nicht von dem eigentlichen Umfeld getrennt werden, denn das wäre Einschränkung der Teilhabe.

Pressident: Seit 2008 gilt eine UN-Konvention, durch die sich u. a. auch Deutschland formal dazu verpflichtet, das Recht auf Teilhabe für jeden ins Gesetz zu übertragen. Was hat sich seit dieser Festlegung in der Praxis verändert?

Hüppe: Für mich ist in dieser Zeit viel zu wenig passiert. Wir haben seitdem zwar teilweise richtige Schritte gemacht, beispielsweise im Bereich der inklusiven Bildung in den einzelnen Ländern. Dennoch hat weiterhin der Trend Bestand, dass alte Menschen in Einrichtungen ausschließlich für Behinderte kommen, es gibt immer noch viel zu viele behinderte Kinder, die nicht in den Kindergarten dürfen und es nicht auf eine Regelschule schaffen.

Pressident: Ist die Bedingung für eine nachhaltige, angestrebte Veränderung ein gesellschaftliches Bewusstsein für Inklusion, für ein Leben in Diversität?

Hüppe: Natürlich! Man muss das in einer Entwicklung betrachten: Bis 1945 wurden behinderte Menschen noch zu medizinischen Versuchen missbraucht, verfolgt und umgebracht. Danach hatten wir ein System, wo man zwar erkannte, dass solche Menschen eine spezielle Förderung benötigen. Häufig auf Initiative der Eltern wurden Sonderschulen, Werkstätten und andere Einrichtungen aufgebaut.

Pressident: Damit erschufen sie den Behinderten aber ein separates Leben.

Hüppe: Richtig! Als Konsequenz gerieten solche Menschen aus dem Sinn der Schwerstmehrfachnormalen, wie ich es gerne sage. So wissen viele heutzutage nicht, wie sie mit solchen Leuten umgehen sollen. Sie lassen sich nicht auf ihre Persönlichkeit ein, die wie bei jedem Fähigkeiten und Schwächen besitzt. Wenn ein Unternehmer in seinem privaten Leben schon keine Begegnungen mit behinderten Menschen erlebt, dann wird er solche Leute erst recht nicht beruflich einstellen. Und zwar nicht, weil er sie als minderwertig erachtet. Sondern weil sie fast Angst vor der Begegnung haben. Und genau das muss aufgebrochen werden, dafür kämpfe ich.

Pressident: Wie stellen Sie sich eine inklusive Gesellschaft denn in der Praxis vor?

Hüppe: Für mich bedeutet es nicht nur ein Recht auf Teilhabe, es ist ein Lernen von einander. Und vor allem ein respektvoller Umgang von Anfang an. Ich habe es schon häufiger mitbekommen, dass Menschen mit Down-Syndrom zum Beispiel an der Kasse geduzt wurden. Das gehört sich nicht, aber leider haben viele Betroffene nicht gelernt, sich frühzeitig zu distanzieren, was an einem nicht stattgefundenen Zusammenleben von Anfang an liegt. Deshalb müssen wir von Anfang an die praktischen Voraussetzungen schaffen, um jedem Menschen die gleichen Chancen zu geben. Dazu gehört nicht nur die Barrierefreiheit oder Blindenschrift, dazu gehört auch leichte Sprache, sodass beispielsweise Menschen mit sogenannter geistigen Behinderung die Möglichkeit haben, Bescheide zu verstehen, sogar politisch mitzugestalten.

Pressident: Wie viel Arbeit und Zeit steht für die Umsetzung der Inklusion noch bevor?

Hüppe: Ich bin immer vorsichtig, wenn jemand behauptet, Inklusion sei ein Jahrhundertprojekt. Das sind meist diejenigen, die entweder dagegen sind oder meinen, erst einmal alle überzeugen zu müssen. Hier geht es aber um Menschenrechte. Deshalb kämpfe ich dafür, diese UN-Konvention hier umzusetzen und merke dabei leider ab und zu, wie sich auch Einrichtungen und Kostenträger dagegen wehren. Aber dieser Beschluss, der seit dem Jahr 2008 gilt, hat zumindest schon einmal dafür gesorgt, dass sich Menschen mit Behinderung nicht mehr so einfach wegschicken lassen. Sie können ihr Recht auf Teilhabe nun offiziell einfordern.

