“Durch diese Schulpolitik findet niemand mehr durch!”
“Die beiden AKWs in Schleswig-Holstein werden nie wieder ans Netz gehen.”, vermutet Torsten Albig, Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahlen 2012 in Schleswig-Holstein, und sieht im Gegensatz zu seinen Parteigenossen keine Wahlkampftaktik der Regierungsparteien. Im Pressident spricht der Politiker über Fachkräftemangel, Schulpolitik und soziale Netzwerke.
Pressident: Herr Albig, Sie haben zwei Kinder, in welchem Alter?
Torsten Albig (47): Meine Tochter ist 13 und mein Sohn 19.
Falls: Wollten Sie deshalb das Wahlalter in Schleswig-Holstein heruntersetzen?
Albig (lacht) : Nein, das wurde auch ohne mich diskutiert. Wir haben ja auf der Kommunalebene ein Wahlrecht ab 16 – Bürgermeister werden auch von 16-jährigen gewählt und ich finde das ganz vernünftig, dass man in dem Alter schon mitbestimmen kann, was in seiner Stadt, aber auch was in seinem Land, an Politik geschehen soll. In diesem Alter versteht man sehr wohl, was passiert, und ganz viel von dem, was Politik heute macht, betrifft gerade junge Menschen. Ich denke, man sollte das Wahlalter so weit wie möglich nach unten ziehen.
Pressident: Wählt Ihre Familie CDU, damit Sie mehr Zeit zuhause verbringen können?
Albig: Das weiß ich nicht genau, meine Frau entscheidet das selber, das erzählt sie mir auch nicht. Mein Sohn hat das letzte Mal zum ersten Mal gewählt und der hat – glaube ich – mich gewählt.
Pressident: Haben Sie Ihren Kindern eine Berufsempfehlung gegeben?
Albig: Nein, habe ich nicht. Meine Tochter ist erst in der 7. Klasse auf dem Gymnasium und mein Sohn kommt jetzt in die 13. So viele Berufe kenne ich auch nicht. Zu vielen handwerklichen Berufen beispielsweise könnte ich auch nur dummes Zeug reden. Ich bin selber Jurist und ich könnte aus dem Bereich und aus meinem Studium einiges erzählen. Aber nach der Schule ging es mir auch so, dass man selber ein Gefühl dafür bekommen sollte, was man gerne machen möchte und woran man Spaß hat. Am Ende muss man frei genug sein, seinen eigenen Weg gehen. Eltern sollten eher beraten, aber nicht die Wege vorzeichnen.
Pressident: Die deutsche Wirtschaft rechnet mit einem dramatischen Mangel an Mitarbeitern. Sind diese Sorgen berechtigt?
Albig: Ja, die sind sehr berechtigt.
Pressident: Erleben Bewerber bei der Berufs- und Arbeitgeberwahl Zustände wie im Schlaraffenland?
Albig: Wenn sie gut sind, ja. Der Arbeitsmarkt der letzten Jahre war einer, in dem junge Menschen oft an die hundert von Bewerbungen schreiben mussten. Das war übrigens als ich Abi gemacht habe auch so. In den 80er Jahren, also vor der Deutschen Einheit, war die wirtschaftliche Lage ähnlich negativ – zahllose Bewerbungen und es kamen immer nur Absagen. Dies wird sich ändern. Wer in Zukunft mit einem guten Zeugnis, mit guten Ergebnissen an den Arbeitsmarkt geht, wird es sich in den nächsten Jahren aussuchen können, wo er eine Ausbildung machen will. Das liegt daran, dass wir leider zu wenige junge Menschen in unserem Land haben.
