4.500 Ergebnisse bekomme ich bei Google, 150 Absätze wirft mir Wikipedia an den Kopf – im Internet-Dschungel den Überblick zu behalten, ist zwischenzeitlich gar nicht so einfach. Sind meine Erwartungen wirklich so anspruchsvoll? Was ich suche: Ein möglichst umfassendes Referat über einen griechischen Komponisten. Eine Reise durchs Internet.

Den Hinweis meines Lehrers – “Informiere dich in der Stadtbibliothek oder in deinen Lexika” ignoriere ich gekonnt, als der Power-Button meines Laptops blau zu leuchten beginnt. Entschuldigung, aber ich gehöre zur Generation iPad, und somit zu einer Menschenschicht deren Schulranzen mehr Bytes als Buchseiten beinhaltet, deren Musikgeschmack sich auf das Startsignal von Windows beschränkt und deren Freundeskreis mit Followern und Friends bezeichnet wird.

Ich stoße auf eine Internetseite, die mir “Lernen mit Erfolg verspricht – Garantiert!”. Keine schlechte Ausgangslage, um an meine gewünschten Informationen heranzukommen, erst als man meine Kontodaten wünscht, werde ich stutzig und breche die Anmeldung ab. Sicherlich könnte ich den Wikipedia-Eintrag studieren, trotzdem setze ich zuerst einmal einen Hilferuf in einem Schülerforum ab. Vielleicht kriege ich dort mehr Infos. Die Suche beginnt.

Wie verändert die Digitalisierung das Freizeitverhalten von Kindern und Jugendlichen? - "Jonas Kako" / www.jugendmedien.de

Vielfalt – Online lernen

Auf YouTube gibt es Online-Lerntutorials mit steigender Beliebtheit. Die Videoaufrufe liegen im achtstelligen Bereich. Ich stoße auf einen Nachhilfelehrer, der in seinen Videos – auf Wunsch von Zuschauern – Mathethemen und Aufgaben bespricht – in verständlicher Sprache, zu jeder Tageszeit und völlig kostenlos! Der Online-Mentor, welcher sich Fex nennt, steht vor einer weißen Wand und zeigt sichtlich Freude, wenn er in seinem faltigen Hemd den Zuhörern die Kunst der Mathematik näher bringen kann. Er erklärt die Flächenberechnung am Beispiel eines Sportplatzes und einen Dreisatz mithilfe von Äpfeln und Birnen. Nebenbei baut er Seitenhiebe wie “Beim Bruch ist natürlich nicht die Verletzung im Sport gemeint” ein. Sein Publikum liebt ihn für solche Erklärungen: “Du bist meine Rettung!”, schreibt ein begeisterter Schüler und ein weiterer fügt noch hinzu: “Einfach genial, du hast mich vor meiner Matheklausur morgen gerettet!”. Infos über meinen griechischen Komponisten finde ich hier leider nicht. Dafür stoße ich auf ein Fanforum des Künstlers, leider mit nur 3 Mitgliedern und 11 Beiträgen, der letzte davon aus dem Jahr 2006. Keine große Hilfe.

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Vielleicht sieht es ja im Frageforum gutefrage.net besser aus? Nein, leider nicht – als Standardantwort stoße ich nur auf: “gutefrage.net ist eine Ratgeber-Plattform und kein Hausaufgabendienst. Hausaufgabenfragen sind nur dann erlaubt, wenn sie über eine einfache Wiedergabe der Aufgabe hinausgehen.”

Entschuldigung, aber ich gehöre zur Generation iPad, und somit zu einer Menschenschicht deren Schulranzen mehr Bytes als Buchseiten beinhaltet, deren Musikgeschmack sich auf das Startsignal von Windows beschränkt und deren Freundeskreis mit Followern und Friends bezeichnet wird.

Ich merke schon: Die Arbeit erledigt mir keiner freiwillig. Ich muss mich selber an die Arbeit machen und mir Informationen besorgen. Auf einer Privat-Homepage finde ich viele interessante Dokumente, Interviews und Fotos – u.a. von Weggefährten des gesuchten Künstlers. Die Seite ist auf Englisch – unter dem Menüpunkt “Introduction” ist ein Musikbeispiel der Internetseite last.fm eingebaut. Zum Vollständigen Hören des Songs muss ich zahlen. Auf YouTube gibt es das Lied in voller Länge kostenlos. Doch die Privat-Homepage, über die ich durch die Literaturliste von Wikipedia gestoßen bin, enthält weitere interessante, nützliche Informationen. Der Google Übersetzer zeigt mir den Text auf Deutsch an. Auf Englisch verstehe ich mehr. Ich schalte ihn wieder ab.

Über eine Werbeanzeige auf der Internetseite werde ich zu einer “perfekten” Abiturvorbereitungssoftware geleitet. Es handelt sich um das iPhone-App tutor2go, welches mit Hilfe von MP3-Player und Handy eine optimale Abi-Vorbereitung verspricht. In der Praxis überzeugt die Anwendung: Die Bio-Übungen werden mittels Lernkarten begleitet und einer kurzen Frage abgeprüft, alle falsch beantworteten Fragen werden später noch einmal gestellt. Das einzige Manko: Dafür, dass die Abi-Prüfung bei mir noch gar nicht ansteht, ist mir der Preis von 6,99€ im iTunes-Store doch zu teuer.

Kostenloses Übungsmaterial ist online allerdings auch reichlich vorhanden. Zum Beispiel ein Sprachenlerntrainer, dem ich sogar mehrere Sätze vorlesen kann und von dem meine Aussprache überprüft wird. Interessant, allerdings ist die Suchtgefahr zu groß, wahrscheinlich würde so manch Erwachsener bei diesem Spielzeug das Kind aus ihm herausholen. Mir bringt diese neue Erkenntnis nichts, ich suche weiterhin Infos meines griechischen Komponisten.