Pressident: Herr Hüppe, vielen Dank für das Gespräch!

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Inklusives Klassenzimmer /inklusives-klassenzimmer/ /inklusives-klassenzimmer/#comments Fri, 03 May 2013 19:37:30 +0000 /?p=9596

Inklusives Klassenzimmer für Hörgeschädigte

Gehe mit der Maus über das Bild, um zu sehen, wie sich ein inklusives Klassenzimmer von einem herkömmlichen Klassenzimmer unterscheidet.

Inklusionsquote in Schulen im Bundesländervergleich

Gehe mit der Maus über die Grafik, um zu sehen, wie die Inklusionsquote in den einzelnen Bundesländern ist. Die höchste Quote weist Bremen mit 55,5% auf.

Quelle: Quelle: Aktion Mensch

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Inklusion: Kennt ihr euch aus? /inklusion-quiz/ /inklusion-quiz/#comments Mon, 29 Apr 2013 13:21:32 +0000 /?p=9515 Das gemeinsame Lernen von behinderten und nicht-behinderten Schülern in einer Klasse ordnet man dem Oberbegriff “Inklusion” unter. Was weißt du zu diesem Thema? Stelle dein Wissen rund um Inklusion auf die Probe!

Inklusions-Quiz

Denn Liebe kennt keine Grenzen – gelebte Inklusion.
“Lukas Gruenke”, www.jugendmedien.de, (by-nc)

In der Fachsprache redet man bei einer Rollstuhlfahrerin von einer ...





Wie viele Menschen mit einer Schwerbehinderung leben in Deutschland?





Wann wurde die UN-Konvention verabschiedet, in der sich alle Mitgliedsstaaten verpflichten, jedem behinderten Kind das Recht auf inklusive Bildung zuzugestehen?





Wie viel Prozent der schwerbehinderten Menschen sind bereits bei der Geburt schwerbehindert?





Inklusion kommt aus dem Lateinischen (inclusio) und heißt übersetzt...





Welche Farben hat ein Schwerbehindertenausweis?





In welchem Bundesland besuchen die meisten Förderschüler eine Regelschule?







 

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Täglich neue Herausforderungen /taglich-neue-herausforderungen/ /taglich-neue-herausforderungen/#comments Sun, 28 Apr 2013 11:07:04 +0000 /?p=9472 Berufsporträt Sonderpädagoge: Kinder mit einer Behinderung oder einer Krankheit, psychischen Problemen oder einem kritischen sozialen Hintergrund, sind häufig auf gezielte Förderung angewiesen, um Lernschwierigkeiten zu lindern. Ein Sonderpädagoge arbeitet mit diesen Kindern und Jugendlichen und hilft ihnen, die Schwierigkeiten zu überwinden.

In der Sonderpädagogik wird in „Heilpädagogische Früherziehung“ und „Schulische Heilpädagogik“ unterschieden und während der Ausbildung spezialisieren sich die Fachkräfte auf jeweils einen dieser beiden Bereiche.

Die heilpädagogische Früherziehung beschäftigt sich mit Klein- und Vorschulkindern, die Auffälligkeiten und Besonderheiten bei der Entwicklung zeigen. Hierbei ist es wichtig, dass die Sonderpädagogen eng mit den Familien der Kinder zusammenarbeiten und diese beraten und unterstützen. Die Kinder können somit gezielt individuell in Einzel- oder Gruppenstunden gefördert werden.

Sonderpädagogen, die im Bereich der schulischen Heilpädagogik tätig sind, arbeiten als spezialisierte Lehrkräfte an Schulen, oder aber im Bildungsbereich in Kinderheimen. Durch eine spezielle Schulung und individuelle Förderung der Kinder, wird versucht, Lernschwierigkeiten zu bewältigen. Um eine möglichst passende Lernmethode für jedes Kind zu finden, werden die Lernprozesse gründlich beobachtet und studiert und die Vorgehensweisen an die Bedürfnisse der Kinder angepasst.