Gleichzeitig gibt es in unserer Gesellschaft aber eine Gruppe von Menschen, die keine gute Bildung haben. Die keinen Schulabschluss haben. Und obwohl wir händeringend Fachkräfte suchen, werden diese jungen Leute große Schwierigkeiten haben, eine Ausbildung oder eine Arbeit zu bekommen. Es gibt Stadtteile, da vererbt sich schlechte Bildung scheinbar von den Eltern auf die Kinder. Natürlich nicht genetisch, aber in den Familien. Eltern mit schlechter Bildung haben Kinder, die schlechte Bildung haben. Und die werden dann wieder Eltern mit schlechter Bildung und so weiter. Es gibt dann gleichzeitig einen Fachkräftemangel und eine stabile Arbeitslosigkeit. Das ist völlig bekloppt. Diesen Teufelskreis müssen wir stoppen. Niemand darf ohne einen ordentlichen Abschluss von der Schule abgehen. Und das hat was damit zu tun mit der großen Frage, wie bekommen wir Bildung an jeden jungen Menschen tatsächlich so ran, dass egal wo er herkommt, er die Chance hat, in seinem Leben selber entscheiden zu können und nicht ständig Hilfen des Staates braucht?
Pressident: Zeigt sich der Wettbewerb um die immer weniger werdenden Fachkräfte in einer besseren Bezahlung?
Albig: Auch das. So funktionieren die Märkte. Es wird die Möglichkeit geben, sich genau das auszusuchen, was man gerne hätte. Es wird ein Nachfragemarkt sein. Für die mit guter Schulbildung.
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Pressident: Kaufen Sie selber ein?
Albig: Ja.
Pressident: Merken Sie, dass Sie länger warten müssen, wenn der Verkäufer Nicht-SPD-Wähler ist?
Albig (lacht): Nein, das ist mir noch nicht aufgefallen. Ich glaube aber auch nicht, dass ich in Kiel so prominent wäre, dass ich meinen Käse schneller bekomme. Zum Glück.
Pressident: Wo Sie das Thema “Prominenz” schon ansprechen: Zur Bundespräsidentenwahl vor einigen Jahren titelten einige große deutsche Zeitungen „Horst…wer?“. Schaffen Sie bis 2012 ein „Torsten…wer?“ zu verhindern?
Albig: Ich glaube ja. Ich glaube auch, dass das bei Köhler nicht stimmt und nicht gestimmt hat. Ich hab das bei der Oberbürgermeisterwahl erlebt. Ich bin im September von der SPD zum Kandidat ernannt worden und im März war die Wahl. Wir haben sechs Wochen harten Wahlkampf gemacht. Die große Angst meiner Leute war, „den kennt ja keiner“. Die amtierende Oberbürgermeisterin ist wieder angetreten, war jeden Tag in der Zeitung, sechs Jahre lang. Und dann stellten wir für meinen Wahlkampf in Kiel ungefähr 2000 Plakate auf. 2000mal einen Glatzenkopf mitten in der Stadt und der lächelt dann die Leute an. Da kann Glatze auch mal ein Vorteil sein. Man fällt ein bisschen mehr auf. Ich hatte noch keine Erfahrung gemacht, wie sich das auswirkt und bin dann auf den letzten Metern der Wahl an einer Schule gewesen und habe dort an die Schüler Flyer verteilt, und auf einmal kam ein Unterstufenschüler auf mich zu gerannt: „Oh der Albig!“. Und da wusste ich, dass die Bürger merken, da ist einer, der will gewählt werden. der ist nicht mehr unbekannt. Die Präsenz geht dann auch wieder etwas verloren, wenn die Plakate weg sind. Die Frage ist mehr, was passiert hinterher? Kriegt man es später hin, dass die Leute mitbekommen, dass man ihr Oberbürgermeister ist? Ich bin sicher, das klappt auch bei der nächsten Wahl ganz gut. Und so prominent ist mein Gegner ja auch nicht.
Pressident: Unsere Schülerzeitung hat Herrn von Boetticher interviewt.
Albig: Das ist natürlich ein Argument. Ich bin in Kiel sehr bekannt, im Rest des Bundeslandes muss ich das noch auf hole. Am Tag der Wahl kennen die Wähler beide Kandidaten soweit gleich gut, dass sie wissen, was das wohl für Leute sind.
Pressident: In Hamburg regiert die SPD jetzt mit absoluter Mehrheit – Ihr Wahlziel 2012?
