Schneller, weiter, besser: Das (olympische) Spiel mit der Gefahr
Geschrieben am 15. Feb, 2010 von Tim in News , Sport
„Ja, sie ist zu schnell!“, äußerte sich die deutsche Rodel-Olympiasiegerin Sylke Otto über die Bob- und Rodelbahn im kanadischen Whistler. Für genau einen Menschen kommt diese Warnung zu spät: Der Rodler Nodar Kumaritischwili aus Georgien ist in der internationalen Trainingswoche zur Vorbereitung auf die olypischen Winterspiele in Vancouver ums Leben gekommen.
Weiter, immer weiter. Schneller, immer schneller. Nur wer wagt, der gewinnt! Kumaritischwili ist der erste Leidtragende, noch nie ist ein Sportler bei Olypia gestorben!
Kann man das Whistler Sliding Center unter der wachsenden Einsicht, dass es nicht mehr ein Test der Nerven und der Geschicklichkeit, sondern eine Lotterie mit den Leben der Sportler darstellt, weiterhin geöffnet halten? “The Independent”
Die kanadische (Foto: © barbarita / Pixelio ) Rodelbahn gilt als die gefährlichste der Welt. Erst am Donnerstag stellte der Österreicher Manuel Pfister im Trainingslauf mit 154 km/h einen Geschwindigskeit-Weltrekord auf. 154 km/h! Mehr als 40 Meter pro Sekunde!
Ist bei solchen Geschwindigkeiten eine Sicherheit der Sportler überhaupt noch ansatzweise zu gewährleisten? Oder gehört der Tod mittlerweile schon zum Berufsrisiko der Sportler?
Doch das Lebensende eines Sportlers mit 21 Jahren scheint den Verantwortlichen nicht schlimm genug zu sein. Bereits wenige Stunden nach der Tragödie äußerte sich der Weltverband zu dem Vorfall. Schuld seien nicht die Bahn und auch nicht die Geschwindigkeit. Einzig und allein ein Fahrfehler hätte dieses Ausmaß nach sich gezogen. Der Georgier sei zu spät aus Kurve 15 gekommen und verlor im weiteren Verlauf die Kontrolle. In der letzten Kurve flog Kumaritischwili dann aus der Bahn und prallte mit dem Hinterkopf gegen einen Stahlträger der Bahnüberwachung. Ein Fahrfehler sei also Schuld. Aber darf ein Fahrfehler solche Folgen haben?
Die Todeskurve hatte im Expertenkreis den Namen „Thunderbird-Kurve“. Sie bedeutet so viel wie Donnervogel. Doch es ist bei weitem nicht die einzige gefährliche Konstruktion in Whistler. Die Kurve 13 hat bei den Sportlern den Namen: fifty-fifty. 50% kommen heil durch, 50% nicht.
Die Spiele gehen weiter. Trauer und Kritik schaden den Olympiaspektakel. Die ersten Sieger werden bereits gefeiert. Will der Weltverband die ganze Sache jetzt vergessen, wegstecken oder von eigenen Fehlern ablenken?
Fragen über Fragen, die eigentlich gar nicht gestellt werden dürften. Viele Sportler warnen bereits seit Ewigkeiten, dass die Bahn zu schnell ist. Erst vor einem Jahr verurteilten einige Leistungssportler den Speed der Rodel- und Bobbahn.
Auch (oder besonders) auf dieser Bahn gab es viele Verletzungen. Was blieb war ein Jahr der Untätigkeit. Erst jetzt – nach dem Tod Kumaritischwilis – passiert etwas. Für die diesjährigen olympischen Spiele wurde die Bahn verkürzt und für die nächsten deutete ein Sprecher des Rodelweltverbandes schon an, dass eine Geschwindigkeitsgrenze eingeführt werden muss.
Ebenso die Bahn in Whistler wurde eigentlich für die Obergrenze von 137 km/h gebaut. Warum aber konnte der Georgier mit 144 km/h aus der Bahn fliegen? Weshalb konnte ein Geschwidigkeitsweltrekord mit über 154 km/h aufgestellt werden?
Konstruiert wurde die Bahn übrigens von einem deutschen Ingenieur. Doch auch dieser weist jegliche Schuld von sich. Alle weisen die Schuld von sich. Was bleibt, ist ein Toter, der die Schuld auf sich tragen soll?
Rodeln auf Olympiaebene bleibt eine große Herausforderung. Nodar Kumaritischwili war ihr nicht gewachsen.
Höher, schneller, weiter, tot.