Außerdem gehört es zu den Aufgaben des Sonderpädagogen, die Eltern, andere Lehrkräfte und die Schulleitung zu beraten.

Höchstes Ziel ist immer, nicht nur die schulischen Leistungen zu verbessern und somit spätere berufliche Chancen für die Kinder und Jugendlichen zu schaffen, sondern diese auch erfolgreich in ein soziales Umfeld zu integrieren.

Das Förderzentrum Pinneberg unterstützt Regelschulen bei der Beschulung und im Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, damit alle Kinder und Jugendliche erfolgreich in ihrer Schule lernen können und gut mit ihren Mitschülern auskommen.

Interview mit einer Sonderpädagogin

Im Zuge unserer Themenreihe „Inklusion“ erhielten wir die Chance, Petra Blanke, Sonderpädagogin am Förderzentrum Pinneberg, zum Gespräch zu treffen, um hautnah Einblicke in ihren Beruf zu erhalten.

Pressident: Wie lange arbeiten Sie schon als Sonderpädagogin und seit wann sind Sie am Förderzentrum Pinneberg tätig?

Petra Blanke: An der Heinrich-Hansemann-Schule arbeite ich nun insgesamt schon 23 Jahre, das Förderzentrum an sich gibt es erst seit einem Jahr. Ich hatte zuvor Sonderpädagogik in Hamburg studiert und dort auch mein Examen gemacht.

Pressident: Welche Tätigkeiten gehören zu Ihrem Aufgabenbereich?

Blanke: Hauptsächlich arbeite ich mit an der Sprachförderung für Deutsch als 1. Muttersprache. Da ich ganztags arbeite, kommen am Nachmittag Kinder aus Grundschulen und Kindergärten hier her, die kostenlose Kurse zur Verbesserung ihrer Sprache und zur Bekämpfung von Sprachfehlern belegen können. Nebenbei führe ich noch Tests in Kitas durch, um bei den Fünfjährigen zu testen, ob ihre Sprache sich normal weit entwickelt hat. Seit letztem Jahr bin nun auch noch Mentorin für neue Auszubildende und Studenten und arbeite bei InPrax mit. Dort gehe ich an Schulen, die Fragen zum Thema der Schulentwicklung im Bezug auf Inklusion haben.

Pressident: Wie können wir uns einen typischen Arbeitstag von Ihnen vorstellen? Gibt es so einen überhaupt?

Blanke: Einen typischen Arbeitstag im Förderzentrum gibt es nicht mehr. Ich kann allerdings etwas zum Berufsbild des Sonderpädagogen sagen, das sich vor allem noch einmal durch die Inklusion verändert hat. Wir sind jetzt, was diese Schule angeht, nicht mehr in einer Sonderschule tätig, sondern an Regelschulen und in der veränderten Eingangsphase in den Klassen Eins und Drei, im sogenannten Präventiven Unterricht, um Lernstörungen und Lernbehinderungen zu vermeiden.

Sonderpädagogen haben unterschiedliche behindertenspezifische Fachrichtungen studiert, das ist sehr breit gestreut, beginnt zum Beispiel bei der Blindenpädagogik, der Sehbehindertenpädagogik, der Gehörlosenpädagogik, der Körperbehindertenpädagogik, der Geistigbehindertenpädagogik, der Lernbehindertenpädagogik und der Sprachbehindertenpädagogik. . Früher gab es auch noch die sogenannte Verhaltensgestörtenpädagogik. Das gibt es heute weitgehend nicht mehr und alles nennt sich heutzutage ein bisschen anders, Menschen mit Problemen dieser Art gibt es natürlich immer noch.