Albig: Eine Koalition mit den Grünen.
Pressident: Können Sie eine Koalition ausschließen?
Albig: Eine mit Links.
Pressident: Nehmen wir mal an, Sie würden zum Ministerpräsidenten gewählt werden: Was muss sich am Schulsystem in Schleswig-Holstein schnellstmöglich verändern?
Albig: Es muss sich das Verhältnis zu Schulen verändern. Wir reden wahnsinnig viel über Bildungssysteme. Wir reden wahnsinnig viel über G8/G9. Ich als Vater verstehe das schon gar nicht mehr, was da grade genau schulpolitisch angesagt ist. Meiner Meinung nach müssen wir mehr darüber nachdenken, dass die Baustellen an Eurer Schule auch mal wieder verschwinden. Dass eure Lehrer ein bisschen mehr Zeit für euch haben. Dass eure Unterrichtssituation besser wird. Wir müssen wieder etwas Konstanz in die Debatte kriegen Da läuft momentan etwas schief. Ich glaube nicht, dass die Welt darauf wartet, dass wenn wir Sozialdemokraten die Mehrheit haben, nun sofort wieder ein neues Schulsystem eingeführt wird.
Pressident: Sie halten es für schlecht von G9 auf G8 zu verkürzen, aber für noch schlechter, alles wieder rückgängig zu machen?
Albig: Ich habe die Notwendigkeit von G8 nie so richtig verstanden. Ich glaube nicht, dass unser Hauptproblem ist, dass wir noch viel jünger werden müssen, aber jetzt schon wieder alles zu ändern, schon wieder Verunsicherung rein zu bringen, ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Ich würde mich mit Schülervertretern, Eltern und Lehrern nach der Wahl 2012 zusammensetzen und schauen, ob das, was die jetzige Regierung auf den Weg gebracht hat, wirklich so schlimm war, wie wir als Sozis glauben, oder ob man es aushalten kann.
Pressident: Also können wir uns, wenn die SPD an die Regierung kommt, auf ein gleichbleibendes Schulsystem einrichten?
Albig: Auf einen entspannten Kurs, wo wir erst mal fragen, ob etwas geändert werden muss und es nicht gleich tun, nur weil wir zeigen müssen, dass wir recht gehabt haben. Das ist, glaube ich, das Schlimmste. Wir kommen gar nicht mehr hinterher als Schüler oder Eltern, welches System hab ich jetzt eigentlich gerade. Meine Tochter ist jetzt zwei Jahre G8, ich finde, das ist echt ziemlich anstrengend, ganz schön viel Unterricht, aber jetzt ist sie da drin und dann zu sagen, so jetzt ändere ich nur aus Trotz wieder auf G9, das wird es nicht geben.
Pressident: Herr Albig, in Ihrem Internetauftritt sprechen Sie davon, in Sozial- und Bildungspolitik investieren zu wollen. Wie sieht der Plan konkret aus bzw. woher nehmen Sie das Geld für die Unterstützung der Kommunen?