Traditionell... ("Mariesol Fumy" / www.jugendmedien.de)

...oder modern? ("Zeno F. Pensky - schoenefotowelt.de" / www.jugendmedien.de)

Während ich inhaltlich nicht weiterkomme, mache ich mir Gedanken zur Präsentation. Powerpoint? Wird drin sein. Auf die Schulcomputer des letzten Jahrhunderts kann ich nicht zählen, ich werde wohl meine eigenen Geräte mitschleppen müssen. Ipad, iPhone? Keine Chance – nicht kompatibel mit Powerpoint und Beamer. Also doch der eigene Laptop? Anders wirds kaum funktionieren, verzichten möchte ich auf Powerpoint dann doch nicht.

Warum lernen, wenn es alles schon online gibt?

Per Google Suchmaschine zum Stichwort “Lernen” erfahre ich, dass vor einiger Zeit ein interessanten Projekt, das sich  “Mixopolis” nennt, online gegangen. Via Live-Chat stehen dort im Internet Mentoren zur Verfügung, denen je nach Fachgebiet Fragen in allen denkbaren Richtungen gestellt werden können. Einige helfen beim Thema Auslandsjahr, andere informieren über Studiengänge und mancher gibt Tipps und Tricks, wie man eine gute Bewerbungsmappe zusammenstellt. Alles anonym und kostenlos. Über meinen Komponisten weiß keiner Bescheid, dafür über ein Online-Lern-Spiel um erfolgreich die Führerscheinprüfung zu bestehen. Doch warum lernen wir überhaupt, wenn es alles schon online gibt? Die Technik schreitet weiter voran, wie lange wird es noch dauern bis das erste Auto ohne menschliche Steuerung in die Produktion geht?

Andererseits: Wie weit ist der heutige Stand der Künstlichen Intelligenz bei Menschen oder menschenähnlichen Maschinen überhaupt? Nicht lange ist es her, da siegte in einer amerikanischen Quizshow ein Roboter gegen menschliche Teilnehmer . Auch im Pressident wurde das Thema aufgegriffen, der Titel “Computer schlauer als Menschen” löste kritische Expertenreaktionen aus. Im Kommentarbereich erreichte uns schnell die Rückmeldung “Das was IBM mit Watson geleistet hat ist ohne Frage beindruckend, hat aber mit “Intelligenz” im menschlichen Sinne nichts (!) zu tun. Watson spielt außerordentlich gut Jeopardy, sonst nichts. Die Situation ist eigentlich die Gleiche wie damals, als Deep Thought Kasparov beim Schach geschlagen hat. Beides war nichts weiter als das Ergebnis purer Rechenkraft. Und das der Computer bei spezifischen Aufgaben schneller rechnet als ein Mensch, ist wahrhaftig keine Neuigkeit.”

Weiterhin erläuterte uns ein Wissenschaftler des Sony Computer Science Laboratory Paris (CSL): “Der Fortschritt auf dem Bereich der Künstlichen Intelligenz ist wesentlich langsamer, als manch einer sich das wünscht.”

Lernen

Auch in der Augsburger Puppenkiste bei Frau Mahlzahn und Jim Knopf ist “Lernen” ein beliebtes Streitthema.

Einen Computer im/statt Gehirn – dafür mangelt es mir an Vorstellungskraft. Ist das Gehirn nicht schon so der beste Computer der Welt? Selbst wenn es möglich wäre, so würde es Jahrhunderte dauern – Jahre, in denen wir noch lernen müssen, in denen wir uns nur schwer vorstellen zu können, zu jeder Zeit einen Computer dabei zu haben und bei einer englischen Unterhaltung schnell den automatischen Übersetzer nach Vokabeln fragen müssen, nur weil wir sie mit der Begründung “Warum lernen, wenn es alles schon online gibt?” nicht können.

Hinzu ist die Frage “Was passiert bei einem Stromausfall?” noch gar nicht geklärt. Bereits heute legen Menschen wie ich ihre technischen Geräte nur noch weg, um über einen Selbstversuch “24 Stunden ohne Strom” in der Lokal- oder Schülerzeitung zu berichten. In Zukunft werden iPad und Co. im Alltag eine noch bedeutendere Rolle einnehmen.

Der PC ist ein fantastisches – viel mehr unglaubliches – Objekt, doch wenn es darum geht, die Realität nicht aus den Augen zu verlieren, ist unser Wissen im Gehirn unersetzbar.

Eine Art von Lernen wird uns nie verloren gehen – die Art, in der wir lernen, das Internet zu bedienen und einen Computer zu starten. Lass mich das kurz googlen.

Geschrieben von Tim 3 Kommentare
Das geht besser! Hmm, naja... Nett geschrieben. Guter Beitrag! Genial! ( 8 Bewertungen, Durchschnitt: 5,00 von 5)
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3 Kommentare

  1. Martin sagt:

    Sehr gute Zustandsbeschreibung!
    Ich habe diesen Artikel gleich als “Aufreißer” zum Thema “Einfluss von Medien auf uns” in einer Lehrveranstaltung an der Uni genommen. Martin

  2. [...] Online-Schülerzeitung Deutschlands! Dazu kommt der 3. Platz in der Kategorie Sonderthema für /lernen/. Weitere Informationen in den nächsten Tagen! Geschrieben von Tim Kommentar schreiben [...]

  3. [...] wurde Tim in der Kategorie Sonderthema ausgezeichnet. Er erhielt mit seinem Text zum Thema „Warum lernen, wenn es alles schon online gibt“ den dritten Preis. Herzlichen Glückwunsch! Mit diesen tollen Leistungen konnten man wir uns mit [...]

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