Nehmen wir meine Person als Beispiel (lacht): Ich habe die beiden behindertenspezifischen Fachrichtungen Geistesbehindertenpädagogik und Sprachbehindertenpädagogik studiert. Ich arbeite in Vollzeit, mit der Hälfte meiner Stunden an der Helene-Lange-Schule, der benachbarten und eigentlich größten Grundschule hier in Pinneberg. Dort arbeite ich in den Klassen Eins und Zwei in der Prävention und zwar mit dem Schwerpunkt Sprachförderung, aber nicht im Sinne von Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund, die Deutsch als Zweitsprache erlernen, sondern für Kinder, bei denen Deutsch die Erst- oder die Muttersprache ist. Mit weiteren Teilen meiner Unterrichtsverpflichtung bin ich am Nachmittag hier tätig, dann kommen auch Kinder aus Grundschulen und Kindergärten und haben die Möglichkeit eine Sprachförderung zu erhalten, die kostenlos ist. Mit einem weiteren kleinen Teil meiner Arbeitszeit gehe ich in Kindergärten und biete dort bei Bedarf an, alle fünfjährigen Kinder  einmal auf die Entwicklung ihrer Lautsprache zu testen,. Fünfjährige deshalb, weil dort noch die Chance besteht, dass sie vor der Einschulung Hilfe bei der Logopädie bekommen.

Dann bin ich zum Beispiel in diesem Schuljahr auch Mentorin gewesen, das heißt Ausbilderin für Anwärterinnen und Referendarinnen für diesen Beruf. Dies erfordert eine Menge an Kooperation mit der Grundschule, denn die Kollegin die jetzt ausgebildet wird, muss dort drüben in den Klassen arbeiten und ich leite sie in ihrer Behinderten spezifischen Fachrichtung im Regelunterricht an. Und da wir immer zwei Sonderpädagogische Fachrichtungen haben, wird man auch immer doppelt angeleitet. Das heißt, man hat zwei Mentoren und die entsprechende Ausbilder vom IQSH, also vom Lehrerausbildungsinstitut und die Kollegen, die in den Klassen tätig sind. Somit ist immer eine ganze Menge an Absprache nötig.

Pressident: Wie kamen Sie auf die Idee, Sonderpädagogin zu werden? Wann haben Sie sich dazu entschieden?

Blanke:In den meisten Fällen ist es so, dass private Begebenheiten einen zu seinem Beruf führen, so war es auch bei mir. Ich selbst habe einen behinderten Bruder.

Pressident: Welche sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Eigenschaften, die man für Ihren Beruf mitbringen sollte?

Blanke: Man sollte wissen, was einem selbst beim Lernen geholfen und was einen behindert hat. Wichtig ist vor allem, dass man ein klares Bild von seinen persönlichen Stärken und Schwächen vor Augen hat.

Petra Blanke in einem der Räume des Förderzentrums, die für die Sprachförderung genutzt werden.

Pressident: Was reizt Sie besonders an Ihrem Beruf? Was ist spannend an Ihrer Tätigkeit?

Blanke: Die Vielfältigkeit. In so einem Beruf und Umfeld wird einem nie langweilig, auch nicht nach den 23 Jahren, die ich hier nun schon arbeite. Jeden Tag stößt man auf neue Herausforderungen und neue Problemstellungen.

Pressident: Gehen Sie an manchen Tagen unzufrieden nach Hause, weil etwas nicht so gut geklappt hat?

Blanke: Ja. Ich kenne solche Situationen gut, besonders aus der Zeit als ich „nur“ an der Förderschule gearbeitet habe. Gerade die damaligen großen Gruppen mit sehr vielen Problemfällen haben einen einzigen Lehrer überfordert. Die Schule war ein Pool für sehr schwerwiegende Probleme – die einen natürlich auch sehr belastet haben.

Pressident: Fällt es Ihnen schwer, bestimmte Fälle nicht zu nah an sich ran zu lassen?

Blanke: Dafür gibt es immer wieder Fortbildungen. Zum einen muss man eine menschliche Nähe aufbauen, zum anderen aber auch eine professionelle Distanz bewahren, gerade bei schwerverdaulichen Situationen und Vorfällen. Hierbei sind Beratungen mit Kollegen und Therapien wichtig, da man selbst natürlich stets gesund bleiben muss.