Albig: Wenn wir uns die Struktur öffentlicher Haushalte angucken, dann stellen wir fest, sie haben, je nach Ebene etwas unterschiedliche, aber im Kern ähnliche große Ausgabenblöcke. Da sind vor allem die Sozial- und die Personalausgaben.. Wenn wir uns angucken, wie kommen eigentlich Sozialausgaben zustande, dann stellen wir fest, dass ein ganz großer Teil der Sozialausgaben etwas mit Bildungsmangel zu tun hat. Wie ich vorhin schon angesprochen habe, die Menschen, die in der Familie durchwachsen in immer wieder bildungsarme Generationen. Das ist nicht nur ein soziales Problem, sondern auch ein finanzpolitisches. Das ist nämlich wahnsinnig teuer. Es gibt in Kiel Stadtteile, in denen haben wir im Jahr etwa 60 Millionen Euro Transferkosten, also Sozialhilfekosten. Jetzt kann man Haushaltspolitik so machen, dass man sagt, ich spare überall ein bisschen. Die richtige Frage ist: Nützt das irgendwas bei unserem Problem? Oder tu ich nur so, als wäre ich einer, der spart? Das kommt immer so ein kleines bisschen aus dem Verständnis, dass man Politik so machen muss, wie man es in einer sparsamen Familie macht. Dass man sagt, ich nehme aus den einzelnen Blöcken einfach etwas weniger. Am Ende funktioniert der Staat aber doch anders. Ein solcher Staat funktioniert sehr dynamisch über die Menschen, die in ihm leben. Wenn ich keine Antwort auf diese Leute finde in meiner Stadt, in einem Stadtteil mit ungefähr 20.000 Menschen mit 25 % Arbeitslosigkeit mit 40 % Menschen mit Hartz IV und 60 Millionen Euro Transferkosten, dann wird mein Haushalt nie solide. Dann kann ich so viele Büchereien schließen, wie ich will, so viele Theater streichen, wie ich will, so viele Straßen nicht bauen, wie ich will, ich werde nie so viel sparen, dass ich die 60 Mio. Euro, die einfach da bleiben, einfangen kann. Also muss gute Haushaltspolitik, wenn sie das nun wirklich lösen will, eine Antwort darauf geben, wie bekomme ich die nächste Generation raus aus dieser Falle. Die nächste Generation, das sind die jetzt Drei- bis Siebenjährigen, bei denen müsste man jetzt anfangen. Wie verhindere ich, dass bei denen in 15 Jahren wieder Sozialhilfekosten anfallen. Also gebe ich jetzt Geld aus für bessere Bildung. Die positiven Folgen spürt aber erst der übernächste Ministerpräsident. Dann würde die Konkurrenz sagen, dass ist ja ein schönes Gerede Albig, du musst aber jetzt sparen. Und diese Diskussion müssen wir miteinander führen. Ich glaube, ich komme mit „nur jetzt“ sparen allein nicht weiter, weil ich damit wieder die nächste und übernächste Generation in diese Sozialhilfefalle reinschiebe. Die kommen da nicht alleine raus. Deswegen behaupte ich, dass das Investieren in Bildung Geld spart, allerdings erst im Haushalt in einigen Jahren.
Pressident: Also höhere Bildungsausgaben jetzt sind geringere Sozialausgaben später. Dazu müsste jetzt investiert werden und Schulden gemacht werden?
Albig: Im Zweifel müssten dafür auch Schulden gemacht werden, das ist die Konsequenz. Aber wir können auch heute vieles besser und günstiger machen. In meiner Regierung wird eine Verwaltung kleiner werden müssen. Unsere Verwaltungen in Schleswig-Holstein sind viel zu groß, sie sind im Kern immer noch so aufgestellt wie im 19. Jahrhundert. Ich glaube, eine Verwaltung im 21. Jahrhundert sieht anders aus. Wenn man ehrlich ist, können wir die wirklich nötigen Verwaltungsaufgaben mit 60 % der Beschäftigten hinkriegen. Ich könne also 40 % der Leute einsparen. Aber dann sind die ja noch da. Es ist ja nicht so, dass ich das sage und schon sind die 40 % weg. Normalerweise sind die Leute genauso alt wie ich, ich habe so ziemlich das Durchschnittsalter einer Verwaltung, 48 Jahre. Wenn ich jetzt morgen sagen würde, ein Rathaus, ein Amt könnte auch mit weniger Menschen vernünftig geführt werden, sodass die Bürger das nicht negativ empfinden, dann dauert das wieder 30 Jahre, bis es wirklich komplett spürbar ist, weil bis dahin müsste ich den Leuten Geld bezahlen – oder sie entlassen. Was aber, wie ihr wisst, im öffentlichen Dienst in Deutschland nicht geht und was ich auch für falsch halte.
Also auch in dem Bereich müssen wir etwas tun, wir werden Schritt für Schritt umsteuern: Genau wie in anderen Bereichen: Was genau im investiven Haushalt brauchen wir? Welche Maßnahmen musst du voranbringen, welche Maßnahmen musst du fördern, welche nicht? Fördern wir jeden Radweg, jede Straßenverbreiterung usw.? Das gucken wir uns an. Wir haben im sozialen Bereich eine ganze Menge Ausgaben, wo man zweifeln kann, ob sie wirklich helfen. Oder ob wir da nicht einfach nur eine Struktur subventionieren. Auch da werden wir eine Menge sparen können, das sieht komischerweise die jetzige Landesregierung gar nicht. Und das ist wahrscheinlich wieder so ein Punkt, den wir Sozialdemokraten dann machen müssen. Diskussion führen, wie genau funktionieren Heime für Eingliederung, wie genau funktioniere Heime für Menschen mit Behinderung, wie genau sollte so etwas organisiert werden. Wie kriegt man das hin, dass nicht bevor bei den Menschen, die Hilfe brauchen, irgendwas ankommt, ganz viele andere daran auch Geld verdienen. Wir eine komplizierte Bürokratie finanzieren.
Pressident: Werden wir in Schleswig-Holstein drei Atomkraftwerke haben, auch wenn sie 2012 gewählt werden?
Albig: Ich glaube auch schon mit der jetzigen Regierung wird es so sein, aber mit meiner auf jeden Fall: Die beiden, die schon vom Netz sind, werden nie wieder ans Netz kommen. Aber die Grundsatzfrage nach der Zukunft der Atomenergie in Deutschland ist eine, die wir gesellschaftlich beantworten müssen. Kein Ministerpräsident der Welt entscheidet aus eigener Kraft, es gibt morgen keine Atomkraftwerke mehr in Deutschland. Wir müssen mit allen zusammen werben und dafür kämpfen, dass wir ohne Atomstrom auskommen. Wir müssen die Kraft, die jetzt ganz viele Menschen zeigen, sowohl auf der Straße als auch am Wochenende, in konkretes Handeln umwandeln. Und wir müssen uns auch so verhalten.
Pressident: Wie ist Ihre Meinung zu der derzeitigen Debatte über einen Atomausstieg?
Albig: Der Ausstieg wird kommen. Aber was kommt dann? Das wird eine schwierige Debatte. denn die nächste Diskussion, die wir führen werden, ist, wie kommt z.B. der Windstrom in die Steckdose? Und im Augenblick haben wir keine andere Lösung als diesen durch Erdkabel oder durch Hochspannungsleitungen zu führen. Ich habe im Moment noch keine ausreichenden Speicherkapazitäten für Windenergie. Einen Weg, der niemanden stört, den kennen wir noch nicht. Wer will, dass die Hochspannungsleitungen durch seinen Garten führen?
Aber wir brauchen diese Lösungen, um regenerative Energien zu fördern. Auch da wird es Bürgerbewegungen dagegen geben. Aber das darf uns nicht daran hindern, die AKWs abzuschalten. Da haben wir auch eine wichtige Vorreiterrolle als eine große Volkswirtschaft der Erde – auch wenn die anderen alle noch nicht mitmachen, die Franzosen haben überall Atomkraftwerke stehen, die Polen haben welche, trotzdem müssen wir es machen, weil wir auch Vorbildcharakter haben.
Pressident: Wie stehen Sie zur Frauen-Quote?
Albig: Erstens glaube ich, dass wir viel zu wenig Frauen in Führungsfunktionen haben und ich nicht wirklich verstehe, warum das so ist. Im öffentlichen Bereich haben wir eigentlich gesetzliche Regelungen, trotzdem funktioniert es nicht richtig. Eigentlich halte ich nicht viel von Quoten, in keinem Bereich. Ich muss aber gestehen, dass mein Ansatz von Freiwilligkeit scheinbar nicht sehr erfolgreich ist, dafür machen wir das schon zu lange.
Und möglicherweise muss ich meine Position in Frage stellen, akzeptieren, dass wir es doch mit härteren Verpflichtungen durchsetzen müssen. Ich bin einer, der immer gesagt hat und es ordnungspolitisch für richtig hält, in einem klugen System muss das von alleine passieren. Tut es aber nicht und vielleicht ist meine Grundthese hier falsch. Oder unser System nicht so klug, wie ich gehofft habe.