Allerdings muss heute auch ganz neu begonnen werden und es kommt immer wieder zu Druck von Seiten der Regelschulen. Im Kreis Pinneberg habe ich bis jetzt aber nur gute Erfahrungen gesammelt.

Pressident: Gab es einen bestimmten Moment, in dem Sie besonders froh waren, Sonderpädagogin geworden zu sein? Eine Geschichte, die Sie besonders berührt hat?

Blanke: Ja, definitiv, es gibt viele Beispiele. Ich erzähle gerne von einem Erlebnis, das mir ganz spontan einfällt. Ich spreche dafür jetzt einmal ganz deutlich gegen die Sonderschule: Ich hatte mehrere Schüler, die einen Migrationshintergrund hatten und eine Schülerin, die hier sehr auffällig war. Sie klaute, war rotzfrech, nicht angepasst. Das Mädchen stammte aus Ghana. Sie war an dieser Schule, hatte erhebliche Probleme mit dem Deutschen, mit Mathe allerdings lief es gut. Diese Schülerin ist Studentin geworden an der Fachhochschule für Soziale Arbeit in Köln. Solche Geschichten berühren mich und machen mich glücklich und stolz. Wenn ich hier durch Pinneberg gehe, treffe ich häufig ehemalige Schüler mit Migrationshintergrund, die einen völlig normalen Beruf ergriffen haben und von denen ich denke, dass wir hier nicht der richtige Ort für sie waren und dass wir auf eine falsche Art und Weise mit ihnen umgegangen sind.  Wir haben hier nie Kinder rekrutiert, sondern sie sind zu uns gekommen, weil sie woanders nicht aufgenommen wurden.

Das ist eine der Geschichten, die mir ein wenig die Augen geöffnet hat im Hinblick auf Delektieren[Tim7] , Auswählen, Zuweisen -  gerade wo die Sprache so wichtig ist und wo die Sprache einen enormen Einfluss darauf hat, welchen Weg man überhaupt im Leben nehmen kann.

Ich habe selbst viele schöne Rückmeldungen von Schülern bekommen, die mich wirklich sehr froh gemacht und darin bestärkt haben, dass Sonderpädagogin für mich der richtige Beruf ist. Diese Schüler haben dann unter anderem geschrieben, dass sie es gut fanden, dass ich lustig war, einige sagten, dass ich fast so etwas wie eine Freundin war, anstatt nur eine Lehrerin. Ich glaube, das ist mit das größte Kompliment, das man kriegen kann und zeigt mir auch, dass ich zu meinen Schülern eine Nähe aufbauen konnte. Inzwischen würde ich sagen, dass dies nicht unbedingt etwas Spezifisches für Sonderpädagogen ist. Diese Fähigkeit sollte jeder Lehrer haben.

Pressident: Also haben Sie auch heute immer noch zu ehemaligen Schülern Kontakt?

Blanke: Ja, auf jeden Fall. Wir haben regelmäßig Ehemaligen-Treffen und dann kommen die ehemaligen Schüler und bringen inzwischen auch schon Kinder mit oder erzählen ganz glücklich über ihre Werdegänge, die zum Teil wirklich erfreulich sind. Da sieht man einfach, dass wir bei Menschen, die wirklich ganz unterschiedliche Schwierigkeiten im Leben haben, mit mehr Zeit rechnen müssen. Diese kommen teilweise mit 27 und sind dann das erste Mal alleine mit etwas wirklich fertig geworden und darüber sehr glücklich. Zum Beispiel erzählen sie dann erfreut, dass sie eine Arbeit oder eine eigene Wohnung haben – oder sogar eine eigene Familie. Für uns sind viele dieser Dinge etwas völlig Normales, doch für diese ehemaligen Schüler bedeuten diese Schritte meistens die ersten bedeutenden Erfolge in ihrem Leben und wir sind glücklich, diese Menschen ein Stück auf den richtigen Weg gebracht zu haben.

Pressident: Vielen Dank für das Gespräch!

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