Pressident: Was ist Ihnen wichtiger? Ein Treffen mit dem US-Präsidenten oder eine Gesetzesverabschiedung, die Sie selbst voran gebracht haben?
Albig: Das Zweite.
Pressident: Herr Albig, Sie nutzen aktiv soziale Netzwerke im Internet. Ihr letzter Twitter-Eintrag ist von Mitte 2010. Gefällt Ihnen Facebook besser?
Albig: Ja, Facebook gefällt mir besser. Twitter ist ausgesprochen gut, um seine eigenen Leute zu mobilisieren. Im Oberbürgermeister- Wahlkampf hat man so dreißig Leute um einen herum, die einem helfen, auch ganz viele Jusos, also junge Leute. Mit denen über Twitter zu kommunizieren und dass die in den Wochen des Wahlkampfes sehen, ihr Kandidat kämpft auch wirklich, die waren total motiviert, weil sie das Gefühl hatten, sie waren eigentlich immer dabei. Witzigerweise war Twitter eher ein Instrument nicht für ganz viele, sondern für ganz wenige, aber für die dann intensiv. Im Alltag fällt aber schon auf, wie schwer es ist, sein Leben in 140 Zeichen zu quetschen. Da kommt oft nur belangloser Mist bei raus. Alles was ich da lese, ist fast immer eine Überflutung mit Informationsmüll.
Pressident: Wir fragen deshalb, weil auch Jugendliche oft im Netz unterwegs sind und häufig auf die Nachteile dieser Netzwerke angesprochen werden. Sind Sie der Meinung, dass an deutschen Schulen genug für eine generationsgerechte Medienerziehung getan wird?
Albig: Ich hab den Eindruck, dass an ganz wenigen Schulen überhaupt was getan wird. Meine Tochter hat so etwas noch gar nicht gehabt, obwohl sie auch längst mit dreizehn schon online ist. Bei meinem Sohn auch nicht so intensiv. Es gibt in Kiel ein paar Schulen, die haben Medienkompetenzkurse, wir haben neulich eine Messe im Rathaus dazu gemacht, um mal zu zeigen, was man alles machen kann. Ich glaube, es wird nicht genug getan. Meine größte Sorge liegt jenseits der richtigen Irrwege wie Gewalt im Netz oder ähnlichen Sachen. Ich habe Sorge, dass man, das gilt besonders für junge Menschen, aber auch für Menschen in meinem Alter, Gefahr läuft, sich im Netz zu verirren, dass man keine klaren Koordinaten hat, was man eigentlich will. Es ist so viel, es überschüttet einen. Und am Ende des Tages weiß ich eigentlich gar nichts mehr, ich hab zwar Zugang zu allen Informationen der Welt, aber ich habe keine klare Antwort mehr auf irgendwas, wenn ich raus komme. Das macht es schwer, seinen eigenen Kurs zu finden. Man sollte darüber nachdenken „Wer bin ich überhaupt selber?“ und „Wo bin ich überhaupt gerade selber?“. Das war für mich so ein Punkt im Leben; wo ich nicht jeden Morgen Leuten mitteilen wollte, wie es mir geht usw. Und die wirklichen Sachen kann man in 140 Zeichen nun doch nicht so toll mitteilen. Bei Facebook kann ich das bisschen intensiver nutzen, da kann man mal einen Link, ein Video oder ein paar Informationen mit einbringen. Auch da ist ziemlich viel Schrott drin, klar, aber man kann es ein bisschen intensiver nutzen.
Pressident: Herr Albig, wir danken für das Gespräch.
War er echt FDP-Kandidat bei der Oberbürgermeisterwahl in Kile ?
Nein, in Kiel
Sehr gutes Interview!!
[...] Wahlkampf war geprägt von den Themen Bildung und Haushaltskonsolidierung. Das merkte man auch im Pressident-Interview mit Torsten Albig: “Das hat was damit zu tun mit der großen Frage, wie bekommen wir Bildung an jeden jungen [...]